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Vor fechzig Jahren.

Satirisches   aus dem Jahre 1848.

Buerst spielte man mit der Revolution, d. h. man begriff nicht den Ernst der Dinge, die sich in den Versammlungen auf dem Schloß- und Opernplage vorbereiteten. Das charakterisiert ganz töstlich die Bemerkung eines Dienstmädchens, die den Wunsch nach dem Besuch einer solchen Versammlung in den Worten aussprach: Madamken, wenn id mit's Ufficheuern fertig bin, fann ich denn woll een bißchen mit den Kleenen Justas uff de Revolutien jehn?"

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Dem Arbeiter wurde der Zeiten Sinn am frühesten offenbar. Warum wirfst Du dem Minister die Fenster ein?" fragte ein Student einen Handwerksburschen am 16. März in der Wilhelm­ftraße.- Damit er den Kopf herausstecken und sehen kann, wie es in der Welt aussieht."

Lachte der naive Unverstand zuerst des Kommenden, so berriet die Charakterlofigkeit später, als die Gegenrevolution wieder fiegrei h einfegte, ebenso eifrig die Revolution. Die Voifische Beitung" hat darin wohl das widerlichste geleistet. Diese hat nämlich schon damals Tonsequent ihren Standpunft vertreten: immer anbetend vor dem Sieger niederzufnien, um seine Sache ebenso eifrig zu bespucken, sowie ein Umschwung in den Dingen eintritt. So war es auch 1848. Am 19. März batte die Vossische Zeitung" den Sieg der Revolution durch ein Extrablatt der Freude" gefeiert, als aber sechs Wochen später die Reaktion sich wieder zu festigen begant, hänen riechen Leichenfelder schon von ferne! da plädierte fie alsbald für ge­richtliche Verfolgung und Bestrafung der Kämpfer des 18. März. Diese Erbärmlichkeit bot der zeitgenössischen Satire immer dank baren Stoff und wurde immer wieder gekennzeichnet, besonders häufig vom Kladderadatsch". Auf die Anregung der Boff. Btg. Die Wärglämpfer gerichtlich zu verfolgen, antwortete er z. B. mit folgendem Gedichte:

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Neues Lied von der alten Zante Voß. Mel.: Lott is tot.

In Berlin  , in Berlin  , Wo die Freiheit will erblüh'n, Breite Straße- nah am Schloß Wohnt die alte Tante Voß!

Löfchpapier ist ihr Getvand­Groschengeil ihr Anverwandt' Schwenzellessing ihr Genoß Vivat hoch die Tante Voß!

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Tante Boß  , die edle Frau, War in ihrer Jugend schlau, Stand im freundlichen Verkehr Nur mit Herrn von's Militär!

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Jetzt, wo jene Zeiten fern, Geht sie nachts mit der Latern': Sammelt Lumpen, nimmt in Schutz Unseres ganzen Landes Schmug! Unfrer Freiheit Frühlingsluft Bestet sie mit efelm Duft; Bringt von Hans und bringt von Hinz

Allen Unrat der Provinz! Buhlt wie vor mit jenem Troß, Der uns mit Kartätschen schoß Breite Straße- nah am Schloß­Vivat hoch! die Tante Voß!

Denselben Gegenstand hat der Kladderadatsch" noch in einem illustrierten Kirchhofsgespräch behandelt. Eine alte Frau figt im Friedrichshain   am Grabe ihres am 18. März gefallenen Sohnes:

Sehn Se, Nimplern, hier ruht mein Sohn Willem, vom 18 März. Er starb for de deutsche Freiheit an de Köllnische

Barrikade."

Ra, hören Se, Mollenhauern, wenn det durjeht, wat be Voffische Zeitung" von wejen Bestrafung der Barrikadenhelden am Bußtag gequacelt hat, denn werden so woll voch noch Ihren Willen rausbuddeln, und ihn wejen Mangel an patriotische Jesinnung die Nationalfotade runterkrigeln."

Ach, Rimplern, reden Se doch so wat nich 1 Jloben Se deni, daß Seine Majestät nich weeß, warum er die Müge vor meines Sohnes Leiche abjezogen hat?"

Aber feine redselige Majestät wußte das sehr bald nicht mehr, d. h. er brauchte vor dem revolutionären Willen des Voltes keine Furcht mehr zu haben, das Bürgertum parierte in seiner Angst vor dem arbeitenden Volke nur mehr noch mit dem Hintern. Und darum ist der Spott des Berliner   Großmaul" über den famosen pajjiven Widerstand" auch ganz berechtigt:

Lude? Sage mal Heindrich, wat is det ecjentlich, passiver Widerstand?"

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Heinrich: Det will id Dir fagen, Lude. Paffiver Widerstand is, wenn die Jungens in der Schule Prügel friegen, un fich een Brett unter den od binden. Passiver Widerstand is ooch, wenn een Junge den andern feilt, un wenn denn der, der Keule gekriegt hat, ausreißt und ganz von Femne schreit:" Warte man, dummer Junge, id wer et meine Mutter sagen."

Die Reaktion hätte noch wesentlich dimmer fein müssen, wie sie es in der Tat gewesen ist, hätte sie nicht allmählich alle ihre in den Kummertagen der Märzniederlage gemachten Zugeständnisse an den Fortschritt in den Wind geschlagen, denn mit absoluter Gemütsruhe fonnte fie fi ja jezt dem hingeben, was" Der blaue Montag" im Dezember 1848 als belauschtes Gespräch mitteilte:

A. Lassen Sie Ihren Sohn studieren?"

B.Jawohl!"

