Milit2rkonz?rte haben tvir keinen Einfluß, aber die Konzertabcnde der Männerchöre sind zu beeinflussen. Die Wünsche von Freunden einer guten Volkskunst gehen dahin, daß die Konzerte der Männer- chöre aus dem sogenannten Liedertafelnireau sich heben und zu wirklichen Kunstereigniffen de? Volles werden mögen. Den Männcrchören ist die Erziehung des Volkes in musikalischer Hinsicht anvertraut. Dieser Pflicht sind sich erst wenig Vereine bewußt. Den meisten geht das Ver- einsinteresse noch über das allgemeine. Gute künstlerische Aufführungen können— es sei nochmals betont— nur große Vereine zustande bringen. Auch die größte Begeisterung eines Dirigenten muß scheitern, wenn die Mittel zur Ausführung un- zulänglich sind. Und damit kommen wir zur Dirigentenfrage, die gleichfalls in unsere Betrachtungen hineingehört. Sie ist für viele Arbeitergcsangvereine geradezu brennend geworden, da ihnen bei weitem nicht die große Ausivahl unter den vorhandenen Kräften zur Verfügung steht wie den bürgerlichen Vereinen. Auch zur Lösung dieser Frage kann die Verschmelzung kleinerer Gesang- vereine in einen großen helfen. Denn ein guter Dirigent verlangt ?;ute Bezahlung und kann sie auch beanspruchen. Kleine Vereine önnen ihrem Dirigenten oft nicht mehr als 2,50 Mark für die Probe zahlen.(Der Musiker, der abends zum Tanz aufspielt, erhält mehr.) Und selbst diese 10 Mark monatlich aufzubringen, fällt einem Verein von 20— 25 Mitgliedern schwer. Die Folge davon ist, daß jeder Dirigent danach streben muß, sich aufzubessern, d. h. den schlcchtzahlenden Verein zugunsten von besserzahlenden aufzugeben. Ferner aber sind selbst bessergestellte Vereins- dirigenten gezwungen, Abend für Abend einen Chor zu leiten. Zeit, seine eigene Ausbildung durch Besuch von anderen Konzerten, Öpernvorstellungen usw. zu fördern und auf dem laufenden zu erhalten, hat ein solcher Dirigent nicht. Kleinere Talente laufen dabei Gefahr, im Fache zu versimpeln. Darunter leidet die eigene Arbeit und im weiteren auch der Verein. Besser kann das erst werden, wenn die Dirigenten aus ökonomischen Gründen bricht mehr gezwungen sind. Abend für Abend je einen kleinen Verein zu leiten. Die Berufsfreudigkeit der Dirigenten wird gehoben, wenn sie sehen, daß ihre Arbeit auch finanziell sich lohnt, und wenn sie aus dem Berufsstumpfsinn herauskommen, der ihnen auferlegt, Abend für Abend mit immer einem anderen Verein womöglich die gleichen Lieder durchdreschcn zu müssen. Auch ergibt sich für die Vereine die Möglichkeit, daß bei genügender Bezahlung sich mehr gute Kräfte als sonst zu Dirigenten melden werden. Auch der Umstand, daß ihm eine große Sängerschar zur Verfügung steht und daß er die Möglichkeit hat, größere Aufführungen zu machen, veranlaßt manchen guten strebsamen Musiker, seine Kräfte den Vereinen zur Verfügung zu stellen. Was sonst noch alles mit einem großen Verein sich leicht schaffen läßt, ist zum Teil noch Zukunftsmusik; soll aber noch kurz gestreift werden. So können mit geringen Kosten ein paar Bücher musikalischen Inhalts, eine Musikzeitung usw. zum Verleihen an die Mitglieder angeschafft werden, Dinge, die für den einzelnen musikliebcnden Arbeiter zum Anschaffen meist zu teuer sind. Die Ausleihziffern von Volksbibliotheken zeigen, wie groß das Be- dürfnis ist. Auch das Arrangieren von einem Kammermusikabend oder einem Sololicdcrabend stände nicht außer dem Bereich der Möglichkeit. Ich meine hierbei keine Konzerte, sondern mehr einen behaglichen