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Kulturwanderung in Klimatischen Wenderungen. Die Wüste rüdt taran ist nicht zu zweifeln gegen das Mittelmeer vor. Alte Flußläufe sind vertrocknet; mächtige Ruinen, halb bergraben im Sand, sind stumme Zeugen entschwundener Pracht. Und sollte das noch zu Cäsars Zeiten unwirtliche Klima von Deutschland nur historischen Bedingungen seinen heutigen Zustand verdanken? Sicherlich spielen hier auch andere Faktoren eine Rolle: Die Erde ist noch dabei, sich von den Schrecken der Eiszeit zu erholen. In borzüglicher Weise hat die Eiszeit zur Differenzierung der Menschheit beigetragen. Sie war der Ansporn zu erhöhter Tatkraft, zu reicherer Muskel- und Geistestätigkeit, der Durchgangspunkt zur Kultur. Sie ist die Geburtsstunde der Kulturmenschheit.
Aber nicht nur für den förperlich- geistigen Aufschwung der Menschheit ist die Eiszeit von Bedeutung geworden: die fruchtbare Lockere Erdschicht, die heute den lebendigen Fels weiter Gebiete bedeckt, zum Teil deren landschaftlichen Charakter bestimmt, und in der die gesamte Kultur wurzelt und blüht, sie ist wesentlich das Resultat der eiszeitlichen Maffentransporte, mögen diese nun durch Gletscher, Wasser oder Winde erfolgt sein. Liefern uns die älteren geologischen Perioden Kohle und Salz, so spendet uns das Diluvium mehr als jeder andere Untergrund Korn. Es ist nicht unmöglich, daß die Erde zu Ende der Tertiärzeit eine gewisse Müdigkeit und Erschöpfung zeigte. Die Umhüllung mit fruchtbaren Ablagerungen ist eine Art Verjüngungsprozeß. Unter diesem Gesichtspunkte würde sogar der Gedanke an eine Periodizität der Eiszeiten in Ansehung der Zukunft seine Bitterfeit verlieren. Eine fünftige Eiszeit wäre allerdings gleichbedeutend mit einer teilweisen Bernichtung und beträchtlichen Einengung der Kultur, dann aber könnte aus dem jungfräulchen Boden neues Leben erblühen. Dr. J. W.
Kleines feuilleton.
Hygienisches.
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die Fliegenplage in ben gemäßigten Klimaten selten. Man hat nun versucht, die Fliege sogar als ein nübliches Haustier" hinzu. stellen, weil sie angeblich bei ihrem Umhernaschen auf den ber schiedensten Speisen Bakterien vertilgen sollte. Dies dürfte in teiner Weise richtig sein. Es ist vielmehr anzunehmen, daß die mikroskopischen Organismen lebend den Verdauungstraft der Fliege passieren und daß das„ Umhernaschen" nur dazu beiträgt, sie rasch zu verbreiten. Man hat daher die Fliege vom hygienischen Standpunkte grundsätzlich als ein Scheusal zu betrachten. Die Gefahr, die sie bedeutet, liegt einmal im Vorhandensein von infizierenden Bentren, zu denen Fliegen Zutritt finden, und in der Leichtigkeit einer darauffolgenden Berührung mit Menschen oder höheren Tieren. Da vornehmlich typhöse und Darmerkrankungen in Betracht kommen, so ist in erster Hinsicht ein hygienischen Anforde rungen entsprechendes Kanalisations- und Drainierungssystem von größtem Belang. Ebenso ist die rasche Vernichtung tierischer Kadaver, die mit Keimen ansteckender Krankheiten durchsetzt sind, außerordentlich wichtig. Solange die Körper toter Tiere unzer stückelt sind, ist die Gefahr einer Krankheitsübertragung durch darüber triechende Tiere nicht allzu groß. Sobald aber die Unter suchung eine bedenkliche Infektion festgestellt hat, muß sofort zur Vernichtung der Ueberbleibsel mittels Feuers oder zum Vergraben in hinreichender Tiefe geschritten werden. Jedenfalls wird die Erkenntnis der Gefahr auch dazu beitragen, die Vorsicht im Hause zu erhöhen. Es ist sicher nicht unbedenklich, Speisen und Speisereste den Fliegen preiszugeben. Und wenn auch die Gefahr nicht übertrieben dargestellt und aufgefaßt werden soll, wird doch die Fürsorge nach dieser Richtung in manchem Falle schlimmen Folgen vorbeugen können.
