«verhäng, ermattet Von Licht und Glut de» Tage», unterdrückt dann das Tier die Intervalle, und sein Gesang wird kontinuierlich, in Wellen von Höhen und Tiefen"(M. Pilo). UebrigenS ist der Ton der Zikade nach Landois Untersuchungen ein wirkliches Singen, nicht ein Schrillen mit Fuß und Flügel nach Grillcnart, wie die Jnsektenkenner lange Zeit annahmen. Die Poeten, das Volk haben hierin gegen di? Wissenschaft schließlich doch einmal recht behalten. friedkofskimft. Im Kunstgewerbemuseum findet eine Ausstellung statt, die dazu dienen soll, die Aufmerksamkeit de» Publikums auf ein bisher fast ganz vernachlässigtes Gebiet zu lenken, auf die Friedhofs« knnst, die fast ganz der Tätigkeit der 5rünftler und tüchtiger Hand- werker entzogen ist und meist nur noch geschäftsmäßig ausgebeutet wird. Diese Bestrebungen datieren schon einige Jahre zurück. Die Wiesbadener Gesellschaft für bildende Kunst begann zuerst im Jahre 190S mit eingehenden, praktischen Vorschlägen. Sie der- miUelte zwischen Publikum und Künstler und zog die geeigneten Kräfte heran. Danach gab die Dresdener Kunstgewerbeausstellung in einer hübschen Anlage einen stimmungsvollen, einfachen Friedhof mit künstlerischen Grabdenkmälern in Holz. Stein, Metall. Nun wird hier versucht, für Berlin diese Bestrebungen nutzbar zu machen. Gerade Berlin verfügt über ausnahmsweise häßliche Friedhöfe, in denen geschäftsmäßige Ausbeutung auch in der Gruppierung und Ausnutzung des Terrains geschmacklos zum Ausdruck kommt. Wer durch diese nüchternen Anlagen geht, der weiß, daß eS hier energischer Arbeit bedarf, um der Kunst und dem Handwerk ein Gebiet zurückzuerobern, das ihm von alters her gehört. Ist doch hier Kunst und allgemeines, praktisches Bedürfnis so eng verbunden, wie auf wenigen Gebieten. Die Ausstellung, die bis Ende Juli wochentags außer Montag von 10—6 und Sonntags von 12—6 ftei zugänglich ist, zerfällt in zwei Abteilungen. Der Lichthof zeigt etwa 4O0 Abbildungen alter und neuer Grabmäler und Friedhofsanlagen. Man erhält einen Ueberblick über die EntWickelung des Grabdenkmals, die ab- schließt mit einer Reihe moderner Entwürfe in Abbildungen. Der Garten neben dem Erweiterungsbau des Museum» gibt eine An- zahl(etwa SO) ausgeführter Grabsteine nach Entwürfen lebender Künstler, die zu einer friedhofartigen Anlage vereinigt wurden, deren Plan von Regierungsbaumeister Fr. S e e ck herrührt. Niedere Hecken von Lebensbäumen schließen die Gruppen ab und bringen so einen passenden Zusainmenhang für architektonisch gleichartige Grab- steine. So wächst das Ganze, überwölbt von den alten Bäumen des Gartens, zu einem«infachen, natürlichen Hain zu- fammen, deren waldartiger Eindruck eine gute Borstellung von der Idee gibt, die dem Künstler eöva vorschwebte. Man bekommt dann auch leicht eine Vorstellung, wa» un» verlören gegangen ist. Alte Friedhöfe, ganz kunstlos und einfach, auf Dörfern und in ganz abgelegenen Gegenden zeigen oft eine Schönheit, die um so emdringlicher wirkt, als sie ganz anspruchslos auftritt. Woher kommt das? Schlichte Steine, die in Rasen sich betten, einfache Denkmäler, die nicht protzen wollen, Eisenkreuze von leichter, ge- fälliger Form, Holztafeln von derberem Ausdruck. So hat jede Gegend ihren Charakter im Friedhof und selbst da» kleinste Berg- dorf, das ganz abseits liegt vom Verkehr, bewahrt in sich eine Ein- heit künstlerischen Gepräges; nebeneinander einfache Holzkreuze, ohne Schmuck, von einfachster Form. ES liegt eine Stimmung darüber; diese kommt aus dem Gefühl, daß hier in Ehrlichkeit ein künst- lerifcher Wille sich betätigte, die auch die Stätten de» Tode » schmücken wollte, während jetzt protzige Gesinnung renommieren will mit ebenso umfänglichen wie geschmacklosen Denkmälern. Di« freie An- ordnung, die leichte Gruppierung geben solchem alten Friedhof etwas Anheimelndes, während unsere Anlagen nur reizlose» Schema, einförmige Grabstätten(weshalb müssen die Hügel immer so kastenmäßig hoch herausragen? 