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Um den Schwarm endlich zu beruhigen, fagte Asmus: " Soll ich Euch mal' ne Geschichte erzählen?"
" O ja, man zu, man zu!" schrien sie durcheinander. Und er erzählte ihnen das Ur- und Anfangsmärchen vom Rotkäppchen, das sie alle verstehen und das sie beim hundertsten Male ebenso gern hören wie beim ersten Male.
Als er mitten im Erzählen war, fam ein Junge aus der Bank heraus, ging auf Asmussen zu, ergriff dessen Hand und fagte:
,, Du, ich mag Dir gerne leiden."
Soo?" sagte Asmus; Junge, das ist ja prachtvoll; ich Dich auch; aber dann mußt Du jetzt auch ganz still siten und zuhören!"
" Ja," erklärte der Kleine überzeugt und ging ruhig
wieder an seinen Play.
Für einen anderen aber hatte Asmussens Erzählung offenbar feinen Reiz. Er erhob sich und steuerte geraden Wegs auf die Tür zu.
wort.
Was willst Du denn?" fragte Asmus. " Ick will noh Hus," lautete die sehr entschiedene Ant
" Ja, dat geiht ober nich; Du muß noch'n bitten hierblieben."
Der kleine dicke Bursche erplodierte in einem furchtbaren Geheul.
Idk will ober noh Huuus!" brüllte er. ,, Wat wullt Du denn dor?"
d will bi min Mudder fin!" " Minsch, de Klüten( Klöße) sünd jo noch gornich fertig." Der Kleine nahm die Fäuste von den Augen und starrte ihn sprachlos an.
Du wullt wull gern Klüten un Blum'n( Pflaumen) eeten, wat?" fragte Asmus.
" No," versetzte der Kleine, von so viel Verständnis seiner Seele überrascht.
Jä, Hein, de sünd jo noch gornich gor! Blieb man noch'n bitten fitten; ich segg Di denn Bescheid, wenn Din Mudder se fertig hett." Auf diesen Kontrakt ging Heinrich Lohmann ein und berfügte sich langsam wieder an seinen Platz.
( Fortfehung folgt.)
( Nachdruck verboten.)
Ein trauriger frühling.
Von V. B. J banez.
Autorisierte Uebersetzung von A. Cronau. ( Schluß.)
Sie sagten es wirklich. Sie hörte es, zwar nicht mit den Ohren, aber mit den Augen, und obwohl die Knochen ihr vor Ermüdung schmerzten, lief sie zum Wassergraben, um die Gießfanne zu füllen, und taufte die fleinen Strolche, die unter der Dusche dankbar grüßten.
Ihre Hände zitterten oft, wenn sie den Stengel der Blumen abschnitten. Wäre es nach ihr gegangen, so hätte man sie da gelassen, bis sie vertrockneten, aber man mußte Geld verdienen und gefüllte Sörbe nach Madrid schicken. Sie beneidete die Blumen, wenn sie sie die Reise machen sah.
Madrid ! Wie sah das wohl aus! Sie erblickte eine phantastische Stadt mit prächtigen Palästen, wie die in den Märchen, glänzende Porzellansäle mit Spiegeln, die Tausende von Lichtern zurückstrahlten, schöne Damen, die wie Blumen schimmerten, und die Stärke des Bildes war derart, daß sie glaubte, dies alles schon früher gesehen zu haben, vielleicht vor der Geburt.
Dort in Madrid war der junge Herr, der Sohn der Herrschaft, mit dem sie als Kind oft gespielt hatte, und dessen Gegenwart sie im vergangenen Sammer verschämt geflohen war, als er als stolzer Jüngling den Garten besuchte. Wie viel scherzhafte Erinnerungen! Sie errötete, wenn sie an die Stunden dachte, die sie als Kinder, auf einem kleinen Hügel sizend, zusammen verbracht hatten, wenn sie dann die Geschichte vom Aschenbrödel hörte, dem verachteten Kind, das plötzlich eine stolze Prinzessin wurde.
Die ewige Chimäre aller verlassenen Kinder berührte nun auch ihre Stirn mit den Goldflügeln. Sie sah einen prächtigen Wagen vor der Pforte des Gartens halten, eine schöne Frau rief fie heran. " D, meine Tochter, endlich finde ich Dich." Genau so wie in der Legende; hierauf tamen die prächtigen Kleider, ein Schloß als Haus, und schließlich, da nicht immer gerade Prinzen zum Heiraten da find, begnügte sie sich bescheiden damit, ihren jungen Herrn zum Gatten zu machen.
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Wer weiß?... Und wenn fie fich gerade die größten Hoffmungen für die Zukunft machte, wedte die Wirklichkeit sie in Gestalt eines rohen Erdklumpens auf, während der Alte rauh sagte: " Hü Es wird Zeit!"
Nun ging es wieder an die Arbeit, die Erde zu quälen, die wehklagte, indem sie sich mit Blumen bedeckte.
Die Sonne brannte auf den Garten, machte, daß die Rinde der Bäume plagte; beim lauen Tagesanbruch schwitzte man bei der Arbeit, als ob es Mittag wäre, und trotzdem wurde Borda immer dünner, hustete sie immer mehr.
