streben, die Zusammensetzung der Eiweißverbindungen zu erkennen. ist der Forscher Emil Fischer von den Aminosäuren ausgegangen. Wir haben ja in diesen, wie wir oben auseinandergesetzt, gewisser- maßen schon ganze Pfeiler, nicht nur mehr Bausteine; von diesen Pfeilern ausgehend, wird es wohl leichter werden, den ganzen Bau— das Eiwcißmolekül•— zu ergründen und aufzu- richten. Damit wäre aber noch in keinem Falle die Möglichkeit gegeben, künstlich Leben zu erzeugen. Denn wir hätten damit nur totes Eiweiß in seinem wahren Wesen erkannt und künstlich dar- gestellt. Das Eiweiß besitzt nämlich die Eigenschaft, sich ausgiebig zu verändern, ja zum Teil in seine einzelnen Bestandteile zu zer- fallen, sobald es im Laboratorium des Forschers mit anderen chemischen Stoffen gemischt wird— und letzteres ist ia gerade der Weg, auf dem allein man die Natur, die Zusammensetzung einer chemischen Verbindung erforschen kann. So arbeitet der Chemiker immer mit totem, nie mit lebendigem Eiweiß, denn letz- teres ist unter seiner Hand zu toten geworden. Diese Eigenschaft, sich schnell und ausgiebig unter äußeren Einflüssen zu verändern, haben die Eiweißverbindungen ihrem lockeren, sehr gefügigen Bau zu verdanken, auf dem ihre Fähigkeit zu„leben" beruht. Nach Vereinigung mit dem Sauerstoff der Luft kommt es zu einem„Abbau", zu einem teilwcisen Zerfall des lebendigen Eiweiß, was eine Reihe von chemischen Vorgängen be- deutet. Chemische Vorgänge sind die Quelle von Kraft, Energie — sei es Wärme, Elektrizität oder mechanische Arbeit. Die Energie Produktion, die durch den Zerfall, den Abbau des lebendigen Ei- Tveiß hervorgerufen wird, nennen wir eben„Leben". Wäre nun diese Fähigkeit, zu zerfallen, die einzige charakteristische Eigenart des lebendigen Eiweiß, so gäbe es kein dauerndes Leben, denn ein Lebewesen müßte dann gewissermaßen mit dem ersten Lebenshauch seine Lebensfähigkeit erschöpfen. Die Eiweißverbindungen haben aber die Fähigkeit, nach dem teilweisen Zerfall ihr Molekül wieder aufzubauen, zu ersetzen; sie werden aus sich heraus wieder zu ganzen lebendigen Eiweißmolekülen, indem sich der nach dem Zer- fall übriggebliebene Rest mit den Nährstoffen vereinigt; sie werden von selbst zu ihrer früheren Form wieder aufgebaut. Abbau und Aufbau— Dissimilation und Assimilation>— der Eiweißverbindungen sind Leben. Aber damit ist noch nicht alles gesagt; denn wir kennen Leben nur als Leben von Zellen, vom einzelligen Amöbentierchen bis zu den vielzelligen Tieren und Pflanzen hinauf. Außer- halb der Zelle gibt es kein Leben. Die Zelle ist aber kein bloßes wirres Gemisch von Eiweißstofsen; die verschieden- artigen Eiweißverbindungen, die wir in der Zelle antreffen, sind nach strengen Gesetzen im Zelleib verteilt, in ganz bestimmten Mengen vorhanden. Diese Verteilung der Stoffe kommt darin zum Ausdruck, daß der Zelleib in Kern und Protoplasma gesondert ist, deren Eiweißarten voneinander verschieden sind. Und jede Störung in dieser Verteilung der Stoffe setzt die ganze Lebens- fähigkeit der Zelle aufs Spiel. So kompliziert sich die große Frage nach den chemischen Grundlagen der Lebcnserscheinungen. Wir können heute nur so viel sagen, daß der Abbau und Aufbau der Eiweißverbindungen, die das Leben ausmachen, nur in dem Rahmen der Zelle möglich sind; die Zelle ist das chemische Lab» ratorium, das hierzu die nötige Einrichtung und Ausrüstung befitzt. kleines Feuilleton. Völkerkunde. Die Buschmänner als Maler. Aus London wird berichtet: Im Londoner Anthropologischen Institut ist jetzt eine außerordentlich interesiante Sammlung von Nachbildungen nach Malereien und Bildhauerwerkcn der Buschmänner ausgestellt, die einen fesselnden