Archäologisches.ne
Das Wikingerschiff von Oseberg. Der Direktor des Altertumsmuseums von Kristiania , Gabriel Gustafson , hat soeben der Pariser Akademie der Inschriften eingehenden Bericht erstattet über einen außerordentlich interessanten Fund, der kürzlich in Norwegen gemacht wurde. Die alten Wikinger pflegten bekanntlich ihren Toten in einem Schiffe ihre lette Ruhestätte zu geben, das dann nahe der Meerestüfte vergraben und mit einem hohen Hügel bekrönt wurde. Diese Begräbnisstätten, die stets unter feierlichen Zeremonien errichtet wurden, finden sich besonders zahlreich am Fjord von Kristiania . Die kleineren Grabschiffe find meist durch die Erde und die Einwirkung der Zeit zerstört, und nur die erhaltenen Nägel und Metallteile gestatten Rückschlüsse auf die Dimensionen der Fahrzeuge. Allein bisweilen, wenn die Erde des Grabhügels der Konservierung besonders günstig ist, wenn fie blaue Tonerde enthält, findet man noch mehr oder minder größere Teile, die gut erhalten sind und die Jahrhunderte überdauert haben. Einer der bedeutsamsten Funde dieser Art ist jetzt auf dem Gute Oseberg, in der Nähe von Tonsberg, etwa vier Kilometer vom Meere entfernt, gemacht worden. Schon bei Beginn der Ausgrabungsarbeiten bemerkte man mit Ueberraschung, daß die beiden Enden des Schiffes, der Vorder- und der Hintersteven, reich mit prachtvollen Stulpturen verziert war, und im Verlaufe der weiteren Arbeiten fand man eine Fülle sehr interessanter und außerordentlich schöner Antiquitäten bisher unbekannter Formen, die durchweg mit einer überraschenden Eleganz und Anmut gearbeitet waren. Ueber der Mitte des Schiffsrumpfes, unmittelbar hinter dem Großmast, war das Totenzimmer errichtet; es zeigte sich bald, daß dieses in früheren Zeiten von Räubern heimgesucht worden war. Der größte Teil des Inhaltes war entführt, und deutlich gewahrte man noch die Spuren der Arthiebe in der Seitenwand des Schiffes und die Bahn, die die Plünderer sich geschaffen hatten, um ins Innere einzudringen. Unter den Trümmern und in dem Totengemach fand man menschliche Gebeine. Es waren die Reste zweier weiblicher Stelette, wahrscheinlich einer angesehenen Frau, der das Schiff als Grab diente, und einer Sflavin, die, dem Brauch der Zeiten folgend, die Herrin in den Tod begleiten mußte. Eine reiche Auswahl weiblicher Gebrauchsgegenstände, Spinn- und Webegeräte, ja sogar noch Wellreste und Wachs fielen den Forschern in die Hände. Unter anderem fand man einen vierräderiget Karren, bier Schlitten, mehrere Lagerstätten, einen Schleifstein, Küchenutensilien, Solzkübel und Eimer, große Eichentruhen, die noch allerlei Gerät enthielten, Sloffrefte und sogar noch Federn und Eiderdaunen, die den von der Zeit vernichteten Kissen und Bolstern entstammten. Besonders interessant war ein runder Stamm, reich mit Runen( Schriftzeichen) bedeckt. Auch ein völlig erhaltener Anker wurde gefunden und große Anhäufungen von Tiergebeinen, Pferden, Ochsen und Hunden, die bei den Leichenfeierlichkeiten geopfert wurden, und deren Reste teils in, teils außerhalb des Schiffes ihren Platz fanden. Vor allem überraschte die Fülle an ornamentierten Gegenständen; eine große Zahl ist von ganz hervorragender Schönheit und zeigt eine Relieforra mentit, deren Motive vorwiegend der Tierwelt entlehnt sind. Die Mehrzahl der Gegenstände ist in Rotbuche gearbeitet, bisweilen in noch weicheren Holzarten; um ihre Erhaltung zu sichern wird eine langwierige und sorgsame Behandlung erforderlich werden. Nach ter Ansicht von Gustafson muß man das Wifingerschiff auf Grund seiner Form und der Ornamentit der Zeit gegen 800 zuweisen; elf Jahrhunderte also hat es in dem Grabhügel gelegen, ohne der Vernichtung anheim zu fallen.
