Diese Kälte ist dielleicht notwendig. Aver manchmal denkt man, die Begabung reicht dazu nicht boch genug, um schon jetzt der Namr mit solcher Reserve entgegenzukreten. Beinahe gefallen einem die ölten, dunklen Bilder von Weiß besser. ES ist mehr Wanne darin. Freilich gelingt dem Künstler tadurch die künstlerische Halwng seines Werkes, das sich prägnant und bewußt hinstellt. Dieser Künstler tveiß imnier, wa§ man macht, was man nicht macht. Er steht über den beschränkten Künstlernaturen, aber er steht vielleicht nicht so hoch, daß er neue Horizonte gewinnt. Die ausgestellten Zeichnungen der Käthe Kollwitz , Studien zum Bauernkrieg, zeigen die Künstlerin nicht von»euer Seite. Aber man nimmt von neuem die Empfindung mit, daß hier eine weibliche Begabung sich trotz Anlehnung zu einer eigenen Sprache erzogen hat. und wenn das Ausdrucksvermögen auch einseitig ist und der Wandlung entbehrt, so nötigt doch das absolut Künstlerische der Handschrist Bewunderung ab. Im ganzen wohl eine Monotonie, die aber oft Vorbedingung des kräftigen Talentes ist. Einige Zeichmiiigen jedoch sind so reine Zustandsschildcrungen, daß man au Ostade denst. Bei mancher angstvoll konzentrierten Gebärde denkt man an Münch; bei manchem großen Wurf an Daumier. Wenn man zu- Meilen den Eindruck hat. die Künstlerin verliert sich zu sehr ins Inhalt- liche, mutz man nur an die Zeichnungen denken, wo Rhythmus und Bewegung ganz schweigen, wo sie zeigt, daß sie auch das bloß Existenzmäßige beherrscht, wie auf dem feinen Bilde einer Frau, wo die Hände so beredte Form haben. Das Einseitige, Sichwicderholende ist vielleicht weiblich, aber es verstärkt zugleich den Eindruck, und der hinreißende Rhythmus dieser Motive auS der Auflehnung der Bauernkriege und Revo- lutionen kommt mit einer Größe zur Erscheinung, die man beim Manne auf diesem Gebiete in Deutschland selten fand. Dann sind noch Landschaften von Ulrich H ü b n e r zu er- Mähnen; grausilbrige Motive vom Strande , kleine Städte von zarter Erscheinung und leichtem Dust in der Atmosphäre. Wahr und fein sind diese Stücke, die auS dem Tatsächlichen eine leichte Schönheit herausholen. kleines feinUeton. Erziehung und Unterricht. Die Landerziehungsheim-Bewegung. Wie die meisten pädagogischen Reformen, ist auch die Landerziehungsheim- Bewegung zuerst in Amerika in den SchulsettlementS, die in länd- licher Gegend einen Schulstaat im Kleinen bilden, aufgekommen. Nach Dr. LessingS Aufsatz in denDokumenten deS Fortschritts" gibt eS derartige Schulstaatgebilde in Amerika schon seit 30 Jahren. Das Wesen dieser Settlements besteht darin, daß die Kinder einen Teil der Kontrolle selber zu übernehmen haben: bei Schulstrafen wird ein Schülergericht zusammengesetzt, auch gibt es eine regelrecht organi­sierte Polizei. Hierzu kommt noch der außerordentliche Wert, den die Amerikaner dem Sport, der ebenfalls zu den Unterrichtsgegen- ständen gehört, einräumen. Außerdem erlernen die Schüler mancher Colleges neben ihrer wissenschaftlichen Ausbildung ein praktisches, ihrer Neigung entsprechendes Handwerk bei einem zum Lehrkörper gehörigen Schlosser, Tischler usw. Der Sprachunterricht wird ferner so gchandhabt, daß er nur von nationalen Lehrkräften auf dem Wege des Sprechens und der Anschauung erteilt wird. Noch zwei weitere Momente sind von Wichtigkeit für das amerikanische Erzichungswesen: einmal die Verbindung von Schul- und Famitienerziehung, von Schulniederlassung und SicdclungSgenostcnschaft, sodann die Forderung der Koedukation(gemeinsamer Erziehung) beider Ge- schlechter. Im ersten Falle bilden»lehrere Familien eine Nieder- lassuug mit