Und ich?" sagte sie und schüttelte mit unbewußter Energie den Kopf.Ihr küßt Euch, und ich? Ihr seid Manner und ich? Und ich?" Mamachen!" rief Sergej laut und fiel ihr um den Hals. Und nun folgte etwas, das zu erzählen Entweihung wäre. Die letzten Worte des Obersten waren. Ich segne Dich für Deinen Todesgang, Serjescha. Stirb tapfer, wie es einem Offizier geziemt." Und sie gingen. Mit einem Mal waren sie fort. Waren da- gewesen, hatten dagestanden, hatten gesprochen und waren plötzlich fort. Hier hatte die Mutter gesessen, hier der Vater ge- standen und nun waren sie auf einmal fort. Als Sergej in seine Zelle zurückgekehrt war, legte er sich auf seine Pritsche, mit dem Gesicht zur Wand, damit ihn der Soldat nicht sähe, und weinte lange. Dvnn ward er müde vom Weinen und schlief fest ein. (Fortsetzung folgt.) Die Große ßerlincr Kunftaueftcllyng 1908. Von Ernst Schur . m. Berliner Kunst. Die Plastik. Den weitaus größten Raum nehmen dicBerlinerKünstler ein, in deren Sälen auch auswärtige Maler mit ihren Werken bis- weilen Aufnahme gefunden, die sich den genannten Gruppen nicht einfügen. 32 Säle l Bei dieser Masse bleibt eS dem Publikum fieigestellt, fich seine Lieblinge nach eigenem Gefallen auszusuchen. Eine Ordnung nach kritischem Gestchtspunkt ist bei dieser verwirrenden Fülle nicht möglich und auch nicht erforderlich. Das Gute wird bei diesem Massenangebot durch daS Minderwertige nivelliert, und es kommt ein Gesamteindruck zustande, der der Frische der Austiahme nicht günstig ist. Doch sei auf einige Werke hingewiesen. Gleich beim Eintritt links im Saal 37 sind einige bemerkenswerte, dekorative Arbeiten vereinigt. Sie sind zwar als Ganzes mißlungen, sie stellen keine Resultate, wohl aber Versuche dar und zeigen Ansätze. B o s s a r o und Becke rath(1ö22 und 1619) heißen die Künstler, die sich so gewaltig erdreisten. Der eine denkt an Erlers dekorasive Farbigkeit, ohne desicn matte, ausgeglichene Freskenwirkung zu erreichen z der andere sieht auf Hodler und gibt steife Gebärde und ausgeklügelte Technik; da er aber nicht im Künstlerischen die primitive Herbigkeit des Schweizers befitzt, versagt er letzten Endes. Gegenüber liegt der Saal 4V, in dem man einige Porträts neben mancherlei Belanglosem findet. Dann beginnt die Serie der großen Mittelsäle 27; eS wechseln Landschaften und Porträts, manchmal besser, manchmal schlechter; Aufregendes begegnet nicht. Den Ehrensaal braucht man nicht zu betrachten. Marine und Militär geben sich da ein Rendezvous. Angriffe werden dort aus- gefochten und Uniformen gezeigt. In Eaal 4 mag man fich ein stimmungsvolles LandschastSbild von der Mark in weichem Mond- licht(72) betrachten. Politische Tön» schlägt Starbin aS .Wahlnacht"(82) an, eine talentlose, langweilige Arbeit. Intim und lustig wirkt das kleine Bild von H e r t i g.Im Winterhafen"(88). Der»Maiabend"(90) von Wendel ist farbig, frisch und eigen; eine blaue Holzlaube im Hellgrünen und weißblühende Büsche. Sandrocks.Werstarbeiter"(9S) gewinnen durch die graue, leichte Behandlung der Seeatmosphäre als Hintergrund malerischer Er- scheinung. Diese letztgenannten Landschaften kann man sich merken; sie repräsentieren ein gutes Mveau. In Saal 7 feffelt ein gutes Jnterieurbild von Brandis (359); bunte Möbel und Hausrat, malerisch gesehen. Saal 10 beherbergt mehrere Bilder