öFet kommen Wie in mein Lusthans; bort wollen wir weiterplaudern."Es war spät am Nachmittag, und in der hohen Luft warbie Temperatur im Pavillon, besonders wenn dre T/ire offenstand, schon angenehm. Die spartanische Zimmereinrichtungumfaßte über das Notwendigste hinaus nur ein Regal mitarchäologischen Büchern.„Welch bezaubernde Aussicht! Welch ein Arbcitsgemach!"sagte Belladonna mit echter Begeisterung.—„Hier sollte eingroßer Dichter wohnen— oder ein Gelehrter mit künstle-rischem und dichterischem Empfinden, wie Sie, Herr Marchese!Ich habe gehört, daß Puccini sich solch ein Haus oben aufdem Gipfel eines Berges erbaut hat, wo niemand ohne starkeAnstrengung hinaufgelangt und er ungestört bleibt. Da sitzter allein mit seinem Flügel, mit großen Fenstern nach allenvier WelteSen, und läßt sich von den streichenden Windeninspirieren."„Das hört man„Tosca" an! Sie ist in hoher reinerLuft empfangen!" sagte Lidda. Sie saß beim Fenster, das aufdas Meer hinausging, und folgte dem Gespräch mit Interesse.„Sehen Sie," sagte der Marchese,„als ich den Gipfel desAthenefelsens kaufte— ich gab wirklich nur ein paar hundertLire dafür, so gering schätzte man ihn ein— lag unter anderem auch etwas Symbolisches darin. Er ist der höchste Punktder Stadt, hat die reinste Luft, den weitesten Ausblick. Hierlag Athcnes Heiligtum. Die Ehre unserer Mutterstadt, hierhat sie ihr Haupt und Herz. Und ich dachte, so sollte esbleiben. Solange eines der alten Geschlechter hier sitzt unddie Fahne des Geistes und der Schönheit und Gerechtigkeithochhält, solange hat die Stadt ein sichtbares Ziel, nach demsie steuern kann, solange wird das Gezücht nicht Herr undwerden nicht alle alten Tugenden in Ketten gelegt."„Sie denken edel, Marchese," sagte Belladonna. SeineAugen streiften Lidda, deren Brust sich unter dem strammenKorsett stärker hob und senkte. Auch der Marchese bemerkte,daß etwas in ihr vorgehe, wie sie so halb abgewandt dasaßund mit den Fingern auf dem Fensterpfosten trommelte,während der Blick über das Meer hinausglitt. Wie weit esauch seiner Absicht fern lag, seine Tochter zu verletzen, be-griff er doch, daß sie seine Hindeutung auf das„Gezücht" alseine gegen Angelos Eltern und deren ganzen Anhang ge-richtete Spitze empfinde— und er beeilte sich, von dem Themaabzuweichen,,.(Fortsetzung folgt.)!.(Jloflitötf verkoten.;DieGcfcbichtc der sieben Gehängten.Von Seonib Slnbrejctö.— Autorisierte Uebersetzung.Nach der Stimme schien es, als ob Jansson einschlief«. In derDunkelheit fand Werner seine welke Hand und drückte sie. Janjsontntzog ihm müde und trag die Hand.„Hast Du Angst?" fragte Werner.„Ich will nicht."Sic schwiegen. Werner nahm wieder die Hand deö EstheNvnd drückte sie kräftig zwischen seinen heißen, trockenen Hand-Sachen. Unbeweglich, wie ein Brettchen, lag sie zwischen denändcn des anderen, und Janfson versuchte nicht wieder, sie ihmizu entziehen.Im Wagen war es eng und stickig, eS roch nach muffigemSoldatentuch, nach Dünger und feuchtem Sticfclleder. Der jungeGendarm, der Werner gegenübersaß, hauchte ihm seinen warmenAtem entgegen, der nach Zwiebeln und billigem Tabak roch. Jr-gendwo, durch eine geheim« Spalte drang ein frischer, scharfer Luft-«ug ein, der in dem kleinen, dumpfen, rollenden Kasten denFrühling noch ganz besonders fühlbar machte. Der Wagen schwanktebald nach rechts, bald nach links, bald schien er gar rückwärts zugehen; bisweilen war es Werner, als ob sie aus irgend einemGrunde schon stundenlang an einer Stelle kreisten. Anfangs drangdurch die herabgelassenen dichten Vorhänge ein Schimmer desbläulichen elektrischen LichtcS in den Wagen; dann machte derWagen plötzlich eine Wendung, und es wurde dunkel darin. Darannur konnten sie merken, daß sie in die menschenleeren Straßender Vorstadt eingelenkt waren und sich dem S... er Bahnhofenäherten. Bisweilen, bei einer jähen Wendung des Wagens, stießdas lebendige, vorgebeugte Knie WernerS in aller Freundschaftgegen das ebenso lebendige, vorgebeugte Knie deS Gendarmen, undes schien ganz unwahrscheinlich, daß die Fahrt t ach dem Richtplatzging.»Wohin fahren wir?" fragte plötzlich Jansson. Er hatte vondem ewigen Schleudern in dem dunklen Wagen einen leichtenSchwindel bekommen, und es war ihm übel.Werner gab ihm Bescheid und drückt« die Hand deS Esthennoch fester. Er wollte diesem kleinen, verschlafenen Menschenirgend etvxiS recht Herzliches, Freundliches sagen, und er liebteihn bereits wie niemand sonst in seinem ganzen Leben.