musikalischen Abend für die Vereinsmitglieder und deren Angehörige, der vielleicht einmal im Winter stattfinden könnte usw. Wie sollen sich nun Vereine verschmelzen? Hierüber ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Ganz kleine Vereine schließen sich, wie schon gesagt, am besten einem größeren an. Gleich große werden einen neuen Verein gründen. Die Aufrechnung des Inventars macht keine Schwierigkeiten. Die Hauptsache ist guter Wille auf allen Seiten, bessernd eingreifen zu wollen. Das Sonder- interesse muß zurücktreten. Immer soll man sich vor Augen halten, daß auch auf dem Gebiete deS GcsangvereinswesenS der Zusammenschluß die Macht ist, daß der einzelne kleine Verein nichts bedeutet, der große aber sehr viel zu sagen haben kann. kleines Feuilleton. Astronomisches. Riesenmeteore. Der Zufall will eS, daß in den letzten Monaten zwei Fälle bekannt geworden sind, in denen durch Meteore, vom Himmel fallenden Steinmassen, Unglück angerichtet worden ist. In Amerika ist durch ein herabfallendes Meteor ein Mann getötet worden— der erste dieser Art zweifellos bekannt gewordene Fall— und vor kurzer Zeit ging durch die Tagcspresse eine Notiz, nach welcher der Dampfer..Cambrian" bei 42 Grad 5 Minuten nörd- licher Breite und 5 Grad 10 Minuten westlicher Länge beinahe durch ein herabfallendes Riescnmeteor zerftbrt worden wäre. Der dritte wachthabende Offizier schilderte den Vorfall. Das Meteor ging etwa 40 Meter vom Meer ins Meer, wobei sich heiße beißende Dämpfe entwickelten. Es soll die Größe eines großen Wohnhauses gehabt haben. ES ist nicht ausgeschlossen, daß die Größenschätzung des Offiziers richtig gewesen ist, denn eS ist kein Grund vorhanden, anzunehmen, daß solche Massen nicht auf die Erde herabfallen könnten. Hat man doch manche Delege dafür, daß mitunter ganz ungeheure Massen auf diese Weise der Erde hinzugefügt werden. Nach einer Mitteilung in der Zeitschrift„Himmel und Erde" ging im Jahre 1806 in Ungarn ein Meteorit von 250 Kilogramm Ge« wicht nieder, 1888 in St. Geneviere. Missouri , eins von 244ch Kilogramm, und in Finnland fiel 1899 in Borgo in Gegenwart von Augenzeugen ein glühender Stein von 325 Kilogramm Gewicht auS der Luft herab. DaS sind immerhin noch kleine Steine gegen die Meteoriten, die man aufgefunden hat. Man kann bekanntlich die Mcteoritennatur an Steinen nachweisen, besonders wenn sie Eisen in größerer Menge enthalten. 1902 wurde in Willamette Oregon (Amerika ) ein in seiner Struktur prachtvoller Meteorit auf» gefunden, der nicht weniger als 13 500 Kilogramm wog. D«e Sammlung der Berliner Universität besitzt von diesem Koloß ein Stück von 1 Kilogramm. Noch größer ist ein Stein, der in Campo del Ciele(Tucuman , Argentinien ) gefunden wurde. Noch größere fand man in Chupaderos(Vereinigte Staaten ), Gewicht der zwei zusammengehörenden Stücke— 20 880 Kilogramm, Cape York zirka 40 000 Kilogramm und Ranchito etwa 50 000 Kilogramm. Der am 12. Februar 1900 in Porto Alegre heruntergegangene Stein maß 20 Meter in der Höhe und 17 Meter im Durchmesser. Viele Meteore zerspringen beim Durchfallen der irdischen Atmosphäre in viele kleine Stücke. Ein 1309 bei Heßle in Schweden niedergehendes Meteor zerstob in etwa 500 kleine Stücke deren größtes nur 1,8 Kilogramm wog. Der zurzeit größte Niedergang eines gesprengten Weltkörpers konnte in Klauscnberg(Sieben- bürgen) beobachtet werden. Seine Bestandteile verbreiteten sich über eine fast 25 Kilometer breite Fläche in etwa 100000 