Es schien als ob die Farbe und das Leben, die ihrem Antlig fehlten, von den Blumen an sich gerissen wären, die sie mit unaussprechlicher Traurigkeit füßte.
Niemand dachte daran, den Arzt zu rufen. Wozu? Die Aerzte wissen weniger als die Menschen, und es geht ihnen so gut ohne fosteten Geld, und Gevatter Tofol glaubte nicht an fie. Die Tiere Aerzte und Apotheken.
Eines Tages tuschelten ihre Kameradinnen auf dem Markt unter sich und sahen sie dabei mitleidig an. Ihr feines Gehör, wie es den Kranten eigen ist, vernahm alles. Sie würde sterben, wenn die Blätter fielen. Sterben!.
Diese Worte verfolgten sie unaufhörlich Schön, fie ergab sich darin, aber für den Alten, der ohne Hülfe blieb, tat es ihr leid!
Wenn sie nur, wie ihre Mutter, in der Mitte des Frühlings sterben würde, wenn der ganze Garten fröhlich in sein tolles Farbengelächter ausbrach, nicht, wenn die Erde verödet ist, wenn die Bäume wie Besen aussehen und die schwächlichen Winterblumen traurig auf den Beeten stehen.
Wenn die Blätter fallen.
Sie verabscheute die Bäume, deren Aeste sich im Herbst wie Stelette entblätterten, fie floh vor ihnen, als ob ihr Schatten Schaden brächte, und sie verehrte eine Palme, die die Mönche im vorigen Jahrhundert gepflanzt hatten; es war ein schlanker Riese, dessen Kopf von einer Fontäne von wogenden Federn gefrönt war. Diese Blätter fielen nie ab. Sie ahnte wohl. daß es vielleicht eine Dummheit wäre, aber ihr Hang für das Wunderbare ließ fie Hoffnung hegen, und wie einer, der am Fuße eines wundertätigen Bildes Heilung sucht, so verbrachte die arme Borda die Augenblicke der Ruhe am Fuße der Palme, die sie mit dem Schatten ihrer spizzen Aeste beschützte.
Hier verbrachte sie den Sommer, sah sie, wie die Sonne, die fie nicht wärmte, die Erde zum Dampfen brachte, als wolle aus ihren Eingeweiden ein Vulkan herauskommen; hier wurde sie von den ersten Herbstwinden überrascht, die die dürren Blätter fortwehten.
Sie wurde immer dünner, immer trauriger, von einer solchen Feinheit der Wahrnehmung, daß sie die fernsten Töne hörte. Die weißen Schmetterlinge, die um ihren Kopf herumflatterten, schlugen mit den Flügeln in ihren falten Stirnschweiß, als ob sie sie nach anderen Welten fortziehen wollten, wo die Blumen von selbst wachsen, ohne in ihrer Farbe und Duft etwas vom Leben dessen fortzutragen, der sie pflegt.
Die Regenschauer des Winters fanden Borda nicht mehr. Sie fielen auf das gekrümmte Rückgrat des Alten, der wie immer den Spaten in den Händen hatte und das Geficht auf die Furche gebengt bielt. Er erfüllte seine Pflicht mit der Gleichgültigkeit und dem Mute eines an Mannszucht gewöhnten Soldaten des Elends. Arbeiten, viel arbeiten, damit der Napf Reis und die Zahlung an den Herrn nicht fehlten.
Er war allein, die Kleine war ihrer Mutter gefolgt. Das. einzige, was ihm verblieben war, war diese treulose Erde, die die Leute aussog und auch ihm den Garaus machen würde, sie, die immer mit Blumen bedeckt, duftend und fruchtbar war, als ob der Tod nicht über sie dahingegangen wäre. Nicht einmal ein Rosenstock war verwelft, um die arme Borda auf ihrer Neise zu begleiten.
Mit seinen siebzig Jahren hatte er für zwei zu arbeiten; er schaufelte die Erde noch zäher als sonst um, ohne den Kopf dabei zu erheben, unberührt von der trügerischen Schönheit, die ihn umgab, wußte er doch, daß sie das Produkt seiner Sklaverei war; ihn trieb allein der Wunsch, die Schönheit der Natur zu verkaufen, und er schnitt die Blumen mit demselben Eifer ab, als ob es Gras
wäre.
( Nachdruck verboten.)
Die Himmelskanone.
3ur Erfindung des Fernrohrs vor 300 Jahren. Von Dr. Kurt Rudolf Kreuschner( Berlin ).
Es war im Mai 1609, als der berühmte italienische Physiker und Aftronom Galileo Galilei , der damals an der Universität Padua Mathematik lehrte, aus Holland die Beschreibung eines optischen Instrumentes erhielt, mittels dessen man imstande sei, entfernte Gegenstände unter einem größeren Sehwinkel als mit freiem Auge, also gleichsam näher gerückt und vergrößert zu er bliden. In mechanischen Arbeiten wohl erfahren, ging er sofort