gemeinsamer Wirtschaftsführung und engagieren eine Reihe geeigneter Lehrkräfte zum Unterricht der Kinder. So wachsen denn Knaben und Mädchen wie in einer großen Familie gemeinsam heran, wodurch der gemeinsame Unterricht, auch schon wegen der Sparsamkeit, ganz selbstverständlich ist. Dieses Koedukations- systcm nahm ebenfalls aus Sparsamkeitsrücksichten auch der Staat an und hat derartig günstige Erfolge damit erzielt, daß heute 7» Proz. aller amerikanischer Schulen zur gemeinsamen Er- ziehung der Geschlechter übergegangen sind. Das, was sich in Deutschland gegenwärtig als sogenannteLanderziehungsbewegung" geltend niacht, greift im wesentüchen auf die pädagogischen Forde- rungen Rousseaus, ans die Erziehung des Kindes fern vom Lärm und Dunst der Großstadt, in der freien Natur zurück. Zunächst haben diese Anstalten nicht so sehr Unterrichts- als vielmehr ausgesprochene Erziehungsidcale in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht im Auge. Darum emanzipieren� sich diese Anstalten prinzipiell vom Examenwesen; man betrachtet' das Examen als ein notwendige« Uebel, aber man verwahrt sich dagegen, daß es das höchste Ziel für die Jugend sein soll. In den Klassen bilden sich die ver- schiedensten Klubs für Tennis, Photographie, Tierschutz usw. oder zu wissenschaftlichen Zwecken, wie Lesen eines philosophischen Autors, Pflege einer toten Sprache usw. In einem Schulparlamcnt äußern sich die einzelnen Schulklassen oder Vereine durch ihre Vertreter über alle Angelegenheiten des innern Lebens der Anstalt, bringen Anträge vor oder verbessern bestehende Bestimmungen. Anti- aUoholische wie vegetarische Bestrebungen finden in der Anstalt ihre Stätte. Ebenso nimmt jeder Bürger des Schulstaates am HandfertigkeitSunterricht teil. Jeder Knabe und jedes Mädchen kann sich ein mehr oder minder großes Stück Gartenland oder Acker anweisen lasten mit der Verpflichtung, eS nach Kräften nutzbar zu machen. Eine Spezialität dieser Anstalten sind auch die großen Radreisen ins Ausland und Ferienausflüge, bei denen die Selbsthülfe und Selbstverantwortung der Kinder sich erproben kann. Neuerdings griff man vielfach zu dem System der Schulfamilien und Classss mobiles(bewegliche Klassen). Die Schul« familien sind Gruppen von Schülern, die sich um einen einzelnen Lehrer gruppieren, der mit seinerFamilie" ein Haus bewohnt und auch außerhalb des Unterrichts mit ihr den Tag möglichst zu teilen hat. Die Grundidee der Classes mobiles sind die sogenannten Be- gabungsklasten, d. h. man läßt einen jüngeren Schüler, der z. B. in der Mathematik hervorragend tückitig ist, in diesem Fache am Unterricht einer höheren Stufe teilnehmen. Da die Landerziehungsheime noch Privat« institute sind, so bieten sie wagemutigen Pädagogen die beste Ge« lcgenheit, mit ganz neuen Reformversuckien Erfahrungen anzustellen. Eine bei dieser Gelegenheit gewonnene Erfahrung ist die Einsicht in die Borteile der Koedukation von Knaben und Mädchen, sofern sie früh genug durchgeführt wird, sodaß die Vorbildungen nicht zu ver» schieden sind. Wie jede neue Einrichtung, so hat auch die Land« erziehungSheimbewegung noch ihre Mängel, deren Beseitigung aber keineswegs auf unüberwindliche Hinderniste stößt. DaS Prinzip der ländlichen Erziehung schließt die Gefahr in sich, daß die Kinder den großstädtischen Sitten und Begriffen ent« fremdet werden. So können die Kinder mit falschen Vorstellungen in das sie erwartende Leben treten, welche Gefahr noch erhöht wird durch die in ihnen genährte Ueber« zeugung von der besondersartigen Wichtigkeit ihrer Entwickclung und durch die individuelle Erziehung, die jedes