„Du sitzt vielleicht unbequem, mein Lieber? Nücke hierher,zu mir."Jansson schwieg ein Weilchen und sagte dann:„Tanke Dir schön. Ich sitze gut. Werden sie Dich auchhängen?"„Gewiß!" antwortete Werner mit ungewöhnlicher Lustigkeit,fast lachend, und machte eine leichte, verächtliche Handbewegung,als wenn es sich um einen albernen, harmlosen Scherz handelte.den sich irgend welche lieben, doch dabei höchst lächerlichen Leutchenmit ihm erlauben wollten.„Hast Du'ne Frau?" fragte Jansson.„Nein. Wie käme ich zu einer Frau? Ich stehe allein da.�„Ich bin auch allein... alleinig," sagte Jansson, sich nach-,träglich verbessernd.Auch Werner bekam einen Schwindelanfall. Es war ihm bis»weilen, als wäre er zu irgend einem Feste unterwegs; es magseltsam scheine»— und doch ist es eine Tatsache, daß fast alle,die zum Richtplatz fahren, die gleiche Empfindung haben: nebenQual und Entsetzen ein unbestimmtes Gefühl der Freude über dasUngewöhnliche, das gleich vorsichgchen wird. Es war wie einRausch, gemischt auS Wirklichkeit und Wahnsinn, wie eine wildeHochzeit, die der Tod mit dem Leben hielt, und die Gespenstern daSDasein gab.Kein Wunder wäre es, wenn draußen auf den Hänsern Flaggen«schmuck wehte.„Da wären wir ja!" sagte Werner neugierig und vergnügt,als der Wagen hielt, und sprang leicht heraus. Mit Jansson indeSging die Sache nicht so leicht voustatten: er sträubte sich schweigend»gleichsam am ganzen Körper erschlafft, und wollte nicht aus demWagen. Er hielt sich am Wagcngriff fest— mit Gewalt mußtader Gendarm seine kraftlosen Finger entfernen und seinen Armfortziehen; er griff nach der ersten besten Kante, nach der Tür,nach dem hohen Rad— und lieh sogleich, bei der geringsten Kraft-anstrengung von feiten des Gendarmen, wieder los. Und nichteinmal ein Greifen war es, sondern mehr ein schläfriges, stummesKleben an jedem Gegenstand, sofort nachgebend, wenn man ihnwegzuschieben suchte. Endlich war er aufgerichtet und stand da.Flaggenschmuck war allerdings nicht zu sehen. Dunkel, ödeund unbelebt lag der Bahnhof da, wie stets zur Nachtzeit; diePersonenzüge gingen nicht mehr, und für die Abfertigung deSZuges, der schweigend auf den Schienen die eben angekommenenPassagiere erwartete, bedurfte eS keines großen Aufwandes an Licht,keiner besonderen Umstände. Und plötzlich empfand Werner etwaswie Langeweile. Nicht Furcht, nicht Gram— sondern eine große,lästige, drückende Langeweile, die den Wunsch erweckte, irgendwohin zu. entfliehen, sich hinzulegen und die Augen fest zu schließen.Werner reckte sich und gähnte gedehnt. Und auch Jansson recktesich und gähnte einige Male hintereinander.„Wenn es nur recht schnell gehen wollte!" sagte Werner.Jansson schwieg, in sich selbst gekehrt.Als die Verurteilten auf dem menschenleeren, von einer ReiheSoldaten besetzten Perron nach den trüb erleuchteten Waggonsschritten, kam Werner in Sergej Golowins Nähe; dieser zeigte mitder Hand irgend wohin seitwärts und sagte irgend etwas, dochwar nur das eine Wort„Laterne" zu vernehmen, das übrige der-klang in einem langen, müden Gähnen.„Was meinst Du?" fragte Werner, gleichfalls mit einemGähnen antwortend.„Die Laterne. Die Lampe in der Laterne schwelt," sagte;Sergej.Werner sah sich um: die Lampe schwelte in der Tat und hattgbereits die oberen Scheiben der Laterne geschwärzt.„Ja, sie schwelt."Und plötzlich dachte er: was geht es mich schließlich an, daß dieLampe schwelt, da ich doch...Denselben Gedanken hatte offenbar auch Sergej: er blickte rasch!auf Werner und wandte sich ab. Doch hörten sie beide auf zrrgähnen.Alle gingen selbst nach den Waggons, nur Jansson mußte ge-führt werden. Anfangs stemmte er sich mit den Füßen gegen denBoden, daß die Sohlen an dem Holzwerk des Perrons festzuklebenschienen, dann bog er die Knie ein und hing in den Armen derGendarmen, während feine Beine nachschleiften wie bei einemstark Betrunkenen und die Stiefelspitzen auf dem Holze schurrten.Es dauerte lang«, bis sie ihn durch die Waggontür geschoben hatten,kein Wort wurde dabei laut.Auch Wassili Kaschirin ging von selbst, halb unbewußt, dieBewegungen der Genossen nachahmend— alles machte er so wiesie. Als er die Stufen zum Waggon emporstieg, trat er fehl, undein Gendarm faßte ihn am Arme, um ihn zu stützen. Da zuckteWassili jäh zusammen und schrie durchdringend, während er denArm fortschob:„A— oh!"„Was ist Dir, Waßja?" rief Werner, auf ihn zustürzend.Wassili schwieg und zitterte nur heftig. Der Gendarm erklärtein betroffenem Tone, ja sogar gekränkt:„Ich wollte den Herrn nur stützen, und er..