Einblick gewähren in die Kunstübung dieser süd« afrikanischen Raste. In dielen Teilen Südafrikas findet man noch heute diese seltsamen Gemälde und Skulpturen, und die großen Malereien, die an den Felswänden oder auf riesigen Steinblöcken angebracht sind, bieten dem Forscher mancherlei Anhaltspunkte dafür, auf welchem Wege die Buschmänner in die Gebiete gezogen sind, die sie heute bevölkern. Die großen in die Felsen gegrabenen Reliefdarstellungen waren ursprünglich koloriert, allein unter dem Einfluß der Witternngsunbilden ist die dünne Farbschicht vielfach abgewaschen und vernichtet und, nur die mühsam mit dem Steinmeißel gezogenen Umrißlinien sind erhalten geblieben. Die Primitivität der Werkzeuge hat die Folge gehabt, daß die Meitzelarbeit an Frische der Darstellung und an Lebendigkeit hinter den Malereien zurücksteht; die schwarzen Künstler sind hier niemals zu einer endgültigen Ueberwindung des spröden Materials gekommen, aber immerhin kann man auch hier die Spuren von einem lebhasten Natursinn beobachten, der einer peinvoll genauen Nach- bildung von allerlei Details zustrebt. Interessanter sind die Malereien. die auch weitaus häufiger vorkommen. Die Farbenskala, die bei diesen Arbeiten zur Anwendung kam, ist beschränkt und unentwickelt; rot, schivarz, gelb und weiß bedeutet in der Regel den ganzen Reichtum der Buschmänner-Palette. Als Farbn'ittel scheinen in erster Linie Ocker und rotes Eisenoxyd zur Anwendung gekommen zu sein; sie wurden dann mit Fett vermischt und anscheinend auch mit Pflanzenklebstoff, lieber die Art des Farbenauftrages fehlt es bis» lang an genaueren Forschungen, doch scheint der Umstand, daß die Buschmänner, denen man Pinsel in die Hand gab, diese ohne weiteres und sogar mit einer gewisten Gewandtheit anzuwenden wußten, dafür zu sprechen, daß der Gebrauch des Malpinsels schon von altersher bekannt gewesen ist. Nur auf einigen wenigen Malereien ließ sich die Verwendung von Blau nachweisen, seltene Ausnahmefälle, die sich nicht oft wiederholen. Auf einem Bilde gewahrt>nan eine Anzahl von blaugekleideten Männern: offenbar Buschmänner oder Hottentotten, die damit beschäftigt sind, eine Schafherde vor sich her zu treiben. Anscheinend handelt es sich dabei um eine Darstellung von Soldaten des Hottentottenregiments, das in den ersten Jahrzehnten des verflossenen Jahrhunderts in der Kapkolonie bestand. Im allgemeinen zeigt die Darstellung des Menschen ein starkes Streben zur Naturwahrheit, wenn auch die schwarzen Mnstler hierin über eine gewisse steife Befangenheit nicht fortkommen. Tagegen verrät die Wiedergabe der Tiere verblüffende Sicherheit und bisweilen eine Fähigkeit, mit dem primitivsten Mittel starke Bewegnngsnrotive zu bewältigen, die staunen macht. In einigen Malereien tritt unverkennbar einStreben zum anatomischen Detailzutage, das zu Eindrücken führt, die bereits im Gebiete der Groteske liegen. Die Buschmänner zeichnen sich dabei durch Übertriebene Herausarbeitung der Hüsten aus. Auch in der Darstellung der Waden gefallen sich die Künstler in Uebertreibungen, die über die Vorbilder im Leben kühn hinwegschreiten. An Motiven hat es den Busch- männer-Malern nicht gefehlt; die häufigen Kämpfe und Ueberfälle, der Raub von Herden, die Verteidigung des Geraubten, Ver- folgungen und Ueberfälle, das sind die Themen, die immer von neuem wieder abgehandelt werden und denen eine un- erschöpfliche Künstlerfteude immer wieder neue Reize abgewinnt. Bisweilen tauchen auch in diesen Schlachtenbildern Gestalten europäischer Soldaten auf, einige Details der Uniform, die Epauletten usw. sind genau und scharf beobachtet, wenn auch übertrieben wiedergegeben, andere