Anterhattungsblatt des Vorwärts Nr. 140. Donnerstag, den 23. Juli. 1903 �Nachdruck verboten.) Roman aus dem Mod einen Sizilien von Emil Rasmussen. Assunta entkleidete sich indessen und badete ihren Körper, ohne sich abzutrocknen. Darauf begann sie neugierig im Zimmer umherzuwandern, mit den Füßen behaglich die Kälte der blauen Fajencefliesen aufsaugend und die Kühlung genießend, die die Luft um ihre nasse Haut legte. Unten hörte sie ein Weib schluchzen. Sie blieb einen Augenblick stehen und lauschte. Die Gräfin kam noch immer nicht. Sie setzte sich auf den ägyptischen Divan, der schräg in dem großen Zimmer aufgestellt war. War es möglich, daß Angela ihrethalben die Marchs- sina aufgegeben hatte, daß er sie liebte, ihrer harrte! Ach wäre er bloß hier, daß sie es aus feinem eigenen Munde hören könnte! Waruin mußte sie so kommen, gegen seinen Willen, ihn überrunipelnd?. W? sie doch als seine Verlobte hätte kommen können! Sie ging ans Fenster und blickte durch die Holzjalousien hinab auf die kleine Piazzetta. Alle Türen waren versperrt. Kein Mensch zu sehen. Das Schluchzen da unten wollte nicht aufhören. Wo- ruber d i e nur so verzweifelt war? Sie warf einen zögernden, zufriedenen Blick auf sich selbst, als sie an dem großen Spiegel vorbeiging, und setzte sich wieder auf den Divan. Eine traurige Stimmung begann sich ihrer zu bemäch- Ligen. Sie fühlte eine Unruhe in ihrem Herzen, die sich nicht bekämpfen ließ. Da kam die Gräfin zurück, zerstreute die Wolken mit ihrem strahlenden Lächeln und setzte sich neben sie. Sie musterte den jungen weißen Körper und sah zufrieden, wie das Blut alle Formen rundete und spannte. Wer schluchzt da unten so?" Ein junges Bauernmädchen, Rusidda. Ihre Mutter ist gestorben." Die Arme!" Das ist die Ordnung der Nawr. Aber willst Du nicht ein wenig ruhen? Ich ruhe des Nachmittags auch. Dann speisen wir zusammen hier, wir beide allein. Du brauchst nicht mit all den Fremden zusammenzutreffen und heute Abend siehst Du Angclo. Komm, Du kannst nach der Reise ein wenig Ruhe brauchen. Leg Dich aufs Bett. Du siehst, es ist breit genug für uns beide. Die Gräfin zog die dunklen Gardinen ganz vor. Halb- dunkel fiel über das Gemach. Nimm die Decke, wenn Du willst." In dieser Hitze? Ich liege sonst ganz nackt auf dem Bette." Ich auch." Aber es ist vielleicht nicht passend." Unsinn, Kind! Wir beide!" Die Gräfin entkleidete sich und wusch sich mit einem großen Schwamm: dann legte sie sich zu Assunta, ein wenig atemlos, während das junge Mädchen mit dem Beobachtungs- vermögen eines Kindes jeder Bewegung folgte. Einen Augen- blick lagen beide stumm. Erzählst Du mir nichts von Angelo?" begann die Gräfin.Ist er süß?" Er ist so, daß ich entweder mit ihm leben oder ohne ihn sterben muß. Darum kam ich." Und wenn er nun verlobt wäre?" So würde ich hier unten sterben." Die Gräfin ging leicht über die Antwort hinweg und fragte rasch: Hast Du ihm angehört?' Assunta schwieg. Wie kam es? T>« weißt, mir kannst Du alles ver- trauen. Wie kam es?" Wie es kam? O das war an einem Abend. Du weißt, wir wohnten in Via Gregoriana  . Ich hatte ihm ver- kprochen, beim Tor zu warten, nachdem Mutter zu Bett ae- gangen. Er kam von draußen. Wir gingen zum Monte Pincio   hinauf. Die Gittertüre war längst versperrt. Wir gingen unter den Steineichen vor der französischen   Akademie