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einer Stärke der leichten Causerie, aber auch in seiner Schwäche, die an den Dingen eben nur herumzuspielen weiß.
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Geijerstam fängt an, ein Vielschreiber zu werden. Diefem neuen Buche merkt man an, daß er nicht etwas sagen mußte, sondern eben ein neues Buch schreiben wollte. Echte Kunst ist Inspiration. Hier offenbart sich die Konstruktion. Die Reibungen Wieviel frischer und gesünder dieser andere Desterreicher zweier Seelen und die daraus entstehenden Konflikte, immer wieder Wenn man Gast und Wanderer für dreißig, fünfzig, siebzig sonnige werden sie zum Brennpunkt von Geijerstams Dichtungen. Namentoder trübe Jahre ist... was lohnt es, die Gaststätte wegen kleiner lich der heimlichen Tragit der Ehe hat er mit feiner Psychologie Ungleichheiten mit einem Kampf zu erschüttern, als ob dies ewige nachgespürt. Jetzt schildert er die zerstörende Macht des NichtDinge wären? Diese versöhnliche, lebensfreudige Melodie geht verstehens am Verhältnis zweier Brüder zu einander. Der ärmere durch das frische, gesunde, volkstümlich- treuherzige Buch von Rudolf beneidet den reicheren und dieser lernt den Bruder um dieser hämiHans Bartsch. Der Völkerhaß, dem in des Autors österreichischer schen Mißgunst willen hassen. Dieser Haß, im Grunde getäuschte Heimat jener wunderbare Giftpilz: Alldeutschtum erkeimte, ließ ihn Liebe, wird zur Tragödie seines Lebens Das freffende Gefühl das unermeßliche Reich derer erträumen, die keine Nation haben nimmt Besitz pon ihm und vergiftet das Glück seines Weibes und und doch eine stille Nation sind über den ganzen Erdboden hin". seiner Kinder. Erst als der Bruder gestorben, löst sich die StarrUnd er schickt seine zwölf Steiermärker aus, dieses Reich zu finden. heit. Sein Weib ist an der Härte des Gefühls, das jede andere Das Lebensglück zu suchen. Verschieden find ihre Wege und Freude Regung ausschloß, zu Grunde gegangen, sein Sohn soll von nun und Trauer liegt dicht beisammen. Aber wie wunderbar, an seine Liebe wieder fühlen. Die Geschichte ist diesmal nicht nur als ob die Romantik Eichendorffs auflebte oder der alte technisch schwach, nicht nur zufammengetragen und zusammen aufrechte Keller feinen Humor Humor spielen ließe, weiß der geleimt, es fehlt ihr auch der innere Nerv der Wahrhaftigkeit. Verfasser die Lebensfahrt seiner zwölf Glückssucher 81 Es weht Romanluft darin, die Seelennöte sowohl des Hassenden, erzählen. Das flingt und singt, fingt, wehmütig und heiter, als der Frau als Märtyrerin sind am Schreibtisch erfunden. So und wir werden über blühende, lied- und rebenumsponnene bewegen sie auch nicht, wie alle gemachten Gefühle nicht bewegen. Landschaften geführt. Ab und zu geht's ein Stück über leere Geijerstam hat natürlich auch diesmal die Vorgänge in jene Wärme Streden, aber bald hat der Verfasser seine Straße wieder gefunden, gehüllt, an der auch der Leser warm wird. Der Durchschnittslejer die licht und sonnig ist, und auf der so lebensdurstige Gesellen wird vielleicht gar nicht empfinden, daß es eine künstliche Temperatur wandern, wie der O'Brien, der Bohnstock, der Wigram und der ist, die diesmal den tauben Samen zum Blühen bringen soll. Eine Kantilenes. Und im Hintergrunde Graz, die grüne, die baum gewisse Geschwäßigkeit verrät, daß der Autor fich selbst ein wenig umrauschte, die vor allen großen Städten Naturbefeelte, die ihnen arm fühlte und dies mit einem Aufwand von episodischem Füllwerk Göttin, Geliebte, Kind blieb. Sie ist auch die Heldin dieser Ge- zu verdecken suchte. Nur da, wo seine Menschen träumen in liebe schichte ohne Helden, und des Verfassers starke Heimatsliebe grüßt voller Erinnerung und leise vergangene Tage von Glück oder diese Stadt aus der Tiefe seines Herzens und aus der Tiefe seines Schmerz vorüberziehen, ist er auch in diesem nur ein Biertel echten Dichtergemüts. Buche der alte. Ein feiner, stiller Dichter.
