einzelnen Stücke selbst ab und reinigt sie mit Wasser und Seife. Und wenn er jetzt morgens das etwas umständliche, aber unentbehr» liche Toilettcstück wohlgemut anlegt, so mag ihn wohl das Bewußt- sein erheben, daß er vielleicht der einzige Mensch ist, der sich selbst in den Mund schauen kann, ohne gleichzeitig in den Spiegel zu blicken.. Solche Verunstaltungen, wenn auch meist geringeren Umfangcs, die aber gleichfalls zu erheblichen Entstellungen des Gesichts führen können, beobachtet man nicht selten nach schlecht verheilter Syphilis. Das Auftreten dieserSpätformen" hat vor allem darin seine Ursache, daß man bisher keinen sicheren Maßstab dafür hatte, ob die Syphilis geheilt sei oder nicht. Denn wenn wir in dem Quecksilber offenbar ein sicheres Heilmittel besitzen, so ist es doch sehr schwer, zu sagen, ob schon nach einer Kur eine definitive Heilung eingetreten ist oder ob nur die Erscheinungen geschwunden sind, während die Krankheit selbst noch im Körper verborgen ist und bei irgend einer Gelegenheit wieder zum Ausbruch kommt. Um- gekehrt ist es aber auch im allerersten Stadium der Syphilis sehr schwer zu entscheiden, ob eS sich wirklich um eine syphilitische An- steckung handelt oder nur um ein ungefährliches Geschwür oder eine Verletzung, die etwa eine äußere Aehnlichkeit besitzt. So passiert es nicht selten Aerztcn und Hebammen, daß sie sich an einem syphi- Mischen Kranken eine Infektion holen, ohne davon eine Ahnung zu haben. Sie glauben, es handelt sich um ein Furunkel, um einen Ausschlag. Das Anfangsgeschwür der Syphilis verheilt ja nun sehr schnell und erst nach mehreren Wochen treten die Allgemeinerschei- mingen auf, die davon zeugen, daß das Gift den ganzen Körper verseucht hat. Bei allen diesen Fällen bedeutet nun die neue Wasser- Mannsche Serumdiagnose einen wichtigen Fortschritt unserer ärztlichen Kenntnisse. ES ist dem berühmten Berliner Forscher gelungen, durch eine neue, wenn auch komplizierte, so doch sichere Methode jene Antikörper nachzuweisen, die sich im Blutserum eines Syphilitischen unter Einfluß des Syphiliserregers bilden, als eine Schutz, und Abwehrmaßregel des Körpers gegen das eindringliche Gift. Durch diese Untersuchung hat man die Möglichkeit gewonnen, die Syphilis in jedem Stadium nachzu- weisen. Man vermag sowohl rechtzeitig und ausgiebig für die Be- kämpfung des Leidens zu sorgen, als auch unglückliche Ueber- tragungen, wie sie z. B. durch Heiraten noch nicht völlig geheilter Syphilitischer oft genug stattgefunden haben, zu verhüten. Aehn- liche Versuche werden auch für die Erkennung der Tuberkulose in weitem Umfange angestellt. Jedoch sind hier die Resultate noch nicht pls endgültige zu bezeichnen. Ebensowenig erfolgreich war bisher das Bestreben, ein Hei l- mittel gegen die Schwindsucht zu finden. Und es wird wohl noch einige Zeit vergehen, ehe das immer wieder angekündigte Tuberkuloseheilserum endgültig entdeckt sein wird. Vorläufig vcr- geht kaum ein Jahr, in dem nicht mehrere unfehlbare Mittel und Methoden angepriesen werden. Neuerdings erregte eine von Rene Ouinton angegebene BeHandlungsweise ziemliches Aufsehen. Er behauptete nämlich, daß man Tuberkulose durch Meerwasser heilen könnte. Er ging von dem Gedanken aus, daß das Meerwasser das erhaltende Element für die einfachste Form des tierischen und pslanzlichen LebcnS sei, und daß in allen lebenden Geschöpfen Säfte vorhanden seien, die ganz ähnlich wie verdünntes Meerwasser zu- sammengesetzt sind. So konnte er Tiere, die dem Verblutungstode