Scheuern bringen und verwerten sollte. Und viel zu früh schloß er den Kindern den Mund durch regelrechten Unter- richt; seine Taten hinkten noch weit hinter seinen Ideen her. Er hätte noch länger die Eigenart jedes einzelnen Kindes hervorlocken sollen, wenn er den Wegen Pestalozzis folgen wollte; aber er fürchtete, die Kinder würden nicht lernen, was sie nach demPensum der Klasse" lernen sollten, wenn er nicht den stundenplanmäßigen Unterricht beginne. Herr Drögemüller hatte sich ohnedies schon bemerkbar gemacht. Als Asmus eines Tages einen Knaben ein Märchen erzählen ließ, war Herr Drögemiiller, der es nicht für ein Gebot der Höflichkeit hielt, anzuklopfen, in die Klasse getreten, hatte durch seine blaue Brille auf den an der Wand hängenden Stundenplan geblickt und gesagt: Sie haben jetzt eigentlich Rechnen, nicht wahr?" Jawohl," hatte Asmus gesagt. Hm," hatte dann Herr Drögemüller gesagt, und war wieder hinausgegangen. Ja, Asmus war glücklich: aber wie es das Schicksal ge- wöhnlich mit ihm gehalten hatte, so tat es auch diesmal: von dem vollen, hundertprozentigen Glück, das es ihm ge- geben, zog es neunzig Prozent Wucherzinsen ab, und der Exekutor, der die neunzig Prozent einkassierte, war diesmal Herr Drögemüller. fFortsetzung folgt.) Sezeffion 1908. Von Ernst Schur. m. Die Jungen. Die Werke der Jugend geben der Nusstellung diesmal das Ge- präge. Das spricht sich darin aus, daß der Laie des öfteren sich über gewisse Extravaganzen, die ihn beleidigen, entrüstet. Doch wozu diese Entrüstung? Jeder Anfang setzt mit einer Ueber- trewung ein. Die allgemeine Rote dieser Jugend ist: daS Hinstreben zum Dekorativen. Die einen haben sich Cszannes und van Goghs breite. kräftige Manier auserkoren; andere wählen Münch, der den Eindruck so lapidar hinschreibt: die ruhige Farbenschönheit eines Manet ver- führt andere. Mancher mag in all dem eine Jnipotenz erblicken und eine Ausländerei. Er wird das alles abtun mit dem Wort: Plakatstil. Damit ist aber kein Urteil gegeben. Gewiß, das ist ja gerade das Kennzeichen der neuen Generation, daß sie wegstrebt von dem bloß naturalistischen Abbild der Natur und hinstrcbt zu einem markanter geprägten Bilde. Es spricht sich darin ein neues Form- und Kam« Positionsgefühl aus und wo das sich meldet, bleibe es auch noch in Versuchen und Anfängen stecken, sind wir auf der richtigen Bahn. Die Jungen schießen vielleicht in dieser Beziehung über das Ziel hinaus und vergewaltigen für daS einfache Gefühl die Natur. Der Einsichtige sieht aber dann gerade das Künstlerische. Es ist vielleicht ein Extrem noch, wie daS allzu genaue, tiftelige Nachgehen des Naturalismus ein Extrem war. Jedenfalls aber bedeutet es «ine neue Etappe und die Zukunft wird zwischen diesen beiden Extremen vernntteln und die Aussöhnung bringen. Die Weiß, Hofer, Freyhold, die Orlik, Hettner, Herniann, Baum, Brockhusen, Beckmann sind doch nicht nur alberne Trottel, die ihre Impotenz Verstecken unter einer Großmannspose. Wenn jetzt die alt gewordenen Kritiker, die einst die Liebermann, Korinth usw. hoch- gebracht haben, vor diesem Nachwuchs Angst bekommen, so ist das ihr ganz persönliches Gefühl. Und ihr Fehler war vielleicht, daß sie diese Vorgänger zu einseitig lobten. Sie haben nun. da sie alt werden, Angst vor den Geistern, die sie beschworen. Entwickelung ist