Georg Engel , Der Reiter auf dem Regenbogen. ( Bita, Deutsches Verlagshaus, Berlin - Ch.)
Der Zug nach dem Boltstümlichen hat auch Georg Engel ergriffen. Wo aber Bartsch fest auf der wunderlichen Erde steht, Schwebt Engels in blauer Romantit und erfindet einen Helden, der in der Hauptsache eben Romanwesen ist. Der Reiter auf dem Regenbogen, das sollte der lachende Phantast sein, der auf der goldenen Brüde seiner Träume ins Reich der schönen Wunder hinüberschwebt. Der immer mit dem Kopf in den Wolken steckt, dieweil das Leben an ihm vorübergleitet. Der unpraktische Schwärmer, der Himmelsflieger, der Idealist. Doch dieser Engelsche Peter Gust hat vielmehr Aehnlichkeit mit einem deutschen Idealisten, der von Tugend trieft und in dessen Adern Buttermilch fließt. Sein Glück und seine Selig feiten basieren alle auf einer recht wenig schwunghaften Seele. Ein Stück Philister guckt diesem Regenbogenreiter aus dem Rockzipfel. Das Buch leidet überhaupt an einer gewissen Wucherung von wahrhaft guten Menschen. Engels optimistischer frohgemuter Neuromanticismus geht mit ihm durch die ganze Welt rosig. Ich hatte beim Lesen einen Geschmad von Schlagsahne auf der Bunge. Im Detail zeigt sich Engels tüchtige Erzählungskunst, sein Humor, sein anschauliches Schilderungsvermögen. Der Reiter auf dem Regens bogen bermittelt eine Reihenfolge von guten Eindrücken( auch störende, wie der unvermittelte Tod Peter Gusts, der der Geschichte einen Abschluß geben muß), aber der große, nachhaltige Eindruck bleibt aus.
Kaspar Hauser oder die Trägheit des Herzens, Roman von Jakob Wassermann. ( Deutsche Verlagsanstalt , Stuttgart .) Wenn sich heute einer, noch dazu ein Dichter der Dekadenz, an den abgegriffenen Kaspar Hauser - Stoff heranmacht, muß er einen besonderen Zwed damit verbinden. Am ehesten könnte man auf die Vermutung tommen, daß ein Entlarvungsversuch unternommen werden sollte. Denn der aufgeklärte Tatsachenmensch von heute ist geneigt, in dem geheimnisvollen Findling, deffen Haupt der von Philistern an geftaunte Nimbus einer Stönigstrone umstrahlte, einen raffinierten Betrüger zu sehen. Doch Wassermann ist weit entfernt davon, seinen Kaspar Hauser diesen romantischen Nimbus zu rauben. Im Gegenteil, er fegt ihm noch eine zweite Krone auf: die Dornenkrone der Menschlichkeit. Das heißt Kaspar Hauser wird ihm zum Symbol. Er bedeutet für ihn das Rätsel des Menschseins überhaupt. Er ist der ahnungslose, der sich selbst fremde Mensch, der der unberstandenen Welt gegenübergestellt wird. Der in ihre Wirrniffe hineingetrieben wird, inbrünstig seine Herkunft zu erforschen sucht und als ungelöstes Fragezeichen stirbt. An der Hand verbürgter Chronilen erzählt Jakob Wassermann noch einmal den seltsamen Kaspar Hauser - Fall und durchschießt ihn mit solchen psychologischen Reflexionen. Im Titel wird schon angedeutet, worin er die Tragik des Lebens sieht. In der Trägheit des Herzens! Eine sehr schöne, sehr tiefsinnige Formulation. Alle die trägen Herzen um den Menschen herum, wohl auch sein eigenes träges Herz legen sich wie Rauhreif auf die Keime des Lebens, die zu Glück, zu Liebe, zu Gerechtigkeit und Vernunft erblühen wollen. So stirbt alles und er selbst an dieser Lethargie des Herzens, das immer da träge war, wo es wärmer schlagen sollte. Wassermann hat es immerhin verstanden, alte Schläuche mit neuem Wein zu füllen. Sein Kaspar Hauser - Buch ist mehr als wiedergeläute Historie.