A." Jurisprudenz? die Rechte?"

B. Nein, Gewalt!"

2. Gewalt, wieso?"

"

B. Nun, Gewalt geht jetzt vor Recht!"

Der soziale Wig fegte ebenfalls im Jahre 1848 ftärker ein, der Aladderadatsch" brachte z. B. einmal die folgende Gloffe:

,, Warum werden die Säugammen aus dem Volle genommen? Damit der Reiche schon als Kind lerne, das Blut des Armen zu faugen."

Freilich die Einsicht in die Lage und die Not des arbeitenden Voltes war wesentlich geringer als die zynische Frechheit, mit der man die Arbeiter verhöhnte; in der Zeit der siegreichen Gegen revolution brauchte man sie ja nicht mehr zu fürchten und so konnte es sich der" Juchheirasafa" wohl leisten, in folgender Weise die arbeitslosen Arbeiter zu verhöhnen:

Ein Reisender erzählt, als er vor einigen Tagen mit der Littauer Boft fuhr, haben des nachts zwei Passagiere folgendes Ge spräch geführt: Eriter. Sagen Sie mir, ist das gegründet, daß Sie Mitglied des Arbeitervereins find?"

Zweiter. Ich war's, so lange ich ohne Kondition war, jetzt bin ich ausgetreten."

Erster. Nun, warum jetzt ausgetreten?"

8weiter. Sehen Sie, wenn man ohne Beschäftigung ist, fo amüsiert man sich dort recht gut. Dort findet man viele feines gleichen; da gibt's Leute, die nicht einmal ein Stück Brot schneiden fönnen, viel weniger Brot verdienen, und um nicht Bummler ge­nannt zu werden, ist man denn Mitglied des Arbeitervereins." Die Wize über die Rehberger" so nannte man die in den Rehbergen beschäftigten Arbeiter; dort ließ nämlich der Berliner  Magistrat zur Minderung der Arbeitslosigkeit Notstandsarbeiten in Form von Erdarbeiten berrichten, sind ausnahmslos gleichen Kalibers. So war z. B. das folgende illustriert erschienene Lied der Rehberger" damals sehr start verbreitet: Ein scheenes Leben führen wir, Ein Leben voller Freide: Der Dag verjeht bei Schnaps und

Bier,

Un abends denn erholen wir Uns in de Jungfernheide. Un find wir von de Arbeet matsch, Denn wird zum Spaß jelesen: Wir bilden uns janz demokrat'ich Wir halten bloß den kladde radatsch

Un Tante Voß mit'n Befen.

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Jetzt schinden wir von'n Majiftrat Dagdäglich man zwelf Froschen­Wat denkt denn so'n Jemeinde­

rat?

Det wird, wenn eener Unjlid hat, In Klabberjas verdroschen. Zwelf Froschen  , un zehn Stunden farr'it?

Ne, Scheenster, det jeht so nich I Denkt er, die Rehberj'r, det find Narr'n? 3welf Froschen, un zehn Stunden farr'n!

Naunyn, ne, na man jo nich

Die fcheene Zeit is bald entfloh'n Drum nu noch frisch getummelt. Heit jeht et noch uf Dagelohn ,. Doch, ach herrje, von morgen schon Wird uf Akkord jebumme It!

Daß man über die kommunistischen   Bestrebungen jener Zeit noch blödere Wige riß, liegt bei der notorischen Verständnislosigkeit des Bürgertums gegenüber historischen Erscheinungen auf der Hand. Die moderne Arbeiterbewegung mit ihrer unwiderstehlichen Logik mußte erst emporkommen, um dem deutschen Spießer wenigstens diese Sorte dummm- gailen Spottens auszutreiben; sie hat dies denn auch ziemlich gründlich besorgt.

ds.

( Nachdrid berboten.)

Eine der böfen Nächte.

Bon Johan Fallberget.

Aus dem Norwegischen von Theobald Bölcker. Es ist Mitternacht   in einer Grubenbarade auf Dovrefjeld. Dieses schreckliche Loch von einer Menichenwohnung!

Ich liege in meinem Bett und kann nicht schlafen. Die Wanzen peinigen mich über dem ganzen Körper. Diese Tausende von kleinen Raubtieren brennen wie glühende Messerspigen in der Haut. Es ist auch so stockfinster hier drinnen. Nur ein Paar rote Lichtschimmer von der einen Wand her treffen mein Auge. Wie das Blinken tranfer Raubtieraugen. Es find die zwei Kochöfen der Barade, die in Glut stehen. Ich versuche, mich in das Bettstroh zu vergraben. Und ich ziehe dreckige Schafsfell über den Kopf. Jedesmal wenn ich mich darunter rühre, fommt mir eine Wolfe von Staub in Nase und Mund. Aber 717 beißen die Wanzen wie ein Höllenbrand. Da haue ich meine Nägel in meinen armen Leib und frage mich, daß die Haut zerfetzt.

das

Eine Weile liege ich ruhig und empfinde meinen Schmerz mit zusammengebissenen Zähnen.

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Des Tages Sllavenarbeit da unten in den tiefen Gruben fingt und flopft in meinem Blut. Und das Herz bebt und schlägt gleich den Flügeln eines todesbangen Vogels, dem man die Schlinge un den Hals geworfen hat. Aber dann wird alles ruhiger. Wie bei einem, der daliegt und stirbt.

Und es fommt mir die Empfindung, daß der Tod... diese Inochige flamme Gestalt, mit mir zusammen unter demselben Felle liegt.