aber EntWickelung, und der wirklich kritisch Betrachtende wird weder in den einseitigen Enthusiasmus noch in den einseitigen Ent- fetzensausbruch verfallen, sondern versuchen, den Gang der Zeit zu begreifen. Uebertreibuugen schleifen sich von selbst ab. Wie konsequent diese Entwickelung vor sich geht, das ermißt man, wenn man sich klar macht, daß diese Tendenz genau überein- stimmt mit dem Hinstreben unserer Zeit zum Kunstgewerbe, zum Dekorativen in Architektur, Malerei und Graphik. Ein Wille, heraus- «»kommen aus der bloßen Bildermalerei. Das Raumgefühl steckt dieser Generation schon im Blut. Sie wollen in diesem neuen Geist schaffen. Eine Disziplinierung des Talentes spürt man bei ihnen. Sie alle sehen im Geiste Räume, für die sie schaffen, Bauwerke, denen ihre Schöpfungen sich einfügen. Ein Formgefllhl, das in« Material denkt, ein Sichbeugen unter Gesetze der Konwosition, des EtilS, der Einheit. Gewiß bedeutet das ein Steigen zu höheren Zielen. Wenn auch jnoch keine vollgültigen Werke da sind. Man macht diesen Talenten oft den Vorlourf, der Intellekt herrsche bei diesen Künstlern vor. Ist das ein Nachteil? Kann der Künstler ihn nicht gerade brauchen? Und muß der Künstler der Zukunft ihn nicht notwendig besitzen? Er ist tätiger im Leben, er wird mit den Dingen des Lebens resoluter fertig. Wenn eine leidige Kritiksucht, die das Alte bevorzugt, das einmal modern war, diesen Mangel anführt, so wird ihn keiner leugnen. Aber jede Zeit entwickelt sich aus scheinbaren Mängeln zu einem Neuen, und dies wird dann realisiert werden, wenn das Temperament, das Gefühl, die Ursprüng- lichkeit lvieder einsetzt, so daß die gegenwärtige Epoche als Ueber- gang erscheint. Als typische Gruppe können für die Gegenwart drei Künstler bezeichnet werden: Weiß, Hofer, Freyhold. Alle drei stimmen im Grunde überein und entnehmen sich gegenseitig ihre Anregungen. Das Stilleben von Freyhold, das so beloußt die Farben- schönheit betont(Nr. 62), wird man für einen Weiß ansprechen können. Bei den Akten von Weiß spürt man die Anlehnung an Hofer. Hofer(Nr. 1779) hat eine große Anschauung. Das Wand« bild des großen Stils ist sein Ziel. Seine Frauen, selbst sein Porträt haben jenes Absehen vom Inhalt, jenes Hinstreben zur Form. In der Art, wie er die Farben abtönte, ist er ganz eigen; matt, so daß die Erscheinung als Masse heraustritt. Jedes Detail, jedes zu markante Charakterisieren geht unter. Diese Eigenart besitzt Weiß nicht. Er ist betriebsamer, rühriger. Man merkt all seinen Bildern an, daß er von der Graphik kommt. Wenn er auch seine Grenzen sehr energisch und intelligent zu er- weitern bestrebt ist, es gelingt ihm nicht, mit seinem Temperament nachzukommen. Unter seinen Stilleben gefällt am besten das mit den Orangen(Nr. 266). Die Hyazinthen sind etwas zu roh und erinnern an Mache. Und die Lepfel wirken mit dem Hintergrund künstlich. Neu sind seine Akte, in denen er auf Hofers Spuren wandelt, ohne dessen Größe zu erreichen. Das Gestellte wird nicht überwunden. Wären diese drei Akte(Nr. 264) zugleich gesehen, sie hätten verschiedene Töne haben müssen. Und bei dem anderen, auf dem Sofa sitzenden Akt(der aussieht, als rodelte er) ist bezeichnenderweise der Stoff das beste.