von U t h(804806), deren weiche Sonnigkeit angenehm auffällt, und auch Kolbe ist als Land- schafter(796) zu merken. Schlimm sind die Kabinette 13, 18, 19, in die man offenbar daS gehängt hat, was man in diesem äußersten Flügel verborgen halten will. Abseits hat man diese Ueberraschungen gestellt. Dort findet man eine Orgie deS Stofflichen. Religiöse, militärische Bilder, Salontiroler, Gefühlsanekdoten, sentimentale Tierbilder, all' die toten Gespenster der Erschlagenen stehen wieder auf. Aufgedonnerte Damen präsentieren fich in Sonntagötoilette und sehen triumphierend auf dich herab. Grelle Farben, glatte Töne. Auch in den folgenden Sälen 27, 29, 80 gibt eS nichts Ueber- raschendeS. Dagegen fällt in 39a die flimmernde Landschaft eines märkischen Waldes von Schinkel(1729) auf; hier ist etwas Neues Versucht. In Saal 39b wird man das.pommersche Haff"(1747) von Kolbe, das breit und tonig gemalt ist und im Grün feine, weiche Behandlung zeigt, betrachten. Weiter geht es durch Saal 40, 41, 43; in letzterem begegnet man einem breit und ficher und sehr geschmackvoll gemalten Bildnis eines.Orientalen" von Boschen(1900); das matte Rot und Grün geht famos und ruhig zusammen. Dann aber ist Schluß; die Kabinette 47, 48. 49, LI b, o und L2 bieten dem kritischen Blick nichts Bedeutsames mehr, womit nicht gesagt ist, daß sie unter Umständen nicht unterhaltend sein könnten. Ist ein Charakter in der Berlin , c Malerei? Nein. Woher konimt das? Die anderen Gruppen haben ihre besondere Note. Man müßte mehr auswählen und bester hängen. Wenn alles durch» einander hängt, verwischen sich da nicht alle Eindrücke? Ein Vorschlag! Versucht es einmal mit folgendem: arrangiert einen Saal Bildniste; dann einen Saal märkischer Landschaften; dann Seestücke ; dann bringt eine gute Auswahl Stilleben zusammen usw. So wird von selbst eine bessere Wirkung durch diese ruhige Gliede- rung eintreten und das gut gemalte Bild, die sorgfältige Arbeit tvird sich in solchem Ensemble besser halten. » Die Plastik. Sie ist ein Schmerzenskind der Ausstellung. Immer wird man nur mit Ueberwindung die beiden großen Säle durchschreiten, die ihr vorbehalten sind, Saal 3 und 17. Da findet man wie in einer Schreckenskammer alles beisammen, was man als unkünstlerisch bezeichnen kann, sorgfältigst ausbewahrt. Und wie eine Krankheit erbe» fich diese Motive fort, die an sich schon, rein stofflich, unkünstlerisch sind. Das schlimmste hat diesmal Herter geleistet. Eine lebenS« große Gruppe<S2): Nemsnto mori. Die übliche düstere Gestalt mit dem Stundenglas; davor ein Jüngling und ein Mädchen, die sich die Hand reichen. Im allgeincinen hat man diese allzu großen Gruppen vermieden aus der Erkenntnis heraus, daß die Ohnmacht dabei zu beut- lich herauskommt. Dadurch gewinnt der Plastikensaal; der Raum kommt dadurch groß zur Geltung, und es stören weniger Bildwerke. Daraus nun aber schon ein Verdienst machen wollen und womöglich die Parole ausgeben, daß die Kleinplastik hier nun glänzend vertreten sei, ist ziemlich leichtfertig. Man gehe doch die Säle durch. Findet man überraschend graziöse oder delikate oder in der Form interessante Lösungen auf diesem Spezialgebiet der Plastik? Pallenbergs Tiere, Lieb mannS graziös-natürliche Zopf- flechterin, Tiere von Fritz und G s e l l und eine Katze in Serpentin von Möller wären etwa