lichtdurchfluietcn Raum dahmgcschw-bt, nicht Untertan den Winden, sondern sie überwindend. So weit ist jetzt der Mensch. Vorläufig heißt der Mensch Zeppelin. Unbeschadet der Verdienste anderer, nichtdeutschcr Luft- iibcrwinder. Er kam gerade von seiner großen Schweizerfahrt. Die Schweizer sind stolz daraus, daß er ihre Städte und Seen zuerst aus den Lüften begrüßte. Es war auch eine stille Antwort an das Palais des Kriegsministers in Berlin . Man hat keinen Begriff davon, mit welcher Liebe das Volk in dem Dreinationenwinkcl des BodenseeS an Zeppelin hängt, und mit welchen derben Witzen man sich dort zurzeit auf Kosten des Herrn d. Einem erheitert. Es ist mehr als verbohrter Parti- kularismus, was darin liegt. Es ist der Haß des verträumten Lllemannenschlags gegen preußische Ueberhebung. Und dann ist Zeppelin eben nicht nur ein unerschrockener Erfinder, der alles dahingab für sein Werk, er ist auch ein liebenswürdiger Mensch. Eine solche Vereinigung von Freundlichkeit und Kühnheit, Froh- mut und Ernst, Güte und Festigkeit ist noch auf keinem Gesicht gesehen worden. Wenn er im Gasthaus wo er mit seiner Tochter in Friedrichshafen bescheiden wohnt> ein- und ausgeht, dann könnte er fast irgendein Theaterintcndant, ein Bankier oder etwas ähnliches sein. Ein kleines, diskretes Bäuchlein wölbt sich unter der Weste und über dem weißen Hemdkragen im Nacken leuchtet eine rosige Halsschwarte. Wcnn er aber in seinem Motorboot gegen die Halle zu einem Aufstieg fährt, dann ist er ein anderer. Dann wird auS seinem freundlich-cnergischen Schwabenkopf ein Erobererschädel. Dann ist er der Eroberer der Lüfte. Centimen- tale Reporter haben von ihm als einemverchrungswürdigen Greis" gesprochen, um Stimmung für ihn zu machen. Er ist aber gar kein Greis. Er ist ein Mann, siebzig Jahre alt, aber hoch gewachsen und kerzengerade, elastisch und frisch. Er badet täglich im See bei Sturm und Sonnenschein und schwimmt wie ein Junger. Seine Augen blitzen unter der vorstehenden Mathematiker- stirn und das leichte Hinken des linken BeineS kommt nicht vom Zipperlein, sondern von einer schlecht behandelten Verwundung im Krieg. Er hat die großen flachen Ohren der energischen Naturen an dem kahlen Schädel und einen stolzen weißen Schnauz. Ob- wohl er nicht eigentlich«in schöner Mann ist, könnte ich mir doch denken, daß junge Mädchen sich in ihn verlieben. Als man ihn am Tage nach seiner großen Schweizerfahrt fragte, wie er mit dem Erfolg zufrieden sei, lautete seine Antwort:Wissen Sie, ich bin einfach glücklich." Also ein gesunder Mann auS schwäbischem Kernholz, kein Ver­ehrung? würdiger Greis. Allein auf sein Gesicht und seine ganze Art hin wäre ich mit ihm gefahren. Soviel Vertrauen erweckt er. Aber daraus wurde leider nichts. Anstatt meiner hatte der Schwabcnkönig und seine Frau die Ehre, vom Grafen durch die Lüste kutschiert zu werden. Aber mit den Augen konnte ich wenigstens miterleben. Eine halbe Stunde von Fricdrichshafen liegt die Bucht von Manzell . Ein grüner Schilfstrand mit leicht ansteigenden Wiesen dahinter. Wenn man dort unter den mächtigen Eichen im Grünen liegt und hinauSschaut auf die blauseidene Flut des schwäbischen Meeres, dann erlebt man etwas Sonderbares. In der Bucht liegt ein riesiger Holzbau von ägyptischen Massen. 