konnte ober herabzubringen war, war in seinen beston Kleidern erschienen und trotzte Stunde um Stunde dem Sonnenbrande, um einen Schimmer von der Prozession zu erhaschen.. Endlich hörte man den Gesang wie em fernes Ge­murmel, das allmählich festere Form annahm. Weit unten konnte man die Weiber auf den Altanen knien sehen: ein Zeichen, daß San Calogero nahe sei. Dann kamen die singenden Chorknaben, duftende Räucherschalen schwenkend. Ihnen folgten die verschiedenen religiösen Bruder- schaften: Bauern und Handwerker, in lange, verschieden- farbige Kittel gekleidet und zehnpfündige Wachskerzen in den Händen tragend. Zwei und zwei wanderten sie in einer langen Kette dahin, während die Ordner in einem stark her- vortretenden Gefühl ihrer ungeheuren Verantwortung hin und her fuhren und sorgfältig aufpaßten, daß man die rich- tige Entfernung voneinander innehielt. Ein anmutiges Zwischenspiel bildeten die Konsirman- kinnen in ihren weißen Brautkleidern mit Schleier und Kranz auf dem Haupte und großen Blumensträußen in den Händen. Sie wurden behütet von den ihnen folgenden Mönchen und den züchtigen Nonnen, die aussahen wie ans Tageslicht geratene Fledermäuse. Dagegen schienen die nun daherziehenden Priester voll- kommen gleichmütig. Sie waren die einzigen, deren Ge- sichter keine Spur eines Gefühles davon verrieten, daß etwas Großes und Heiliges sich eben durch die Stadt bewege. Unter einem roten Baldachin, der von vier Männern getragen wurde, ging der Bischof in seinem pfauenscheckigen Festgewand. Alle dauerte dieser uralte Mann, der in der sengenden Sonnenhitze viele Stunden lang unter der Last der schweren golddurchwirkten Gewänder umherziehen mußte. (Fortsetzung folgt.)? Huf der Slalz in'Cirol. (Aus dem Tagebuch eines Handwcrksburschen.) Der Adam hat die Lieb' erfunden, Der Noah den Wein, Und der David das Zitherspiel: S' müssen Tiroler gewesen sein!" So steht es zu lesen an den Wänden der Tiroler Wirtsstuben. Die lieben Leute können hier gut lustig sein, sie jodeln sich, über das trübe Wetter und die damit verbundene Mißstimmung hinweg. Das war ein toller Sonntag gestern. Früh, als ich in dem Städtchen Lienz aufstand, hatte es in Strömen geregnet. Wie ein rechter alter Brummbär zog sich der Tag die Nebeldecke übers Gesicht und nur unterhalb bleiben wir im Bilde staken die Füße heraus. Dies waren einige trostlos dreinschauende Weiden am Ufer der flinken Nienz, schroffe aufdringliche Tannenhänge, die im Tal herüber kamen und dann wieder gingen und hier und da ein wasserscheues Häuschen, das sich vor dem Regen fürchtete wie ein Kind vor dem Bade und sich unter seinem großen, breiten Schindcldache zusammenkauerte, als ich bis Toblach fuhr. Mit- tags heiterte das Wetter auf. Es war mir geglückt, in den letzten drei Regentagen immer eine Tagesstrecke zu fahren und doch dabei mein Geld in der Höhe von etwa sechs Kronen zu halten. Als ich in Toblach ausstieg, war eS sonniger Mittag; der schöne, breite Eingang des Pustertals lag vor mir. Die Straße war wie blank gescheuert und trocknete auf. In einem der großen Paläste, die sich unweit vom Bahnhof gruppieren, glaubte ich mein Mittagsmahl halten zu können, doch die Saison ist tot und die Hotels hatten Türen und Läden geschlossen, in einem kleineren Landhaus