aber einige Porträttöpfe find in dieser Zeit noch geschaffen worden.die neben das Größte der früheren Epoche gestellt werden müssen.Wohl der schönste unter ihnen ist ein Kopf von der Statue einesalten Mannes im Berliner Museum. Da ist keine Stelle an diesemkahl geschorenen Priesterschädel, die nicht gleichsam quillt von ver-haltenem Leben. Alles ist straff, lebendig, eigenartig, und alleszeugt von genauestem Porträtstudium. Die Einverleibung Aegyptensin daS Perserreich hat dann dem Volke seine nationale Selbständig-keit genoinmen, und mit ihr ist seine Kunst für immer dahin ge-Wesen. Dr. Hermann Ranke.IlNachdrult verboten.)Die KeKerrfcKer dca Lebena.Von Maxim G o r k i.„Geh' mit mir an die Quellen der Wahrheit," sagte lachend derTeufel zu mir und führte mich aus den Friedhof.Als wir uns langsam durch die engen Pfade zwischen altenGrabsteinen und eisernen Grabplatten hindurchwanden, sprach ermit der ermatteten Stimnie eines alten Professors, der der frucht-losen Predigt seiner Weisheit überdrüssig geworden:„Unter Deinen Füßen liegen die Urheber der Gesetze, die Dirdie Richtschnur geben, Du trittst mit der Sohle Deines Schuhes aufdie Asche der Zimmerleute und Schmiede, die einen Käfig für daswilde Tier in Dir erbaut haben."Dabei lachte er mit dem beißenden Lächeln der Menschenver-achtung und begoß das Gras der Gräber und die verschimmeltenDenkmäler mit dem grünlichen Schein eines kalten Blickes auswehmutsvollen Augen.Die fette Totenerde blieb in schweren Klumpen an meinenFüßen hängen und es war mühsam, auf den Pfaden zwischen denGrabdenkmälern der Lebensweisheit zu wandeln.„Warum, Mensch, verehrst Du nicht dankbar die Asche derer, dieDeine Seele geschaffen haben?" fragte der Teufel mit einer Stimme,die dem feuchten Hauch des Herbstwindes glich und in meinemKörper wie in nieinenr von wehmutsvoller Erregung vollen HerzenSchaudern erweckte. Still schaukelten die traurigen Zweige derBäunie über den alten Menschengräbern und streifen, kalt und feucht,mein Angesicht.„Gib den Falschmünzern, was ihnen gebührt I Sie haben reich-lich die Scharen kleiner, grauer Gedanken verbreitet,— die kleineMünze Deines Verstandes,— sie haben Deine Gewohnheiten er-schaffen. Deine Vorteile und alles, wovon Du lebst. Danke ihnen,—eine ungeheure Erbschaft ward Dir nach ihrem Tode I"Langsam fielen gelbe Blätter auf mein Haupt und aus die Erde.Gierig schniatzend verschlang die Friedhoferde ihre frische Speise— diewelken Blätter der Herbsttage.„Hier liegt ein Schneider, der die Seelen der Menschen in dieschweren, grauen Gewänder vorgefaßter Meinungen kleidete,— willstDu ihn sehen?"Ich senkte schweigend den Kopf, der Teufel versetzte mit seinemFuß einen Schlag aus die alte, vom Rost zerfressene Platte übereinem der Gräber und sagte:„He, Schriftgelehrterl Steh' auf...."Die Platte hob sich und mit einem schweren Seufzer der durch-näßten Erde öffnete sich das untiefe Grab wie ein verfaultesPortemonnaie. Aus seinem feuchten Dunkel ertönte eine mürrischeStimme:„Wer weckt die Toten nach zwölf?"„Siehst Du l"— meinte lachend der Teufel—„die Schöpferder Gesetze des Lebens sind sich treu, selbst wenn sie schon verfaultfind."„Ah, Ihr seid's, Herr" sagte das Skelett, indem es sich auf denRand des Grabes setzte, und nickte untertänig mit seinem hohlenSchädel den, Teufel zu.