— soa Seife rollten die bunlkn Wagcn ciiwr nach dem anderen heran. Nahmen je zwei der Gefangenen auf und verschwanden im Dunkel — dahin, wo am Torweg die Laterne flackerte. Als graue Silhouetten umgaben die Soldaten der Eskorte jeden einzelnen Wagen, und die Hufe ihrer Pferde schlugen hell auf daS Pflaster auf oder schlappten durch den naffen Schnee. Ms Werner sich vorbeugte, um in den Wagen zu steigen, sagte der Gendarm obenhin: »Es fährt noch einer mit Ihnen." »Wohin?" fragte Werner verwundert.»Wohin fährt er? Ach ja? Roch einer? Wer ist eS denn?" Ter Soldat schwieg. Ja der Tat drückte sich etwas Kleines, Unbewegliches, doch offenbar Lebendiges dort in die dunkle Wagen- ecke, und beim schräg«infallenden Licht der Laterne sah Werner ein offenes Auge blitzen. Als er sich setzte, stietz er mit seinem Bein an ein fremdes Knie. »Entschuldigen Sie. Genosse.. Kein« Antwort erfolgte. Erp. als der Wagen fich in Bewegung setzte, fragte plötzlich in gebrochenem Russisch eine stockende Stimme: „Wer... wer find Sie?" »Ich bin Werner... Bin wegen des Attentats auf R. N. zum SCode durch den Strang verurteilt. Und Sie?" „Ich bin Janfion, mich darf man nicht hängen." Sie fuhren beide dahin, um zwei Stund«, später bor dem Antlitz des unerforschten grotzen Geheimnisses zu stehen, das da heitzt: lkbergang vom Leben zum Tode, llnd sie machten mit- einander Bekanntschaft. In zwei Ebene» flössen gleichzeitig Leben und Tod dahin, und bis ans Ende, bis zu den letzten lächerlichen, albernen Einzelheiten blieb das Leben— Leben. „Was haben Sie getan, Janston?" »Ich habe meinen Wirt mit dem Mcster gestochen. Habe Geld gestohlen." sgortsetzung folgt.) Oer Garten des Laubenkolomften. Juli. «rietzke hatte im derflostcnen Monat erstmals Gelegenheit. seine Hebelpumpe auf d«n neuen Grundstück gründlich in Bewegung zu setzen. Eine solche Hitze und Dürre, so klagte et mir, ist überhaupt noch nicht dagewesen, denn die bekanntesten ältesten Leute. zu denen Prietzte übrigens nicht gehören will, erklären wieder, sich nicht mehr entsinnen zu können, je etwas Aehnlichcs erlebt zu haben. Und Prietzke behauptet, noch nicht so geschwitzt zu haben, wie in diesen heißen trockenen Tagen, namentlich beim Pumpen, obwohl er einen halbe» Liter Maschinenöl zum Schmieren des halsstarrigen Instruments verwendet haben will. Warum Prietzke so furchtbar gepumpt und gegossen hat, liegt auf der Hand. Er weiß, daß auch die Pflanzen bei großer Hitze gewaltigen Durst be- konimcn und wie gewisse Menschen bald schlapp werden. DeS ferneren weiß er, daß bei allen Gewächsen mit Durst auch Hunger Hand in Hand geht, denn wenn der Boden bis in die Tiefe aus- getrocknet ist. können die Wurzeln nicht die nötigen Nährstoffe herbeischaffen, weil dies« für sie nur in Wasser gelöst aufnehmbar sind. So hängt denn im Hochsommer neben der Durchlüftung deS BodenS, die durch mehrfaches Hacken herbeigeführt wird, alles von tüchtiger Bewässerung ab. In mageren, schlecht oder gar nicht gedüngten Bode» ist neben reinem Wasser aber öfters flüssiger Dünger zu geben, am besten in Form von Latrinen- oder Kuh- dung. den man in Waffer aufgelost hat. Wenn man es haben kann, gibt man dies« flüssige Düngung an trüben Tagen auf feuchten Boden, und wenn man besorgt ist. daß sie etwas zu krätig ausgefallen sein könnte, so gießt man zweckmäßig mit klarem Wasser hinterher. Es darf aber beileibe nicht alleS durch die Bant gedüngt werden; Hülsenfrüchte, also Erbsen und Bohnen, Wurzelgemüse. Iwie Karotten. Rüben. Wrunken. Zwiebeln und Kartoffeln vertragen