150 Meter lang und 30 breit. Hoch wie ein fünfstöckiges Haus. Es geht eine starke Nordostbrise. Da schlägt der Wind plötzlich um. Und wie eine riesige Windfahne dreht sich der gewaltige Bau auf dem Wasser und zeigt mit der geschlossenen Stirnwand in der Richtung des Windes. Es ist die vom Reich erstellte Ballonhalle, die sich auf einem verankerten Lager dreht wie ein Uhrzeiger. Es ist drei Uhr. Um vier Uhr soll der Aufstieg erfolgen. In einem kleinen Kahn ist man bald drüben. Es dröhnt aus der Halle von Hammer- schlügen über den See hin. Die eine Stirnseite ist ganz geöffnet. Der weiße Hinterleib deS wunderbaren Ungetüms ist ganz sichtbar. Am Heck der komisch sich zuspitzenden, löscitigen Ballonhülse spielt das zwei Mann hohe Steuerruder leicht hin und her. Die Stabilitätsflächcn mit den Seitensteuern stehen wie starre kleine Flügel ab. Geivaltige Flossen ragen aus dem Bauch und dem Rücken deS Hecks. Sie sehen aus wie die Rückenkämme vorsintflutlicher Fabeltiere. Alle? hat präzise geometrische Maße und Formen; alles ist Aluminium, Stahldraht, Ballontuch; alles hat die Symmetrie einer Maschine; und doch kommt man nicht darüber hinaus, daß hier etwas Leben- diges, ein weißes braves Ungeheuer in Fesseln liegt, das willig gehorcht, sobald sein Meister naht. Und er naht. Ein Motorboot schießt von Fricdrichshafen her über die Wellen. Es hält an einer Seitcnwand der Halle. Zeppelin steigt aus und verschwindet in einer Türe. Mit einer fabelhaften Geschwindigkeit, hinter der man daS harmonische Jneinanderarbciten zahlreicher Menschen- Hände nur spürt, nicht sieht, geht nun folgendes vor sich: Sobald Zeppelin die Halle betreten hat, erzittern die Wände unter dem Sausen der angedrehten Motore. Ein kleines Schleppmowrboot zieht das auf einem Brückenponton ruhende Luftschiff aus der Halle. Langsam schiebt sich der weiße Riesenleib heraus. Eine Riesenzigarre" sagen die Reporter. Ein echter Schmockvergleich! Ein herrliches Monstrum ist der Ballon. Ein schlanker Wunder- hau. 132 Meter lang und 12 Meter im Durchmesser. Nun kommt die erste Gondel heraus. Zeppelin am Steuerrad. Der König von Württemberg als Gast. Einige Passagiere, die nicht weiter inter -' cssicren. Weiter schiebt sich der weiße Koloß aus der dunkeln Halle. In der zweiten Gondel steht nur ein Maschinist. Endlich erscheint der Bug. Fast winzig sehen die zwei Luftschrauben gerode über den Gondeln aus, die nun leicht im Wasser ruhen. So fein bis auf das Kilogramm ausbalanziert halten sich Ballon und Gondeln das Gleichgewicht. Ein Australneger, der zum erstenmal ein Dampf. schiff sieht, mag Gefühle haben, wie der moderne Mensch, der zum erstenmal Zeppelins Riesenflieger betrachtet. Ein Wunderwerk moderner Jngenieurkunst. Es liegt natürliche Schönheit in den genial einfachen Verstrebungen und in den ganzen Maßverhältnissen. Da ertönt ein schrilles Glockensignal. Die Luftschrauben fangen an sich zu drehen. Ihr Surren macht mit dem Sausen der Motore die sieghafte Musik des technischen Zeitalters. Nur noch blinkende Kreise sind jetzt die Schrauben. Aus den Gondeln wird Wasser- ballast entleert. Nur ganz wenig. Und nun hebt sich das weiße Schiff mit einer unsagbaren Ruhe und einer Majestät, die man nicht anders als kosmisch heißen kann. Dir auf dem Ponton stehenden Mannschaften donnern dem Schiff ein Hurra nach. Es kommt nicht nur aus ihren Kehlen, auch aus ihren Herzen. Es klingt gerade so begeistert, auch wenn Zeppelin ohne König fährt. Kaum 20 Meter über dem See dreht das Schiff, sicher, ohne Zittern und ohne Ruck; ruhig wie von einem souveränen Wollen beseelt. Rasch fliegt es den silberglänzenden Wolken der Vorarlberger Alpen zu. Wie rasch, daS sieht man nur an dem schnellen Schwinden des herrlichen Bildes. Jetzt steht eS nur noch wie ein silbernes Schild vor den leuchtenden Wolken. Aber es dreht, kommt im Bogen wieder zurück und fährt bald hinter den alten herrlichen Bäumen der Friedrichshafener Gärten hin, daß man meint, die Passagiere in den Gondeln könnten fast Blätter pflücken. Dann fliegt eS