1). und lächerlich gesckimacklosen Aufwand an Zäunen, Gittern, blanken Stewen zeigen. Für da» künstlerisch gebildete Auge sind diese Stätten eine Qual. In erster Linie handelt e» fich bei dieser Ausstellung neben der Gesamtanlage vor allem darum, zu zeigen, wie der einzelne Grab- stein künstlerisch gestaltet werden kann. Hierbei muß begonnen werden. Der Künstler wie der Handwerker können hier helfen; nur die fabrikmäßige, geschmacklose Anfertigung, der Prunk vortäuscht »md Stilvorbilder sklavisch und falsch entlehnt, ist abzuweisen. Man kann ziemlich scharf die Grenze feststellen, wo dieser Verfall beginnt. Roch im Anfang de» IS. Jahrhunderts, ja bi» zur Mitte finden wir eine gewisse Schönheit; danach kommen die überladenen Verzierungen, die falsche und hohle Sprach« der Ornamentik, die alle edle Ein« sachheit, wie sie dem Grabmal so gut steht, ertötet. Diese neuen Entwürfe und ausgeführten Denkmäler streben da« Hin, sich dem Charakter der alten Vorbilder wieder anzunähern. Wir Kinnen noch weiter zurückgehen. Wie prachwoll sind die alten Grab- «lief» und Grabstellen der Antike; die allchristliibe Kunst zeigt Vor- dilder und bi« zum Barock und Klassizismus begleitet die Kunst diese» Gebiet. Architekten, Bildhauer, Maler wetteifern; Bauformen. plastischer Schmuck, Farbe werden verwandt. Ost genügt eine schöne, �verantw. Redakteur: Georg Davidsohn , Berlin.— Druck u. Verlag: dekorative Schrift. All das, Schrift, farbiger Schmuck, Plastik»der Architektur, geht harmonisch zusammen und der Stein bildet w seiner Form die Grimdlage. Bei diesen Arbeiten ist eS gleich, ob sie großartig oder einfach sind. Künstlerischer Wille gibt ihnen beiden Charatter. DaS leidige, gedankenlose Uebernehmen von Ornamenten, das langweilige Fortwursteln im akademischen Schema, das lächer« liche Nachahmen naturalistischer Vorbilder, alles Eigenschaften der heutigen Friedhofskunst, fehlen hier. Da» architektonische Gesamt» gesüge tritt in den Vordergrund; das Wirtschaften mit allegorischen Sinnbildern, daS so leicht schablonenhaft wirft, wird nach Möglichkeit vermieden. Was den Stein anlangt, so ergeben verschiedene Höhe und Stellung Abwechselung. E» muß dabei auf da» Grab selbst wie auf die Nachbargräber und auf die Umgebung überhaupt Rücksicht genoinmen werden. Eine Platte, ein Stein, Kreuze au» Schmiede« eisen oder Holz, auch Tafeln(wie alte Friedhöf» in Menge zeigen), können hier je nach Lage und Bestimmung verwandt werden. Indem der einzelne daraufhin, welchen Schmuck er dem Grabe geben will, die Stätte aussucht, kommt von selbst eine zwanglose Harmonie in die ganze Anlage; eine Harmonie, die den alten Friedhöfen ihren Charatter gibt. Dem Bestteben, sich vor dem Nächsten protzig zu brüsten, wird dadurch von Anfang an entgegengearbeitet. Dann die Blumen und das Gesträuch. Man kann letztere sehr gut an Stelle der häßlichen Gitter verwenden, indem man Hecken um das Grab pflanzt. Die Blumen können, wenn fie geschmackvoll ausgewählt werden, statt einer bunten, überladenen Pracht, dem Grab einen stimmungsvollen Schmuck geben. Statt der prunkvollen Erbbegräbnisse, die reihenweise den Friedhof umlagern, könnten, wie e» vielfach auf alten Friedhöfe« zu sehen ist, große, schön gestaltete Grabplatten mit Reliefs oder anderem Schmuck in die Wände eingelassen werden. Damit wär« zugleich eine Abwechselung geboten. Vor allem wird sich der Künstler hüten, sich allzusehr in allegorischen