keine Jauche. Für flüssigen Dünger kommen in erster Linie alle Kohlgewachse in Betracht, ferner Kürbisse und Gurken, Tomaten und auch Sellerie, dem gegenüber aber schon Borsicht geboten ist. In den letzten vier Wochen vor der Ernte der Gemüse läßt man aber daS Jauchen, weil ihnen anderenfalls sonst leicht ein den Genuß beeinträchtigendes unangnehmeS Reben- aroma, wie eS den Produkten der Rieselfelder eigen ist, anhaften würde. Dieser Monat ist«in Haupterntemonat im Gemüsegarten. Ten Erbsen folgen bald die Bohnen, dem Kohlrabi der Wirfing; weiter werde» die Sommcrzwiebeln reif; sie müssen ausgenommen und an der Luft getrocknet und trocken aufbewahrt werden. Ferner erntet man Sommerrettiche, später auch Wirsing und sonstige Kohlarten. schließlich Gurken und Tomaten. Bei Blumenkohl gebraucht oian. sobald sich die sogenannten Blütenkäse bilden, die Vorsicht, diese gegen Licht und Sonne zu schützen, damit sie fest und we� bleiben. Diesen Schutz erreicht man durch Umknicken der Herzblätt«H über die Köpfe, wobei die Mittelrippe dieser Blätter epe Bald nach dem Schluß der Spargelernte sollen auch Spinatbeete abgeerntet sein. Obwohl der Spinat ein«einuje das man fast zu allen»Jahreszeiten haben kann, lohnt sein Anbau im Sommer schlecht, da er dann bald in Samen geht; neue Spinat- fraten werden erst wieder im August ausgeführt, der als Haupt- saatmonat für diese Gemüse gelten kann, dann wieder im Septem» der. Die Saat dieses Monats liefert das erste Spinat�emüse im zeitigen Frühling. Für den Hochsommer kommt nur der sogenannte neuseeländische Spinat in Frage; er wird im Herbst gesät und keimt dann im Frühling. Seine Ernte beginnt jetzt im Hoch- sommer, wenn der gewöhnliche Spinat versagt. Der neuseeländische Spinat bildet starke Büsche; er muß deshalb in Reiben auf 50 Zentimeter Abstand stehen; 10 bis 12 Pflanzen können eine ganze Familie versorgen. Ein staudenartiges Spinatgemüse, dag bei uns in der Mark auf Wiesen und Triften fast überall wild wachsend angetroffen wird, ist der sogenannte Sauerampfer, eine mehrjährige Staude. Eine Anzahl Pflanzen im Herbst an ihrem natürlichen Standort ausgegraben und in den Garten gepflanzt, lohnen die Kultur. Die Blätter liefern für sich allein oder in Verbindung mit Gartenspinat ein außerordentlich würziges Ge» müse. In diesem Monat sät man noch Sommer-, Herbst, und Winterrettiche, letztere aber am besten erst so um den 15. bis 20. Juli, da sie bei früherer Saat leicht in Samen schießen, des ferneren noch frühe Karotten. Gepflanzt werden noch Blätter- und Rosenkohl, aber sobald als möglich. Die Erdbeerzeit ging in diesem Jahre infolge der großen Hitze und Dürre sehr rasch vorüber. Prietzke konnte die Händ-a und den Mund nicht schnell genug in Bewegung setzen, um alles so rasch, wie es reifte, zu pflücken und zu bewältigen, trotzden, er die Borzüglichkeit und Ilnverwüstlichkeit seines Magens rühmt. Jetzt ist alles gepflückt; der letzte Rest ist klein und mager aus- gefallen und das Laubwerk der Stauden liegt allabendlich schlaff am Boden, so daß gründlich bewässert werden muß. Jnsolge der Dürre haben fich die Ranken nicht so zahlreich als sonst enNuickelt; immerhin ist es nun angebracht, von Woche zu Woche die Ranken zu entfernen, um die Mutterpflanzen möglichst zu kräftigen. Soll C.Herbst ein neues Beet angelegt werden, so läßt man eine .»hl von Ranken an den Mutterstauden; sie werden b« frühen Sorten schon im August, bei späten im September abgenommen und auf neu hergerichtete Beete gepflanzt, während alte, ab- getragene Beete, die