bekam ich dann noch eine Klohsuppe. Entgegengesetzt, auf der anderen Seite des Bahnhofes, inmitten großer, ebener Wiesenflächcn liegt Toblach . Der spitze Kirchturm ragt hoch über die kleinen Häuser hinaus, die sich einträchtig rings im Kreise um ihn lagern. Auf dem Weg hinab nach Bruneck kündet mir eine Tafel, daß hier die Talmitte die Wasierscheide vom Schwarzen und Adriatischen Meer bildet. In der nächsten Ortschaft Ricderdorf will ich meinen durch die Fahrt etwas geschwächten Geldbeutel wieder auffrischen. Wie ich an einem Hause an der Straße, das verschlossen ist, durch die Fenster spähe, springt hinter mir der Gendarm vom Fahrrad. Ich habe nach einem leercn Zimmer suchen wollen, lieber Herr," suche ich mich auszureden; da ich aber mein ganzes Inventar mit auf oem Rücken herumtrage, erscheint meine Aussage wenig glaub- würdig. Er geht in das nächste Haus, um sich dort zu erkundigen, ob»ck wohl gebettelt hätte. Blitzschnell überschaue ich die Situakidtt und die Folgen, die daraus erwachsen: per Schub nach der Grenze und schließlich noch etwas anderes! Dann das Werk eines Moments: über bis Straße, hinter der nächsten Hausecke verschwinden und laufen« laufen und laufen, um womöglich den schützenden Wald zu er« reichen. Die Angst beflügelt meine Schritte. Ueber eine a«, schlossene Bahnschranke klettere ich hinweg, ein Zug keucht mir unt Rücken. Plötzlich ein Donnern und Krachen, Kugeln schwirren an meinen Ohren vorüber; ich bin durch die Feuerlinie des Schützenstandes gelaufen; in der Ferne klingt mir der Leute unbändiges Lachen nach. Jetzt die Bahn entlang, gedeckt durch den Bahnhof und zwei eben eingefahrene Züge. Am zweiten Uebergang steht der Gendarni vor der geschlossenen Barriere und kann nicht hindurch-. Seine Augen funkeln vor Wut, während mir das Herz wieder freudiges schlägt. Nun suche ich soviel wie möglich ab von der Straße zui bleiben und bin so durch den Bahnstrang sowie den parallel mit ihm laufenden Fluß doppelt gedeckt. Ueber Wiesen und tiefo Bacheinschnitte, über aufgeweichte Felder geht meine Flucht, ehs ich es endlich wage, die Straße zu betreten. Der Schweiß ist min heiß auf die Stirn getreten, doch der Körper schüttelt sich vor Frost. Noch einmal täuschen sich meine Augen, ich sehe auf der Chauffeq einen Radfahrer heranrasen. Nun gibt es keine Rettung, kurz ge« faßt wate ich durch das zurzeit hochstehende und reißende Wasser der Rien. Hier kann er mit seinem Rad nicht herüber! Als ich mich umwende, fährt ein Bauernbursche und nicht der Gefürchtete vorüber, der über mein sonderliches Gebaren den Kopf schüttelt. So bin ich zwei Stunden gelaufen, bis WelSberg, das nächste Dorf, mir auch längst im Rücken liegt. Ich mutz mich ein wenig verschnaufen. Die Kleider sind halbwegs wieder getrocknet. nur die Stiefel find noch von der unfreiwilligen Kneippkur voller Wasser. Ich bin heilfroh, daß es noch so gut abgegangen ist. Meine Blicke gehen zurück in die Landschaft, die ich unter solch! eigenartigen Umständen durcheilte. Aller Kleinmut fällt mir bei ihrer Schönheit; es ist die entzückendste Stelle des PuftertalS. Hinter den grünen Tannenhängen heben sich scharf gegen den nächt- lichen Himmel die mit frischem Neuschnee bedeckten Zacken der Am-> pezzaner Dolomiten, ein rosa beleuchtetes