Der Arzt und die Fliege. Bor noch gar nicht langer Beit wäre man in Versuchung geraten, eine Ueberschrift Der Arzt und die Fliege" für den Titel einer lehrreichen Fabel zu halten, die irgendeine Moral durch die Gegenüberstellung dieser beiden anscheinend schwer in Beziehung zu sehenden Wesen zu verkörpern fuchte. Heute weiß man sehr wohl, daß die Fliege und viele ihrer Verwandten aus dem Infektenreiche für die ärztliche Wissenschaft eine ganz außerordentliche Wichtigkeit besitzen und als Vermittler bieler gefährlicher epidemischer Krankheiten eine Rolle spielen, von der man sich noch vor wenigen Jahren nichts träumen ließ. Seither find brühmte Forscher selbst in ferne Länder gezogen, um dort die Ansteckung durch Insektenübertragung zu studieren und Schutzberfahren auszuarbeiten. Als Vater des Gedankens, daß die Infetten die Gesundheit des Menschen und der höheren Tiere bedrohen, nennt ein Mitarbeiter des Lancet" den englischen Arzt Patrick Manson , der die Ursache der Malariaübertragung in den Mosquitos vermutete. Die Richtigkeit seiner Hypothese wurde dann bald von Roß in Indien und von den Italienern Grassi und Bignami in glänzender Weise erperimentell bestätigt. Bald lernte man die Mosquitos des Gelben Fiebers und der Schlafkrankheit näher kennen, und vi.les deutet darauf hin, daß Fliegen in der Ausbreitung der Bestepidemien eine Rolle spielten. In unseren Gegenden sind glücklicherweise keine Epidemien heimisch, die durch Infekten unterhalten werden. Gleichwohl kommen von Zeit zu Beit heftige afute und in einzelnen Fällen tödlich verlaufende Infektionen vor, die den Titel" Der Arzt und die Fliege" vom Boden der Fabel auf den der allertraurigsten Wirklichkeit verweisen. Aber diese immerhin vereinzelten Vorkommnisse erschöpfen noch keineswegs die gesundheitsfeindliche Tätigkeit der Insekten. Nur zu leicht fann es vorkommen, daß die gefährlichen Keime, die an ihnen haften, auf Speisen abgeladen werden, deren Genuß dann mehr oder minder schwere Erkrankungen nach sich zieht. Daß die allgemein verbreitete gewöhnliche Hausfliege in dieser Hinsicht feineswegs harmlos ist, hat Dr. Buchanan experimentell erwiesen. Schon der anatomische Bau des Fliegenbeines bringt es mit sich, daß Partikelchen der Gegenstände, über die das Tier hinwegtriecht, daran haften bleiben und am anderen Orte wieder abgesetzt werden, namentlich wenn die Fliege in flüssige Nahrungsmittel hineinfällt. Dr. Buchanan hat seine Versuche in der Weise angestellt, daß er Fliegen über Nährböden hinwegt iechen ließ und die sich entwickelnden Bakterienkolonien studierte. Zunächst zeigte fich das erfreuliche Ergebnis, daß die Uebertragungsfähigkeit für Typhus in diefer Weise eine verhältnismäßig sehr geringe ist. Immerhin wuchsen einige Kolonien, wenn direkte Berührung mit den Ausscheidungsprodukten von Typhuskranken stattgefunden hatte. Unter bergleichbaren Bedingungen wurden auch Staphylokokken und Tuberkelbazillen übertragen. Weit leichter te lten sich die Er-| reger anderer Krankheiten mit. Fliegen, die über Kadaver von der Schweinepest oder Milzbrand erlegenen Tieren hinweggekrochen waren, trugen zahlreiche Reime mit sich. Auch die Roßkrankheit wurde auf diese Weise überimpft. Neben den Versuchen Buchanans wiesen auch Beobachtungen im Burenkriege auf die wesentliche Rolle der Fliegenschwärme bei Verbreitung epil emischer Krankheiten unter den englischen Truppen hin. Zum Glück für uns ist Veranim. Redakteur: Georg Davidsohn , Berlin.- Drud u. Berlag: Vorwärts Buchdr. u. Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.