schon mehrere Jahre standen, umzugraben und anderen Kulturen nutzbar zu machen sind. Die Vorliebe so vieler Kolonisten für den Fischteich bei Grundstücken in tieferen Lagen mit hohem Grundwasserstand, hat auch Prietzke �angesteckt. Frau Prietzke schwärmt für Karpfen, polnisch, und Schleie in Dill, und hat nicht eher geruht, als bis sich Prietzke daran gemacht hat. im hinteren Teil der Parzelle einen Teich auszugraben und mit der ausgehobenen Erde das umliegende Terrain aufznhöhen. Da der Grundwasserstand in diesen Tagen kolossal gesunken ist. so kam Prietzke erst bei zwei Meter Tiefe auf das nasse Element; er hat dann so lange weiter gegraben, bis er an den Hüften im Wasser stand, tvas nicht wenig besagen will, da er ziemlich lange Beine hak. So hat denn jetzt der Wasserstand in dem so geschaffenen Teich ohne Zu- und Abfluß reichlich 1 Meter Tiefe, wird aber mit Eintritt der Regenzeit im Herbst und Winter auf mindestens 2 Meter steigen, wodurch einem Ausfricren vor- gebeugt ist. Prietzke hat nicht den Fehler so vieler Kolonisten gc, macht, die alleS zusammen in den Teich setzen: Hechte. Aal«. Karpfen. Schleie und womöglich auch noch Forellen und Barsche. Wenn man dann nach einigen Jahren die Zuchtstation unter daS Schleppnetz nimmt, so wird man im günstigsten Falle noch einen gc, waltigen Hecht herausfischen, der alles übrige aufgefressen hat. Prietzke will sich, trotzdem er für Hecht, grün, schwärmt, auf Karpfen und Schleie beschränken und weiß von vornherein, daß er dann später nur daS, allerdings in wesentlich vergrößertem Format, herausfischen kann, was er in diesem Jahr hineingescht hat. Denn in kleineren Gewässern werden die alten Fische immer ihren eigenen Laich oder ihre eigene Brut auffressen, da es kür diese an genügenden Schlupfwinkeln fehlt, und die Fische fast durchweg so, genannte Kannibalen sind. Unsere einzigen heimischen Fische, die ihre Brut pflegen, sind die beiden Stichlingsarten. Da baut das Männchen daS Nest, jagt das Weibchen zum Teufel, wenn eS seine Schuldigkeit getan, d. h. die Eier abgelegt hat. und bewacht auch die Brut, aber nur so lange, wie es ihm gerade paßt. Leider sind diese Stichlinge zum Braten zu klein und zu stachelig; in manchen Gegenden kommen sie aber so häufig vor. daß man sie zu Millionen aus den Tümpeln und Sümpfen fischt, um mit ihnen die um- liegenden Felder zu düngen. Sollte sich doch ein Hecht in Prietzkes Teich verirren, so will ihn Frau Prietzke grün machen; die nötige Petersilie ist dazu schon angepflanzt, der Pfeffer wird dazu gc- kauft, denn Prietzke hat nicht die geringste Sehnsucht nach dem Lande, wo er wächst. Am letzten Sonntag war wieder einmal Tante Röschen auS Franzöfisch-Buchholz draußen bei PrietzkcS. Prietzke, der sonst selten die Spendierhosen anzieht, hat für die alte Tante, die ihn womöglich noch in ihrem Testament bedenken wird, das Büchlein »Der Kleingarten" für 60 Pf.(erschienen bei Parey ) gekauft und es ihr nach Franzöfisch-Buchholz geschickt, damit sie ihren Balkon- garten danach bewirtschaften könne. Tarte Röschen hat nämlich einige Kästchen mit Schnittlauch, Petersilie, Rapunzel, Kerbel und Pflücksalat aus dem Balkon, und da der Balkon nach der Sonnen- feite liegt und dort auf den Rieselfeldern eine Erde gefunden wird, die, wenn der Vergleich gestattet ist, mindstenZ ebenso fett wie Tante Röschen ist. so schießt alles üppig ins Kraut, und es fehlt tcr Taute selten an Suppengrün und Gewürzel. Tie Taute hat
Ausgabe
25 (3.7.1908) 126
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