in einer scharfen Kurve wieder über den See und sinkt langsam, wie ein ins Wasser einfallende? riesenhaftes Flugwild, auf die blaue Fläche nieder, nahe bei dem Flaggschiff des Königs. Die Königin hatte nun offenbar auch Courage bekommen und läßt sich hinüber in die Aluminiumgondel rudern. Dann erhob sich das Luftschiff wieder, fuhr im großen Bogen hinauf gegen Lindau , kehrte wieder zurück und schoß dann haarscharf an den Turmspitzen der Schloßkirche vorbei. Jedem leisen Steuerdruck gehorcht der Riesenflieger. Als er wieder über dem See stand und die Gondeln mit ihren mattglänzcnden Alu- miniumböden kaum 30 Meter über mir und meinem kleinen Boot schwebten, da Hab ich laut hinaufgegrüßt und den Hut geschwenkt vor dem General der Lüfte und seinem weißen Riesensaurier. AuS den Gondeln wurden die Grüße erwidert. Das Wasser kam mir in die Augen. Die Sonne blendete auch so stark. _ A. F e n d r i ch. Kleines femlleton» Physikalisches . Der Nadir der Temperatur. Der berühmte englische Physiker Sir JameS Dewar hat jetzt im Londoner königlichen In- stitut einen Vortrag unter dem Titel:Der Nadir der Temperatur und verwandte Probleme" gehalten. Er ist schon deshalb von be- sondcrem Interesse, weil dem Forscher eine der vollkommensten und größten Laboratoriumseinrichtungen zur Erzeugung niedriger Tempe- raturen zur Verfügung steht.Nadir der Temperatur" nennt Dewar deren niederste praktisch erreichbare Grenze. Sie liegt bei dem heutigen Stande des Experiments noch einige Grade(etwa 8 Grad Celsius) über dem absoluten Nullpunkt(273 Grad Celsius). Was eine solche Teniperatur, die mit Hilfe von verflüssigter Luft und verflüssigtem Wasserstoff erzielt wird, zu be- deuten hat, veranschaulichte Dewar durch einen Versuch. Dabei vcr- hielt sich flüssige Luft beim Aliftropfen auf eine Flüssigkeit von Zimmertemperatur ebenso wie ein Wassertropfen, der auf eine rot- glühende Eisenplatte fällt. Bekanntlich tritt in solchem Falle nicht sogleich eine Verdunstung ein. sondern der Tropfen wird durch eine Dampsschicht von der heißen Oberfläche getrennt und rotiert als flüssige Kugel eine Weile, ehe er verschwindet: das sogenannte Leiden» frostsche Phänomen. ES tritt auch auf, wenn man Tropfen von flüssigem Wasserstoff auf verflüssigte Lust auftropfen läßt. Um noch niedrigere Temperaturen als bisher zu erzeugen, ist es vor allem von größter Wichtigkeit, die Isolierung gegen Wärmestrahlen aufS höchste zu steigern. Dewar selbst hat bei der nach ihm benannten Dewarschen Flasche, die zur Aufbewahrung von flüssiger Lust dient, die Isolierung in der Weise erzielt, daß er in einem doppelwandigen Gefäß zwischen der Doppelwandung vollkommene Luftleere herstellte und es im Innern mit einem Silberspiegcl überzog. Dewar erörterte auch die vielbesprochene Verflüssigung deS Heliums, die bisher trotz eifrigster Bemühungen weder dem Holländer OnneS noch ihm gelungen ist. Nach der Cailletetschen Entspannungsmethode sind abgesehen von einer großen Menge Helium auch sehr bedeutende Mengen von flüssigem Wasserstoff erforderlich, wodurch die Versuche außer- ordentlich verteuert werden. Mit dem Quantum flüssigen Wasserstoffs, das ihm zu Gebote stand, gelang eS Dewar, die alsNadir" be- zeichnete Grenze nach unten zu überschreiten. Die Vermutung von Prof. OlSzewski in Krakau , daß das Helium vielleicht doch ein permanentes" unwandelbares Gas sein könne, scheint danach nicht wahrscheinlich. Es ist daher wohl möglich, daß neue Versuche zur Verdichtung deS Heliums zum Ziel führen werden. LZerantw. Redakteur: Georg Davidsob». Berlin , Druck u. Verlag. Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt Paul Singer& Co.. Berlin SW.