Hindeutungen auszugeben und auch das Anbringen einer Vase, eweS Kranzes oder eine» Kreuzes, Herz und Anker und Fackel vermeiden. Man braucht nur einmal das übliche Lager einer solchen. Denkmalsfabrik zu überschauen, die Baumstämme mit rankendem Efeu, diese abgebrochenen Säulenstümpfe usw., um zu empfinden, wie sich hier die Gedankenlosigkeit breitmacht, wie unkünstlerisch alle? scheinbar Künstlerische ausgeführt ist und wie schon da» Material verständnislos gewählt wird. Blankpolierte Flächen. eckige Kanten, triste Färbung(grau oder schwarz) sind durchweg be- liebt; niemals aber kann damit etwas Geschmackvolle» erzielt werden. Daher richtet der moderne Künstler sein Hauptaugenmerk darauf, da» Material zu vervielfälttgen und im Hinblick darauf die Gestaltung vorzunehmen. Statt des Granits, der aus Schweden importiert wird, finden wir jetzt eine reiche Auswahl heimischer Steine verwandt, Kalkstein, Muschelkalk, deutscher Marmor, die alle verschiedene Zusammensetzung und Tönung zeigen, dauerhast sind und verschiedenfach bearbeitet werden können. Sie haben gegen« über dem Granit noch den Vorzug der Billigkeit. Wir haben in Deutschland schon eine Reihe von Friedhöfen, die im Großen zeigen, wie auch die moderne Zeit hier künstlerische Arbeit zeigen kann. Sie find der Leiwng von Architeften unter- stellt. Im Hamburg der genttalfriedhof in Ohlsdorf , der wie ein Park wirkt, in dem Grabanlagen und Gruppen verschiedenfach wechseln(Leiter: CordcS). Dann in München die städtischen Fried« Höfe(Leiter: Architett Graessel), die allerdings in zahlreichen, architeftonisch schönen Denkmalsanlagen von altersher eine Tradition haben. Diesen schließt sich in neuer Art der schöne W a l d f r i e d h o f an, der ein ganz neues Prinzip zum Susdruck bringen will; Gestalt und Schmuck der Gräber werden hier bedacht. Polierte Grabsteine find verboten. Ebenso Umwehrungcn der Einzel« gräber. Und indem so künstlerische Arbeit wieder ein Gebiet in Anspruch nimmt, da» ihr entrissen war(die Künstler entwerfen nicht mehr bloß kostspielige Denkmäler, sondern auch einfache, geschmackvolle Grabsteine, die den Prei» der üblichen Ware nicht übersteigen), können wir wohl hier von einer Ausbreitung neuer Kulturauffassung, wie sich schon auf verschiedenen Gebieten zeigt, reden, und man wird manche? Gute davon erwarten können, wozu auch das gehört, daß dem Künstler, der in der heuttgen Zeit schwer zu kämpfen hat, neue Möglichkeiten und neue Aufgaben zugewiesen werden. Arbeiten, wie wir sie hier sehen, von Künstlern und Handwerkern. wie Engelhardt. Sattler, Haiger , Bernoulli, Senf. Breitkopf, Sckwarz, Kurz, Seeck, Kreis, Schweitzer, Gußmann. Kunstschlosser Schramm, Arnberg, dann die Grabtafeln aus bemaltem Holz von den Schülern der Unterrichtsanstalt am Museum nähern sich in ihrer sachgemäßen, künstlerischen Haltung den alten Werken an; man wird guten, alten Geist verbunden mit modernem Können in ihnen wiederfinden, und so geben fie eine wertvolle Traditton in rechtem Siime weiter. AlS Ergänzung dienen photographische Aufnahmen, die im Licht- hose aufgestellt sind. Im Mittelgang Aufnahmen vom Ohlsdorfer Friedhofe, von den Münchener Friedhöfen und Aufnahmen von An- lagen anderer Städte. Auf der linken Seue des Hofes Photo- graphien und Zeichnungen nach Entwürfen deutscher Architekten und Künstler. Auf der rechten Seite eine Auswahl von Abbildungen älterer Grabmäler, geordnet nach Zeiten und nach den verschiedenen Typen, so baß ein Ueberblick und ein Vergleich beqnem ermöglicht wird._ Ernst Schur . Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt Paul Singer Sc Co., Berlin SW.
Ausgabe
25 (30.6.1908) 123
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