auf und ab. Es war im vorigen Frühling. Der Mond schien. Wir sprachen nicht sehr viel. Zuletzt setzten wir uns auf die Steinbrüstung über der spanischen Treppe. Wir sprachen zuerst von den Laternen in Via Condotti  . Aber mit einem Male küßte er mich und ich küßte ihn und er sagte, er könne nicht ohne mich leben. Dann wollte er heim. Aber ich bat ihn, wir möchten noch lange, lange umhergehen. Es waren gar keine Menschen da und alles so still, so still! Als wir dann heimkamen, nahm er mich mit auf seine Stube und so kam es." Gräfin Lucia lag niit halboffenen Augen und hielt Assuntas Hand in der ihren. Nun begann sie zu fragen. In die geheimste Kammer wollte sie dringen. Und das Kind antwortete. Ließ sich Schritt für Schritt weiter drängen. Lieferte die geringste Einzelheit aus, wie sie in ihrem Sinn eingebrannt stand. Sowie die Gräfin Rusidda ausgeforscht, so forschte sie nun in Assunta. Nun kannte sie ihren Jungen in den verborgensten Äeußerungen seines Wesens. Und das befriedigte sie.... Eine halbe Stunde später stand der Tisch im Schlaf» ziinmer gedeckt. Die Gräfin speiste allein mit ihrem jungen Gast. Während des Speisens gab sie Assunta Bescheid über das Programm des Abends. Wir haben das Haus voll von Gästen", sagte sie.Auch alle Hotels sind voll. Sie haben in den leeren Gefängnis- zellen Gastzimmer einrichten müssen. Ich habe auch für Dich ein Zimmer bestellt. Dorthin wird Angelo heute abend kommen und Dich treffen. Ihr habt natürlich das und jenes miteinander zu sprechen und nichts dagegen, ein wenig allein zu sein?" Aber geht das an?" Es ist ja früher auch gegangen. Und niemand soll es erfahren. Nicht einmal sein Vater soll es wissen. Wir Frauen verstehen uns besser auf die Wünsche der jungen Leute!" Du bist so gut!" Assunta fühlte sich ein wenig schwer, aber sie ließ sich verleiten, den Wein zu kosten und wurde mutwillig wie ein Kätzchen. Nach Tische wurde Kaffee eingeschenkt, und zwei Lehn- stühle wurden hereingebracht. Die Gräfin fragte und fragte. Bald gab es keine Falte in Assuntas Herzchen, die sie nicht bloßgelegt hatte. Es war Dämmerung, als Pamfo in das Schlafzimmer geführt wurde. Die Gräfin mußte beim Anblick des aufgeputzten Gau  » ners selbst lächeln. Er trug wieder einen von den abgelegten Anzügen des Grafen, der an der wenig martialischen Figur des Trägers da und dort ein wenig schlotterte. Die Gräfin stellte vor:Herr Tardini, der Dich zu dem improvisierten Hotel bringen wird. Herr Tardini   ist ein guter Freund unseres Hauses." Pamfo verbeugte sich tief und rankte sich wieder empor, um die Falten seines Anzuges nach Möglichkeit auszufüllen. Assunta küßte die Gräfin zum Abschied und folgte Pamfo fröhlich hinab. Unten auf dem Korso hielt ein geschlossener Wagen, in den sie einstiegen. Sie mußten Schritt für Schritt fahren. Auf der Straße gab es immer noch Gedränge und Lärm, Schreien und Singen: die Bauern strömten hinaus gegen die Piazza bell' indipendenza. Alle Häuser waren illuminiert, der Play selbst aber war ein einziges Lichtmecr, und die anstoßende Anlage, Villa Garibaldi, am Alltag öde und verlassen, war heute ein strahlender Feengarten, der alles an sich lockte. Die ganze Stadt war auf den Beinen. Selbst junge Mäd» chen, die alle anderen dreihundertvierundsechzig Tage des Jahres eingesperrt in ihrer Stube saßen, durften an diesem