Nnteryaltungsblatt des Dorwärts Nr. 126. Freitag� den 3 Juli. 1903 «) 1>IafLa. (Nachdruck vervolea.) Roman aus dem modernen Sizilien von Emil RaSmussen. Autorisierte Uebersetzung von E. Stine. Seine Gedanken kehren zu der Begegnung mit Angela zurück. Du sollst sehen, Angelo beginnt Morgenausflüge zu machen. Er rafft sich aufl Sie schüttelt den Kopf, ohne zu antworten, und denkt in ihrem stillen Sinn: Wie rührend Vater doch istl Da hören sie eine Stimme von oben; sie sind fast auf dem Gipfel. Eine alte Bauersfrau eilt ihnen entgegen, be- grüßt den Marchese ehrerbietig und ergreift Liddas Hände, die sie mit einer ungestümen Leidenschaft küßt. Sie hilft Lidda vom Esel absteigen, und während die beiden sich in der Schilderung ihrer Freude ob dieser Begegnung überbieten, steigt auch der Marchese ab und fragt nach Salvatore. Turiddu ist bei den Tomaten. Voscenzal Er wagte es nicht, weiterzugraben, che Ihr kamt, Voscenzal Turiddu l Turiddu l" Der alte Salvatore erscheint hinter der Gartenmauer und eilt herbei, die gestrickte Mütze in der Hand. Auch er be- grüßt Lidda mit einer stürmischen Herzlichkeit, als sei sie sein eigen Kind. Er und Nedda sind seit Liddas Geburt Pächter ihres Vaters und sind dem Heranwachsen des jungen Wesens mit derselben Liebe gefolgt wie die Eltern. Sie gehen den Gipfel hinan, der von einer Gartenmauer umgeben. Hier steht das Bauernhaus, das Salvatore und Nedda in Pacht haben, und rund umher ist. soweit das Erd- reich es erlaubt hat, der Garten angelegt. Ein wenig höher steht eine gemauerte Hütte, eine Art Veranda mit Fenstern nach Ost, Süd und West. Diese Veranda, die die entzückendste Aussicht auf die ganze Provinz bietet, ist des Marcheses Auf- enthaltsort, wenn er hier oben weilt. Ein wenig weiter zurück, am Ostende , liegt das Grundstück, in dem er gräbt und wo sich zwischen den Schutthaufen bereits deutlich das Funda- ment eines Tempels abzeichnet. Kaum sind die Tiere in den Stall geführt, als die beiden Männer auch schon, jeder mit einem Spaten versehen, mit der Arbeit beginnen. Gleich darauf kommen die Frauen. Jetzt werden sie den Schatz finden!" jubelt Nedda mit glänzenden, geheimnisvollen Äugen. Von dem Tage an. da der Marchese hier zu graben be- gönnen, hat sich die Ueberzeugung in ihr festgesetzt, daß es ein Schatz sei. nach dem er grabe, ein Schatz, dessen Versteck ein Traum ihm offenbart habe. Und es kränkte sie ein wenig, daß er alten vernünftigen Menschen einreden wollte, er grabe nach dem Grunde eines alten Hauses, das vor vielen, vielen Jahren in Trümmer gefallen war. Es war, als habe er sie und Turiddu im Verdacht, daß sie auf eigene Hand suchten und ihm den Schatz wegnehmen wollten als wüßte er nicht. daß die beiden Alten keinen höheren Wunsch hatten, als ihren Herrn wiederum reich zu fcljen, ebenso reich, wie er angesehen war, noch reicher als die Gräfin Del Cbiaro, so daß man ihn wieder wie in alten Zeiten mit zwei glänzenden Füchsen aus- fahren sehen konnte. Und nun hatte sie also Recht behalten, die alte Nedda: denn der Schatz war ja unzweifelhaft da. Und nun konnte der Marchese sehen, wie sie ihm treu waren. Kaum war Turiddu mit der Hacke auf einen Hohlraum gestoßen und batte dabei eine altmodische große Tonvase mit bildlichen Darstellungen zertrümmert, da hatte sie gesagt:Turiddu. keinen Spatenstich mehr!" und war, das Herz auf der Zunge, zum Marchese hinabgeeilt. Der nahm aber die Sache mit großer Gemütsruhe auf, als glaube er gar nicht an den Schatz. Aber diesmal täuschte er Nedda nicht, nein! Dennoch bedeutete das Resultat dieses Morgens für sie eine Enttäuschung. Hinter dem ersten Kruge standen andere, aber nicht einer von ihnen war ganz unbeschädigt, und wieviel sie sie auch schüttelten, es fiel nichts anderes heraus als Erdklumpen, die im Laufe der Zeiten fest wie Stein geworden waren. Von Gold aber nicht soviel wie ein Körnchen! Und als