(Das gleiche ist der Fall bei einem anderen, ebenfalls von der Graphik herkommenden Künstler, Emil Orlik , dessen liegender weiblicher Akt<Nr.:194) etwas Porzellanernes und beinahe Süßliches hat; aber auch hier ist in Stoff, dessen Farben gar nicht zu viel fichtbar werden, etwas Schönes geboten.) Während die genannten Künstler auS einer neuen Farben- anschauung heraus zum Dekorativen streben, versuchen andere daS- selbe Ziel mit anderen Mitteln zu erreichen, die älterer Art find. So läßt sich T u ch von Ludwig von Hosinanns Farbcnwelt an- regen und zugleich, indem er die Farben mehr ins Graue abtönt, von Pavis de Chavanne. In den Stellungen und Gebärden spürt man die Erinnerung an M a r ö e s(Nr. 253255). Z e t t n e r verwenet den Pointillismus zu dekorativer Wirkung, ohne daß es ihm gelingt, restlos zu einein Ausdruck zu gelangen. Die Gebärde der schreitenden Jünglinge erinnert an Hodler . Eine ganz andere Art hat Otto S o h n- R e t h e l. Es ist ganz genau und scharf im Detail. Aber dennoch offenbart seine Studie eines.Schlafenden"(Ztr. 222) eine formale Größe der Anschauung, die selten ist. Man kann dieses Bild lange ansibauen. Es ist durch« gedacht und in jedem Zug künstlerisch durchgefühlt. Und auch die Farben, grün, gelb, blau, stinunen in ihrer matten Tönung fein überein. Die kleinen Bildchen von DzialeS sind intereffant, weil sie zeigen, wie aus realen Borgängen(Straßenszene, Parkidyll) durch eine eigenartige Betonung der Farben und Abtönung eine Farben- Harmonie gewonnen werden kann, die an die Schönheit alter Glas- fenster erinnert(Nr. 55/56). Neben diesen modernen Versuchen, eine dekorative Schönheit aus der Technik heraus zu erobern, wirken ähnliche Arbeiten älterer Künstler, wie Stuck und Strathmann, altmodisch und maniriert. Stucks Salome(Nr. 239) ist eine von seinen besseren Arbeiten. Von dem vom Mondlicht eigentümlich hellgelbgrünlicheii Grund hebt fich der nackte weibliche Körper seltsam ab, und daS Geschmeide gibt mit seinem eigentümlich leuchtenden Grün, das Haar mit dem Schmuck in Rot eine eigenartige Er- scheinung. Viel Liebe verwendet Strathmann(Nr. 223) wie immer, auf ein altes Motiv: Die Anbetung der heiligen drei Könige. Alles ist dekorativ behandelt, doch im Innersten kleinlich. Etwas Sonderlingsartiges tritt in dieser Manier hervor. Eine weite Landschaft; in einer Ecke Maria, umgeben von gelben Rosen. Die Gesichter der Könige markante Typen; ihre Gewänder eine Phantasie in prunkenden Farben. Das Ganze hat unleugbar, trotz des Klein- lichcn, eine gewisse Größe. Aber eS ist zu sehr als Zeichnung be- handelt. In einem geeigneten Raum jedoch würde eS wohl wirken. Phantasie und Können stecken in dem Werk. Könnte man demnach die obengenannte Gruppe der Jungen als die Kunstgewerblichen ansprechen, so schließen fich andere als die Malerischen zusammen. Sie haben nicht dieses Form- gefühl. Sie sind die Ausläufer der älteren Bestrebungen. Sie wollen von der Natur fort, und ihre Bilder haben auch die dekorative Note. Sie haben sie aber nur, indem sie die alte malerische Art übertreiben, nicht aus Intellekt, nicht aus neuem Koinpositionsgefühl, sondern höchstens, weil sie das Statur- Vorbild so vergewaltigen, daß man nichts mehr erkennt und so fich dem Reiz der Farben wie einer besonderen Erscheinung überläßt. die daneben nichts mehr bedeuten will. Der Jmpessiomsmus zeigt seine Grenze, und indem er doch erweitert werden soll, bekommt