zu nennen. Natürlich kann man in einer kleinen Figur nicht so viel Geschmacklosigkeit vereinen, wie auf einer großen; der geringe Umfang nötigt zur Einfachheit, da sonst daS Ganze kribbelig-krabbelig wirkt. Aber selbst da, wo solche Klein- figuren vereint find und den Blick auf fich ziehen, wie etwa in Saal La, wo man die Wirkung feststellen kann, findet man nichts Bedeutendes, Eigenes. Die übliche Krimskranrsware, die an Bronzegeschäste erinnert. Auch das Kleine kann groß sein und wird eS durch die Behandlung. Wer Witz und Genre herrschen auch hier vor. Akte, deren Glätte schablonenhaft wirkt. Tiere, die nicht scharf-individuell und auch nicht formal-allgemein behandelt sind, Tänzerinnen in üblich schcmatifcher Stellung. ES mag sein, daß dieses Genre gut geht und manchen Bildhauern gute Beschäfttgung gibt. DaS ist ersteulich, aber darum sind die Erzeug- niste noch nicht künstlerisch. Dazu fehlt es an Eigenheit, Herbigkett, Kraft. Man sehe sich etwa die italienischen Bronzen in den Museen an. Dabei soll nicht besttitten werden, daß technisch gute Arbeit hier geleistet wird. Aber damit ist eS nicht getan. Mit dieser Arbeit muß ein Stoff erobert, geformt werden. Das Handwerkliche ist Mittel. Kehren wir zu Saal 3 zurück. Eine große Gruppe.Nacht" von Brütt zieht die Aufmerksamkeit auf fich(33). Im Stoff daS alte Schema. Die Gestalten eines Mannes und eines Weibes, die einander zustreben. Ueber ihnen schwebt auch noch etwas. Was gut an der Arbeit wirkt, ist übernommen. Wer Brült von stüher her kennt, weiß, daß er als Begasschüler die harte Silhouette, die feste Linie liebt. Auf einmal kommt er in der Art Rodins, läßt die Linien weich im Marmor verlaufen, die strikte Silhouette vermeiden und sucht durch zarte Behandlung der abgetönten Masten Bewegung und Schönheit in die Körper zu bringen. Aber es ist noch eine Dissonanz darin: die Form ist äußerlich, der Stoff ist Schema. Es mag die Natur sorgsam studiert sein, eS mag auch gelungen sein, das Visionäre aus dem Gegenständlichen poetisch zu besteien, eine Einheit ist es noch nicht, und ob diese Wandlung von Begas zu Rodin eine innere, überzeugte ist, wollen wir erst abwarten. Was sonst in diesem Saal ist, verdient Schweigen. Da sehen wir die üblichen, naturalistischen Nachbildungen, die im Material der Plastik so unkünstlerisch wirken und an das Panoptikum er- inner». Wie schlimm ist daS Porträt'behandelt. Man sollte meinen. hier könnte sich am ehesten ein Stil entwickeln, der Sachlichkeit mit guter Arbeit verbindet. Aber das Zusammenhangloie, Stillose triumphiert. Eine üble Aehnlichkeit, trivial und formlos. Ein albernes Lächeln soll Freundlichkeit markieren und wirkt nur erstarrt. Im Zusammenhang mit diesem Mangel an formalem Gefühl sieht das Wirtschaften mit übertriebenem Ausdruck. Die Pose soll daS innere Leben ersetzen. Die Gebärde spielt eine große Rolle. Da die Künstler das Material nicht zu behandeln verstehen, nehmen sie zu dem Stofflichen, zu der Gebärde Zuflucht. Z. B.: weshalb versucht man nicht, das Kind als Mittel heran- zuziehen und versucht, ganz einfach etwas zu geben, das den Reiz des Kindlichen in das Material überttägt. Kinderstatuen fehlen fast ganz. Dagegen diese Gruppen zum Ueberdruß, wo eine Mutter verzückt aus ihr Kind starrt. Nur Lewin-Funcke (47) hat etwa» Weiches in her Behandlung.