man die Krüge fortnahm, stand bloß eine leere Nische da mit einem Steinboden. Hier lag der Schatz also nicht. Der Marchese aber fing nun erst recht an. Er hatte entdeckt, daß zwischen den beiden flachen Steinwänden, die deutliche Spuren früherer Bearbeitung trugen, eine Schicht lockerer Erde und Tonscherben liege. Er hackte und Turiddu schaufelte. Sie arbeiteten, daß der Schweiß rann, und der Marchefe war so eifrig, daß er keinen Laut äußerte. Indessen war die Sonne hoch gestiegen und sengte tüchtig, trotz der Seebrise, die sich bereits erhoben. Lidda zog es vor, mit Nedda in den Garten zu gehen. Dieser lag mit seinen drei Terrassen direkt nach Süden gegen das Mittelmeer . Groß war er ja nicht, da jede Terrasse durch eine Vormauer gestützt werden niußte, die Geld und Arbeit erforderte, aber die Lage war eine so herrliche, daß kein römischer Kaiser in seinem ganzen ausgedehnten Reiche einen entzückenderen Platz für seine Villa hätte finden können. Von einem jungen Garten auf einem so schwierigen Terrain konnte man keinen Schatten verlangen. Dafür mangelte es nicht an allen Arten Obstbäumen. An allen Mauern entlang waren Spaliere gezogen. Die oberste aber war ganz und gar von einer Schlingpflanze verhüllt, deren winzigkleine goldgelbe Blüten von einem Gelock violetter Blätter von so intensivem und gesättigtem Kolorit umgeben waren, daß man die dunkelglühende Mauer schon vom Meere aus unterschied. Auf der untersten Terrasse wuchs Wein, aber nicht in Ranken, sondern an den niederen Marsala- sträuchern. deren Traube der Stolz des Marchese war. Und ganz unten war es einer wilden Feige gelungen, ihre Wurzeln in die Mauerritzen zu klemmen und iippig und munter ihr Haupt über die Mauer zu recken. Der Garten war sorgfältig bewässert. Kanäle liefen aus einer dicht unter dem Pavillon liegenden Zisterne, die aus längstvergangenen Tagen stammte, jedenfalls aus einer Zeit, da der Marchese noch nicht den Felsen in Besitz genommen, der, bis dahin öde und unbeachtet, kaum einigen Ziegen ein dürftiges Futter gespendet hatte. Lidda setzte sich auf die oberste Mauer und tat Nedda die Freude an, den Garten zu loben. Dann hatte sie nichts mehr zu sagen. Ihre Augen folgten eine Weile den smaragdgrünen Eidechsen, die unten auf den Mauern nach Fliegen haschten oder im Sonnenbrand nach Luft schnappten: dann glitten sie hinaus über das Meer und blieben dort ruhen, biS die Lider sich halb senkten und der Blick erstarb. Die Älte saß da und sah sie forschend an. Sie hatte es gleich heute Morgen gesehen: Lidda war traurig. Sie tat einen tiefen Seufzer. Sie sollen sehen. Marchesira, jetzt sind sie dem Schatz auf der Svur." Lidda mußte unwillkürlich lächeln, als sie der Alten Ge- danken las, aber in ihren Augen lag etwas und blinkte wie Tränen. Sie nahm Neddas Hand in die ihre und drückte sie freundlich. Kurz darauf gingen sie hinauf, um das Frühstück zu be- reiten. Der Marchese pflegte bei seinen Bauern zu speisen, da es um diese Tageszeit in dem Pavillon mit seinen großen Fenstern zu heiß war. Um elf Uhr stellten die beiden Schatzgräber die Arbeit ein. Sie waren tüchtig hungrig. Salvatore ging in seine Schlafkammer, um nicht zu stören, da sein trockene? Weizenbrot mit Salat und trank Wasser dazu. Aber auch die Herrschaft schwelgte nicht: ein wenig in Oel eingelegter Thunfisch, ein Teller Bandnudeln, mit Butter und geriebenem Ziegenkäse bereitet, und endlich ein Salat auS Zwiebeln und Tomaten war die ganze Herrlichkeit. Als Dessert schälte der Marchese sich bloß eine jener langen Schlangengurken, die ihm von Kindesbeinen an als einer der höchsten materiellen Lebensgenüsse erschienen waren. ... Während der ganzen Mahlzeit war er feierlich gestimmt. Weißt Du. woraus die Scherben da draußen bestehen, Lidda?" Vasen, denke ich!" Nein, mein kleines Fräulein, aus Votivfigurcn-- zweifelsohne der Athene ." Das wäre ja schön!".