wesentliche Teile fand das Auge des schwarzen Künstlers nicht beachtenswert. Merkwürdig ist, daß bei allen diesen Darstellungen landschaftliche Motive konsequent vennieden werden; die Malereien beschränken sich ans Menschen und Tiere, die gewöhnlich im Profil abgebildet werden. Aber es fehlt nickit an Ausnahmen, in mehreren Fällen gewahrt man Frontal- ansichten, ja einige Male sogar regelrecht durchgeführte Verkürzungen, die auf ein treffliches Auge und stark entwickelten zeichnerischen Sinn schließen lassen. Im allgemeinen verraten die Malereien eine Vorliebe für starke Bewegungsakzente, die in der Regel auch scharf und prägnant, mit einer verblüffenden Unmittelbarkeit des Ausdrucks herausgeholt werden. Meist sind es Ochsen, Schafe, Ziegen und Pferde, die dar- gestellt werden; seltener tauchen Vögel aus, unter denen natürlich der Strauß dann eine hervorragende Rolle spielt. Wie das „Athenaeum" mitteilt, wird das Ergebnis dieser interessanten Aus- stellung vermutlich in kurzer Zeit in einem Buch zusammengefaßt werden, in dem Reproduktionen dieser seltsamen südafrikanischen Er- zeugniste des Kunstsinnes ein anschauliches Bild geben werden von dem Wesen dieser eigenartigen Negerkunst. Physiologisches. Gift und Gegengift. Die Bekämpfung der Giftwirkung durch Arzneien reicht bis in die ersten Zeiten der menschlichen Kulturentwickelung zurück. Heilende Kräuter gegen Schlangen- bisse oder vergiftete Pfeilwunden sind wohl die ersten rohen em- pirischen Versuche gewesen, den zerstörenden Wirkungen der Gifte auf den Organismus oder seine einzelnen Teile Einhalt zu ge» bieten. In der modernen Wissenschaft ist anstelle der bloßen Empirie bei einer großen Reihe von Giften, die zum Teil ja auch gleichzeitig als Arzneistoffe in Betracht kommen, die Wissenschaft- liche Kenntnis ihrer speziellen physiologischen Wirkungsweise ge- treten. Dadurch ist die Möglichkeit geboten, durch Verabreichung eines entgegengesetzt wirkenden Stoffes im Bedarfsfalle das Gleich» gewicht des Organismus wieder herzustellen. Ueber diese gegen- sächliche Wirkung der Giftstoffe hat Professor Horst-Meyer in der Sitzung der Wiener medizinischen Gesellschaft in zusammenfassender Weise berichtet. Er unterscheidet zunächst eine solche chemischer und physiologischer Art, deren Natur durch das Tiercxperiment be- stimmt werden kann. Im ersteren Fall neutralisieren sich Gift und Gegengift zu einem ungiftigen Körper, während im zweiten ihre Einzelwirkungen auf ein bestimmtes Organ entgegengesetzter Natur sind und sich aufheben, ohne daß die Stoffe selbst sich gegen- seitig beeinflussen. So wirkt Atropin auf die ungestreisten Muskeln und das Herz lähmend, während Pilocarpin sie anregt. Manche Gifte wie Morphium, Blausäure, Coffein und Pikrotoxin wirken wiederum auf das Zentralnervensystem. Einige erhöhen die Körpertemperatur, während andere sie herabmindern. Eine dritte Gruppe von Giften wirkt auf Organe, die in physiologischer Be- zichung entgegengesetzte Bedeutung haben wie z. B. der Sym- pathicuS gegenüber den Rückenmarksnervcn. Der Sympathicus wird von Adrenalin und Cocain gereizt, während Codein ihn lähmt. Ein Organ, das von beiden Nervcngruppen abhängt, wird also durch verschiedene Gifte antagonistisch beeinflußt werden können. So werden die Blutgefäße durch Pilocarpin zusammen- gezogen und durch Adrenalin oder Cocain ausgedehnt. Aus solchen Erfahrungen ergibt sich denn die BehandlungSweise der verschiedenen Arten von Vergiftung. «erantw. Redakteur: Georg Davidsohn , Berlin.— Druck n. Verlag: Vorwärts Buchdr. u, Verlagsanstalt Paul Sinaer& Co.. Berlin SW,
Ausgabe
25 (11.6.1908) 110
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