Wölkchen schiebt sich da« hinter. Welsberg mit seinen roten Dächern hüllt sich in der Tal« höhe zum Schlafen ein. Einige Bauernhäuser, hoch in den Bergen versteckt, schlafen schon. Nur der weiße Unterbau leuchtet aus dem Dunkel. Abwärts sprudelt die Rienz in ihrem tiefen Bett, immer weiter, bis auch sie, die braunen Wiesen und die herbstlich roteN Ufer in nächtliche Schatten verschwinden., Da perlen mir leise ein paar dumme Tränen auS den DugeN, ich fühle dasGehetztwerden" und Verlassensein meiner Armut; eS ist Nacht ich habe noch kein Obdach.! Ein schmaler Fahrweg führt zu einem Bauernhaus hinab. In! der Küche treffe ich das Dirndl, das mir bereitwilligst eist Ouar- tier, natürlich nur im Stall, zusagt., Wie ich dann in der dunklen, warmen Stube sitze, kvandern meine Gedanken heimwärts zu den Sonntagabenden im Heimat- haus. Ich sehe, wie die liebe, gute Tante die blaugeblümten Kaffee- tasten auf den Tisch stellt, einen Kuchen dazu holt und als zweites Gedeck hinterher Schinken, Wurst und Butterbrot. Einer nach dem andern der Familie tritt in die Stube, ich begrüße jeden mit einem herzlichenGrüß Gott", aber sie nehmen keine Notiz von mir. Dann erst, nach einer Frage, gelingt es mir, eine Verbin-- dung herzustellen. Ich hole die Landkarten und AnsichtSpostkartesti aus dem Rucksack und erzähle ihnen von meinen Reisen, die mich zu> Fuß bis nach Rom führten. Rings um den Tisch gedrängt, üben meine Achseln hinweg lauschen sie den Wundern der ihnen unbe- kannten Welt. So habe ich sie gefangen und ich bin dabei in den Bereich der kleinen Lampe gekommen, die von der holzgetäfclten Decke herab über dem Tische hängt. Bei den NamenPeterskirche" undPapst" zittern sie. Ich erzähle ihnen von den Wölfen in Rons und den Gänsen, die einst das Kapital retteten. Allmählich ver. spüre ich leise Hunger, das eine Dirndl hat schon die Kartoffel« schüssel im Arm und lauscht ebenso blöd wie die andern. Nur der Großvater schläft lang ausgestreckt auf der Bank vor dem großen Ofen. Nach einer Weile spricht der Bauer:Esten!" Unvermittelt darauf treten auch schon alle betend und singend um den Tisch, knapp, daß ich Zeit habe, mein Zeug zusammenzupacken. Ich mur- mele mit gefalteten Händen mit. Während des Betens wird das Essen aufgetragen und noch allerlei Obliegenheiten verrichtet, ohne daß dies stört. Als erster Gang: Pellkartoffeln mit Salz. Wir wischen den Löffel am Tifchhich ab und lecken die Kartoffelreste von den Fingern. Dann geht es gemeinsam an eine Schüssel mit Kloßbrühe. Als Nachspeise flache, tellerförmige Brote und süße Milch., Da plötzlich, ich putzte eben meinen Löffel blank, ging wieder das Beten an; ich muß als letzter an die Tür treten. Vor dem Muttergottesbild, welches, mit einigen Behren und verbleichten Papierrosen geschmückt, in rußigem Speckglanz, inmitten der Wand jenseits der Tür hängt, ist der Bauer auf die Knie gesunken. Die Weiber hutschcn betend an den Bänken ringS in der Stube herum. Ein religiöser Wahnsinn scheint die Leute nach meinen Begriffen erfaßt zu haben. Der Bauer in seiner weißen Schürze als Haus« Priester spricht lateinisch, die andern fallen bei gewissen Stellen mit ein. Ich bin gänzlich außer Fassung. Dann spricht der älteste Bube das erlösende Wort für mich:Schlafcnacben!" Er