ihrer kleinsten Talente sorglich pflegte. Endlich muß der traurigste Punkt der Land- erziehungsheime erwähnt werden; es ist dies, daß die Bewegung, wie sie mehr oder weniger vom kapitalkräftigen Handelsstand fundiert wurde, auch diesem allein zu Gute kommt, daß daS Erziehungsmaterial, wie eS sich aus der zur modernen Bildung emporwollenden Junkerklasse oder auS reichgewordenen Bankiers« und Jndustriekreisen rekrutiert, nicht eben daS glücklichste ist, um große Ideale und Forderungen einer neuen Lebensmoral und Lebenshaltung zu verwirklichen. So lange das Volk an dieser Neuheit keinen Anteil hat, so lange das Experiment neuer Ideen und Möglichkeit nur in Privatanstalten verwirklicht ist, die keinen Zögling aufnehmen können, besten Eltern nicht wenigstens 2000 Mark im Jahr für jedes ihrer Kinder ausgeben können, können auch die Vorteile nicht genügend ausgebeutet, die Mängel nicht ab« gestellt werden. Dieser Geist des Kapitalismus, der fast nur ver» wöhnte und vom groben Lebenskampf emanzipierte Kinder in solchen Anstalten zusammenbringt, ist der größte Mangel der Bewegung. Medizinisches. Nasenverschönerung. Ueber Nasenkorrekturen ver- öffentlicht Dr. Jogues Joseph in derUmschau" einen interestanten Artikel, auS dem einige Mitteilungen wiedergegeben seien. Defekte Nasen, wie sie zuweilen durch Verletzungen oder meistens infolge bösartiger Krankheiten entstehen, winden schon von den Indern be- handelt, bei denen das Nasenabschneiden eine landesübliche Strafe war; der Defekt wurde durch Teile der Wange und später der Stirnhaut gedeckt, während in Italien im Mittelalter eine Ueberpflanzung der Arn, haut vorgenommen wurde. Nachdem diese Methoden lange Zeit vergesten waren, wurden sie in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zunächst von Dieffenbach und Gräfe wieder aufgenommen und immer weiter vervollkommnet, so daß gegenwärtig fast alle Verstümmelungen mir gutem Erfolge behandelt werden können; zu einer künstlichen Nase braucht man nur noch seine Zuflucht zu nehmen. Ivenn außer der Nase auch noch Teile des Oberkiefers fehlen. Die Sattelnase wird durch Paraffin ausgefüllt, das. in flüssigem Zustande eingespritzt und auch in festen Stücken eingefügt werden kann; man kann sie aber auch durch ein derselben Person entnommenes Knochenstück aus dem Schienbein beseitigen. Auch die zu großen Nasen, die meistens erst im zweiten Jahrzehnt des Lebens zu übermäßigen Proportionen anwachsen und die für ihre Besitzer verhängnisvoll werden können, da sie sie der Spottlust der Menschen ausliefern, können künstlich verkleinert werden. Meist handelt es sich bei solchen Ver- kleinernngen der Nase nur um einzelne Abschnitte, um die Abttagung eines übermäßig entwickelten Höckers oder die Verkürzung einer zu langen Nase, um die Zurücksetzung einer zu stark hervorragenden Nasenspitze oder die Berschmälerung ein�r zu breiten Nase usw. Dabei wird daS Nasengcrüst verkleinert,'d. h. besonders von den Knocken und den Knorpeln des Nasengerüstes alles Ueberflüssige und zugleich Entstellende entfernt. Die Operationen sind heute gefahrlos ge- worden, da statt der allgemeinen Narkose die örtliche Schmerzbetäubung angewandt wird, und es wird auch die kleinste äußere Narbe ver- mieden, da die Eingriffe vom Naseninnern her ausgeführt werde»; die Haut zieht sich dann infolge ihrer Elastizität sofort zusammen und legt sich dem verkleinerten Nasengeriist faltcnlos an, so daß die Nase so aussieht, als hätte sie nie eine andere Gestalt gehabt. Berantw. Redakteur: Georg Tavidsohn, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt Paul Singer Sc Co., Berlin ZW.