nahe waren, dadurch retten, daß er ihnen verdünntes Meerwasser in die Aderr spritzte; und zwar wurden die Tiere viel eher wieder- hergestellt, als wenn sie, wie bisher, mit gewöhnlichen Kochsalz- lösungen behandelt worden wären. Weiter ergab sich, daß Ein- spritzungen von abgekochtem, verdünntem Meerwasser auch bei Menschen außerordentlich günstig wirkten: der Appetit wurde reger, die Kräfte hoben sich, das Aussehen wurde frischer, und speziell tuberkulöse und skrofulöse Kinder wiesen eine bedeutende Verbcsse- rung ihres Allgemeinbesindens auf. Auf QuintonS Veranlassung wird zurzeit in Paris in mehreren Polikliniken dieMeerwasser- behandlung" kostenfrei eingeführt. Wir müssen abcharten, ob diese Wasserheilmethode daS halten wird, was ihr Entdecker von ihr verspricht. Jedenfalls ist ja schon da? Seeklima ein wichtiger Heilfaktor für die Tuberkulose und andere Schwächezustände. Zumal für alle diejenigen, deren Kon- stitution von Geburt an wenig widerstandsfähig ist, die an Skrofu- lose leiden und infolgedessen leicht an echter Tuberkulose erkranken, ist der Aufenthalt am Meer oft von überraschendem Nutzen. Aller- dingS müsser solche Patienten recht lange dem wohltätigen Ein- fluß des Seeklimas ausgesetzt werden. Man ist deshalb jetzt vielfach dazu übergegangen, bedrohte Kinder auf Jahre hinaus bis zu ihrer bollständigen Heilung in Heilstätten am Meere aufzuziehen. Und eine beträchtliche Zahl kleiner Wesen hat hier dauernde und feste Gesundheit gewonnen. Darum sollten auch alle diejenigen Vereini- gungen, die unsere bleichen und skrophulösen Großstadtkinder an das heilbringende Meer, wenn auch nur während der Ferien, bringen, ausgiebigst unterstützt werden. I« länger und je öfter solche armen Kinder hinauskommen, um so mehr wird man ihnen zu ihrer Gesundung an Leib und Seele verhelfen! Kleines Feuilleton. Ein Meisterwerk der Kleinschrift. Vor der mikroskopischen Gesellschaft in London wurden in der letzten Sitzung Gegenstände vorgezeigt, die zwar nicht von besonderem wissenschaftlichen Inhalt waren, aber die Aufmerksamkeit der anwesenden Gelehrten doch in hohem Maße in Anspruch nahmen. Es handelte sich um die Leistungen einer von Webb erfundenen Schreibmaschine für mikro- skopische Schrift. Was diese Maschine zuwege gebracht hat, grenzt wirklich ans Unglaubliche. Der stärkste Beleg dafür war eine Wiedergabe des Vaterunser, das mit 227 Buchstaben auf einem Raum von einem 237tausendstel eines englischen Quadratzolls untergebracht worden war. Zur Ucbertragung in das metrische Maß sei gesagt, daß ein Ouadratzoll gleich 6� Quadratzentimetern ist. Noch deutlicher wird die Kleinheit des von der Schrift ein- genommenen Raumes werden, wenn man bedenkt, daß dieser danach ein Rechteck war, dessen eine Seite nur den 173., der andere den 212. Teil eines Zentimeters einnahm. Auf einem Quadratzoll würden mit dieser Schrift gegen b4 Millionen Buchstaben unter- zubringen sein, waS etwa den Umfang von 15 vollständigen Bibeln gleichkommen würde. Selbstverständlich ist eine solche Schrift, die mit einer Diamantspitze hergestellt wird, nur noch unter einem Mikroskop lesbar, und zwar ist zu ihrer Entzifferung ein ziemlich kräftiges Objektiv von'/» Zoll notwendig. Der Erfinder der sonderbaren Schreibmaschine, die diese ungeheueren Kunststücke zuwege gebracht hat, ist übrigen? bereits verstorben und scheint sein Geheimnis mit ins Grab genommen zu haben, wenigstens wurde auf eine Anfrage des Vorsitzenden der Mikroskopischen Ge- sellschaft mitgeteilt, daß