Möchte Geijerstam für eine Weile ganz still werden, um diese Feinheit zu behalten. J. V.
( Nachdruck verboten.).
An der albanischen Küfte.
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Santi Quaranta.
Es wird eine böse Nacht werden. Der Sciroccofturm pfeift um die Wanten und peitscht einen Regen über Deck, der alles, alles rundum verschleiert. Vom Hafen ist kaum die rote Signallampe sichtbar, die der Lloydagent zu solcher Zeit ins Fenster stellt. Und doch heißt es antern, die asiatische Post für Oesterreich liegt hier. Der erste Leutnant unser Postoffizier muß mit einer Barle an Land und die Säcke holen. Er flucht nicht wenig und wünscht der Post die asiatische Best. Wie weit es zum Hafen ist? Weiß Gott . Die Finsternis gestattet teine Orientierung. Ehe in diesem gefährlichen Hafen nicht ein Schiff zugrunde gegangen ist, wird die türkische Regierung faum gezwungen werden, ihn zu erleuchten.
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Schade, daß wir nicht bei Tage vorbeikommen. Santi Quaranta ist sehenswert. Zu Beginn des griechisch- türkischen Krieges hat die griechische Flotte den wehrlosen Ort sechs Stunden lang bombadiert und von den sechs Häusern, die er hat, richtig zwei in Trümmer gelegt. So liegen sie noch heute, nach zehn Jahren.
Wir nehmen eine Unzahl von Delfässern an Bord. Große Segelbarten bringen sie aus dem Hafen herbei, indem sie sie zu Hunderten an Tauen hinter sich herschleppen. Wenn jetzt ein Winde stoß fäme, wäre die ganze Ladung beim Teufel. Stundenlang lärmt der Kran und verstaut Del, nichts als Del; dann eine kleine Partie Rohhäute und nun ein seltsames Frachtgut: dreißig Büffel. Sie sind, ganz wie die Fässer, in langen Reihen an Taue gebunden und schwimmen, von den Segelbarten geschleppt, bom Molo bis an unsere Bordwand. Hier erfaßt der Haken des Dampfkranes jeden einzelnen Büffel an den Hörnern und hebt ihn aus dem Wasser empor, hoch empor, um ihn dann, nicht immer sanft, aufs Deck niederzulassen. Die Matrofen haben ihren Spaß an den zappeln den Büffeln. Einem großen, starken Stier mißfiel es schon, an der Bordwand hinaufgeschleift zu werden. Als er gar auf Deck niederfiel, sprang er flink auf und lief nach achtern." Hel hel Siel", schrien ihm die Matrosen nach, haben Sie denn ein Billett für die erste Klasse?" Eine Büffeltuh fiel über Bord auf ein Trabatel. Die Bemannung war über den Besuch nicht wenig erschrocken.
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Dratsch.
Historischer Boden. Valona war der Eingang zum Tartaros, Dratsch Durazzo- das alte Dyrrhachium, scheint der Tartaros selbst zu sein. Als Cicero hier lebte, war der Ort hoffentlich weniger schmutzig als icht. Ein tiefer Brunnen, von einem Marmorbeden eingefaßt und vier Säulen flankiert, scheint der einzige wohlerhaltene Rest der römisch- byzantinischen Bracht zu sein. Sonst sieht man allenthalben antite Steine in türkische Mauern verbaut. Aus diesem Brunnen trant vielleicht Amalasuntha , Theo dorichs des Großen Tochter, die hier residerte. Ueber den Rand