„Ja, ich bin's l" antwortete der Teufel.„Hier habe ich Direinen meiner Freunde gebracht.... Er verdummte unter denMenschen, die Du die Weisheit gelehrt hast und ist jetzt zuihrer Urquelle gekommen, um sich von der Ansteckung zu heilen..."Ich schaute mit gebührender Ehrfurcht auf den Weisen. An denKnochen seines Schädels hing schon kein Fleisch mehr, aber der Aus-druck der Selbstzufriedenheit war noch nicht aus seinem Gesicht ge-wichen. Jeder Knochen schimmerte trübe im Bewußtsein seiner Zu-geHörigkeit zu einem Knochensystem, einem ausschließlich voll-kommenen, in seiner Art einzigen...Was hast Du auf Erden getrieben, erzähle uns?" proponierteder Teufel.— Der Tote legte mit seinen Handknochcn gewichtig undstolz die dunklen Fetzen seines Gewandes und Fleisches zurecht, dienach Bettlerart an seinen Rippen hingen. Dann hob er stolz dieKnochen seiner rechten Hand in gleiche Höhe mit der Schulter,zeigte mit dem nackten Fingergelenk in die Finsternis desFriedhofes und fing leidenschaftslos und gleichmäßig an zu sprechen:„Ich habe zehn dicke Bücher geschrieben, die den Menschen diegroße Idee des Vorranges der weißen Rasse über die farbige ein-geflößt haben...."«In die Sprache der Wahrheit übertragen", sagte der Teufel,„kautet das so: ich unfruchtbare alte Jungfer habe mein ganzesLeben mit der stumpfen Nadel meines Verstandes aus denalten Wollhaaren abgenutzter Ideen Narrenkappen gestrickt füralle die, welche ihren Schädel in Ruhe und Wärme zu haltenlieben...."„Sie fürchten nicht, ihn zu beleidigen?" fragte ich den Teufelleise.„Ol" rief er aus.„Die Weisen verstehen auch im Lebendie Wahrheit schlecht I"„Nur die weiße Rasse," fuhr der Weise fort,„konnte eine solchekomplizierte Zivilisation schaffen und solche strenge Prinzipien derSittlichkeit aussinnen, daS verdankt sie der Farbe ihrer Haut, derchemischen Zusammensetzung des Blutes, was ich bewiesen habe..„Das hat er bewiesen I" wiederholte der Teufel, zur Bekräf»tignng mit dem Kopfe nickend.„Es gibt keinen Barbaren, dervon seinem Recht, grausam zu sein, mehr überzeugt ist, als derEuropäer..."„Christentum und Humanismus sind von den Weißen geschaffenworden," fuhr der Tote fort.„Von der Rasse der Engel, denen die ganze Erde gehören muß,"unterbrach ihn der Teufel.„Das ist der Grund, warum sie die Erdeso eifrig in ihrer Lieblingsfarbe anstreichen— der roten Farbedes Blutes..."„Sie haben die reichste Literatur geschaffen, eine Staunen er-regende Technik," zählte der Tote mit seinen Fingerknochen....„Dreimal zehn gute Bücher und eine unzählige Menge vonInstrumenten zur Vertilgung der Menschen..." erklärte der Teufellachend.„Wo ist das Leben inehr zerstückelt, als unter dieser Rasse,und wo der Mensch tiefer herabgesetzt als unter den Weißen?"„Vielleicht hat aber der Teufel nicht immer Recht?" fragte ich.„Die Kunst der Europäer erreichte eine unermeßliche Höhe."murmelte das Skelett trocken und langweilig.„Vielleicht möchte sich der Teufel ganz gern irren!" rief mein Be-gleiter.