Webb seine Maschine kurz vor seinem Tode zerbrochen hätte. Man mutz wohl auch sagen, daß die Welt durch diesen Verlust keinen allzu großen Schaden erlitten hat. Archäologisches. Neue Ausgrabungen in Afrika . In den letzten zwei Jahren ist in verschiedenen Teilen Afrikas eine größere Zahl von englischen und amerikanischen Gelehrten mit Ausgrabungen beschäftigt gewesen, die außerordentliche Ergebnisse für die Auf» klärung der frühen Geschichte des schwarzen Erdteils gebracht haben. Seit dem Frühjahr ISOö ist in dieser Weise Prof. Garstang von der Universität in Liverpool in Nubien tätig gewesen, und zwar in dem Gebiet zwischen dem ersten und zweiten Nilkatarakt oder zwischen Assuan und Wadihalfa. Die ausgegrabenen Gegenstände haben neue Beweise dafür geliefert, daß in dieser Gegend zur Zeit des Altertums eine eingeborene Bevölkerung von hoher und selb« ständiger Zivilisation bestand, die ihre Blütezeit im ersten Jahr- hundert vor Christi erreichte, als Aegypten zu einer römischen Provinz wurde. Noch größeres Aufsehen werden die Ausgra. bungen erregen, die von den Amerikanern Prof. Vreadstedt und dem Archäologen Mac Jver ausgeführt worden sind. Namentlich Mac Jver hat eine Reihe großartiger Entdeckungen zu verzeichnen, die einen Zeitraum von zwei Jahrtausenden umfassen. In der Nähe von Amada gelang es ihm, eine altägyptische Stadt bloßzulegen, die aus der Saite-Zeit um das Jahr 300 vor Christi zu stammen scheint. Die meisten Funde gehören jedoch den frühen Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung an und umfassen ganze Totenstädte, Tempel und Paläste, merkwürdige Skulpturen, In- schriften in der noch nicht entzifferten meroitischen Schriftart, Glasarbeiten und Töpfereien, die zahlreiche Verzierungen in ganz neuen Mustern aufweisen. Aus der Pflanzenwelt. Fritz Reuter ?flitige Lise" ist eine jener Zimmer. pflanzen, die von Zeit zu Zeit der Empfehlung bedürfen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Den Beinamenflitigc" (fleißige) trägt die Pflanze nicht umsonst, denn sie blüht ununtcr- brachen das ganze Jahr hindurch. Sie gedeiht im Zimmer ebenso leicht wie Fuchsten und Geranien, und weil ihre lebhaft rosa ge- färbten Blumen, die kleinen einfachen Stockrosen gleichen, oft zu Hunderten den Busch decken, so sollte die Blumcnliebhabcrin sich dieser Pflanze mehr annehmen. Die Pflanze, sie heißt auch die immer blühende Zimmer- oder Baummalve(lUalva capensis;, kann das ganze Jahr über im Zimmer bleiben, sie kann aber auch über Sommer in den Garten kommen. Auch hier wächst sie, wenn sie auch ausgepflanzt wird, äußerst üppig und blüht fleißig. Kalte Witterung und Regen tun ihr leinen Schaden. Im Herbst wird die Pflanze wieder ins Zimmer geholt. Ueber Winter muß die Pflanz» in einem ungeheizten, aber frostfreicn Zimmer stehen. Keineswegs soll die Temperatur um diese Zeit-i- 10 Grad Reaumur übersteigen, denn große Wärme kann die Pflanze nicht vertragen. Die Hauptblütczeit fällt in die Monate Mai bis Juli. Die einzelnen Blumen halten sich 14 Tage bis drei Wochen, sie haben etwa 2 3 Zentimeter im Durchmesser. Die Vermehrung kann die Blumcnliebhabcrin selbst vor- nehmen. Sie verfährt dabei gerade so wie mit den Fuchsien. Die Stecklinge wachsen leicht und rasch. Später ist häufiges Stutzen anzuraten, um recht buschige Pflanzen zu erhalten. Man kann die Pflanze in Buschsorm, wie auch als Pyramide und als Kronenbaum großziehen. Berantw. Redakteur: Georg Tavidsohn, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.