Stücken von 0.1 Gramm bis 35 Kilogramm Gewicht. Man sieht, daß eS gar nicht so unbeträchtliche Massen sind, die der Erde auf diesem Wege aus dem Weltenraume zufliegen. Wenn man weiß, wie häufig Meteoritenfälle sind, wie viele gerade in un- bewohnten Gegenden vorkommen und über den Weltmeeren, und wie wenig und selten Fälle in bewohnten Gegenden zur Beobachtung kommen, obwohl ihre Anzahl sicher sehr groß ist. dann kommt man zu der Ansicht, daß in dem scheinbar leeren Welten- räume eine Riesenmenge von Material in kleinsten Bruchstücken umherschwirren muß, mit dem die größeren Himmelskörper mit- unter„gespeist" werden können.— Physiologisches. Die Nervenerregung— ein chemischer Pro- ze ß. Unsere Sinnesorgane nehmen bekanntlich die durch irgend- welche Erscheinungen auf sie ausgeübten Reize entgegen, und diese letzteren werden durch die Nerven zum Gehirn fortgeleitet, wo sie uns zum Bewußtsein kommen. Ob der'Errcgungsvorgang in den Nerven nun ein chemischer oder ein physikalischer Prozeß ist, ist schon oft Gegenstand wissenschaftlicher Erörrerung gewesen, bisher jedoch noch nicht entschieden worden. Die bislang angewandte» Untersuchungsmcthoden, z. B. die Feststellung der Ermüdbarkeit der Nerven, der Versuch, die Bildung chemischer Produkte im gereizten Nerven nachzuloeisen, oder gar zu zeigen, daß im gereizten Nerven eine Temperaturänderung stattfindet, oder schließlich zu unter- suchen, ob der Nerv freien Sauerstoff bedarf, haben keinen Beweis dafür geliefert, daß es sich um einen chemischen Prozeß handelt. Die neuere Chemie hat uns aber durch die Arbeiten von van Hoff und ArrheniuS Mittel an die Hand gegeben, welche mit großer Sicherheit dafür verwandt werden können, zu entscheiden, ob ein Vorgang chemischer oder rein physikalischer Natur ist. Alle chemischen Vorgänge sind nämlich dadurch ausgezeichnet, daß die Geschwindigkeit, mit welcher sie verlaufen, bei einer Temperatur- crhöhung um 10° sich auf das Doppelte oder Dreifache steigert. Dieses Prinzip ist schon von mehreren Forschern benutzt worden. um zu entscheiden, ob es sich, speziell bei Lebensvorgängen. um chemische Prozesse bandelt. Die Benutzung dieses Prinzips ist vor allen Dingen dann bequem und zweckmäßig, wenn die sich abspie- lcnden chemischen Prozesse zu kompliziert sind, als daß wir sie ihrer Natur nach erkennen könnten. Ueber die in der Uebcrschrift genannte Frage hat nun ein englischer Forscher, S. S. Maxwell, Untersuchungen angestellt. Er bediente sich zu einem Versuchen des Pedalncrven der Riesenschnecke �nolinmx columbianus. Die Nerven kann man bequem in einer Länge von 10 Zentimeter präparieren und hat den großen Vorteil, daß die Erregung in diesen Nerven sich nur mit einer Gcschwindig- keit von 44 Zentimeter in der Sekunde fortpflanzt. Maxwell hat nun in einer großen Reihe von Versuchen die Fortpflanzungsge- schwindigkeit der Nervenerregung bei zwei verschiedenen, 10° aus- einanderliegenden Temperaturen gemessen und gefunden, daß die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Durchschnitt auf das 1,78 fache steigt. Das übereinstimmende Ergebnis dieser großen Zahl von Versuchen führt logisch zu dem Schluß, daß die Fortleilung im Nerven ein chemischer Prozeß ist. Verantw. Redakteur: Georg Davidiohn. Berlin. —- Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt Paul Singer Lc Co., Berlin LW.
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25 (29.4.1908) 83
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