„Es ist doch langweilig, immer Recht zu haben. Aber dieMenschen leben nur dazu, meine Verachtnng zu nähren.... DieSaaten der Körner Gemeinheit und Lüge bringen auf Erden diereichste Ernte hervor. Da steht der Säemanu vor Dir. Wie siealle... hat er nichts Neues hervorgebracht, er hat nur die Leich»name alter Vorurteile auferweckt und sie in die Gewänder neuerWorte gekleidet... Was ist auf Erden geschehen? Paläste sinderbaut worden für die Wenigen, Kirchen und Fabriken für dieVielen. In den Kirchen werden die Seelen getötet, in den Fabriken— die Körper, und das alles, damit die Paläste uncrschüttert feststehen... Die Menschen werden tief in die Erde nach Kohle undGold geschickt— und die schändliche Arbeit wird mit einem StückBrot bezahlt, mit Zutat von Blei und Eisen."«Sie sind— Sozialist?"— fragte ich den Teufel.„Ich will Harmonie I"— antwortete er.—„Mir widerstrebt eS,wenn man den Menschen, ein Wesen, das seiner Natur nach etwasGanzes, Ungeteiltes ist, in nichtige Stücke zerteilt, wenn man ausihm ein Werkzeug für die gierige Hand des anderen macht. Ichwill keine Knechte, Knechtschaft ist meinem Geist zuwider... Unddafür hat man mich aus dem Himmel geworfen. Wo Autoritätensind, da herrscht unvermeidlich geistige Knechtschaft, da wird derSchimmel der Lüge immer prächtig blühen... Es lebe die ganzeErde I Möge sie ganz den ganzen Tag brennen und wenn zur Nachtnur ihre Asche übrig bliebe. Einmal müssen sich notwendig alleMenschen verlieben.... Die Liebe, ein wunderbarer Traum, träumtnur einmal, aber in diesem Einmal— liegt der ganze Sinn desDaseins..."Das Skelett stand auf, lehnte sich an den schwarzen Grabsteinund leise stöhnte der Wind in der leeren Zelle seiner Rippen.„Ihm muß es kalt und unbequem sein l" sagte ich zum Teufel.„Ich sehe mit Behagen auf den Gelehrten, der sich von allemUeberflüssigen befteit hat. Sein Skelett— ist das Skelett seinerIdee... Ich sehe, wie originell sie war.... In einer Reihe mitihm liegen die Reste eines anderen Wahrheitssäers. Wollen wirihn auch aufwecken. Im Leben lieben sie alle die Ruhe und mühensich ab, eine Norm für die Gedanken, für das Gefühl, für das Lebenzu schaffen— verstümmeln sie neugeborene Ideen und fertigenbequeme Särge für sie an. Und sterbend wünschen sie noch, daßman ihrer nicht vergesfe.... Kompratschikos, stehen Sie auf l Dahabe ich Ihnen einen Menschen gebracht, der einen Sarg für seineGedanken braucht."Und wieder erhob sich vor mir auS der Erde ein hohler undnackter Schädel, zahnlos und gelb, aber immerhin mit einemSchimmer von Selbstzufriedenheit. Er lag wohl lange schon in derErde, denn seine Knochen waren frei von Fleisch. Er stellte sich anseinen Grabstein und seine Rippen projizierten fich auf dem schwarzenSteine wie die Tressen auf der Uniform eines Kammerherrn.„Wo bewahrt er seine Ideen auf?" fragte ich.„In den Knochen, mein Freund, in den Knochen I Bei ihres-gleichen sitzen die Ideen tief in den Rippen— wie Rheumatismusund Podagra."„Wie stehts mit meinem Buch, Herr?" fragte hohl das Skelett.„Es liegt immer noch, Professor I" antwortete der Teufel.„Wie, haben die Menschen etwa das Lesen verlernt?" sagte derProfessor nach einigem Nachdenken.„Nein, Dummheiten lesen sie noch wie früher außerordentlichgern... aber die langweilige Dummheit mutz oft lange warten,bis man auf sie aufmerksam wird... Der Professor", wandte fichder Teufel zu mir,„hat sein ganzes Leben lang hie Schädel derFrauen ausgemessen, um zu beweisen, daß das Weid kein Mensch ist.Er maß Hunderte von Schädeln, zählte die Zähne, maß die Ohren,