taS wird klar, wenn man flüchtig all die Bilder, die die Ausstellung bietet, vorüberziehen läßt. Hinter dein Bavaria-Denkmal, die Thcresienlviese überschauend, lag ein alter, verwilderter Park. Dieser ist der Mittelpunkt, die Achse der Anlage. Denn nicht die Theresienwiese ist das Gelände für die Snsstellung, sondern der höher gelegene Teil des Ringes, der die Wiese umschließt. So daß nian von hier aus einen wunder- schönen Ucberblick hat, über die flach sich hinbrcitende Wiese, hinter der die Silhouette der Häuser sich hinzieht in einem eigentümlich gelblichen und doch klaren Licht, das für München charakteristisch ist und mit dem Ton alter Stiche Aehnlichkeit aufweist. Wenn die Sonne alle Dinge in Heller Schönheit zeigt, wenn der Mond weich und silbern herabfließt, imnier spüren ivir hier eine eigene Schönheit des Räumlichen, die um so eindringlicher wirkt, wenn hinten am Horizont noch ein weiterer Kranz erscheint, die Berge, die in blauem Dämmer, fern und doch nah, schivinimen.... Dieses natürliche und freie Arrangement ist auch bei der Aus- stellung gewahrt. Nicht auf der Wiese breitet sich lärmend und füllend die Masse der Gebäude. Man wird kaum wahrnehmen, wo die Ausstellung sich befindet. Man sieht höchstens hohe Wimpel mit festlichen Farben vor blauem Himmel. Der Kranz hoher Baum- Wipfel verdeckt die Gebäude. Nur hier und da eine charakteristische Silhouettenwirkung der Fassaden am EingangSteil. Ein einladender Eingang in gefällig geschwungener Form; Kassen und Garderoben ein Hallengang mit weißem Gitterwerk so geschmackvoll angelegt und geordnet, daß eine schöne Raumwirkung' herauskommt und das Praktisch-Notwendige von selbst Schönheit erhält. Im Stil ein wenig Anklang noch an Barock; namentlich die plastischen Gruppen über dem Portal, Kinder mit Blumen, sind ein schöner, dekorativer Schmuck. Ich sagte, daß dieser prächtige Park, dessen Physiognomie durch Ordnung und Anlage eine neue Gestaltung erfuhr, so daß schattige Wege mit alten Bäumen abwechseln mit hell sich dehnenden Wiesen. den Mittelpunkt bildet. Zur einen Seite die Ausstellungshallen; zur anderen der Vergnügungspark; als Verbindung am oberen Ende des Parks, zwischen Vergnügungspark und Ausstellungshallen das Hauptrcstaurant. In diesem Park ergeht man sich mit Behagen, wenn die Augen ausruhen wollen und das Zuviel des Gesehenen die Sinne bedrängt. Hier fällt dann auf, mit welcher Ruhe und Schönheit Kunst und Natur vereint ist. Wie der Stil der Gebäude hier an das behagliche Barock noch zuweilen erinnert, so denkt man bei den Plastiken, die im Grünen stehen, an die Schönheit alter Parks, die zu den Schlössern ge- hören. Hirsche stehen, in graziöser Schlankheit Form geworden, am Eingang eines Weges, der zur Wiese führt. Steinbänke von einfach-massiver Form bilden ein Rondell, in das Tieraruppen von festgefügter Reliefwirkung abwechselnd Gliederung bringen, während davor ein Wasserbecken sich breitet, auf dessen erhöhtem Mittelteil eine Pferdegruppe bewegt aufspringt. So begegnet man wie fern stehen diese grauen, porösen Steinbänke im Grünen Ruheplätzen, die wie absichtlich getrennt sind von dem Lärm der Straße und einer Statue ruhige Schönheit erhöht die Stille dieser Winkel. DieS ist ein erster Eindruck: die zwanglos künstlerische Ver« einigung von Plastik und Natur, die Aufstellung solcher Gruppen. Prachtvoll paßt sich die großzügige Relieferscheinung dieser Schöpfungen an. Und wenn man noch den ruhende»Pan*, die «weibliche Gestalt' vor dem Künstlertheater, den Brunnen vor dem Hauptrestaurant dazuninimt, wo die Plastik durch die Wucht und die Größe des Formalen sich selbst im Durcheinander verwirrender Er- scheinungcn behauptet, dann fpürt man, daß hier das bildnerische Können eine bedeutungsvolle Reife erlangt hat, und daß die Art, dieses Können zur Wirkung zu bringen, auf eine Tradition zurück- blickt. Entgegengesetzt dieser ganz auf daS Künstlerische gerichteten Tendenz zeigen die Ausstellungshallen jenen neuen, ganz auf Sachlichkeit gestellten Stil, der in der Architektur so bedeursam ist, da er endlich erlöst von der prunkvollen Stilimitation der letzten Jahrzehnte. Hier gibt es keine überladene Ornamentik, keinen un- organischen Schmuck. Aus dem Zweck heraus hat der Architekt ge- schaffen. Hallen, AusstellungSgebäude; Gebäude, die nicht selbst die Aufmerksamkeit aus sich lenken wollen, die den Dingen dienen. Daher Vorherrschen des Ranmhaften, der Ausdehnungen. Zu demselben Ziel strebend daS Gefühl für die Werte des Materials. Dieses Material ist Eisen, daS ganz andere Ueberspannungen er- laubt, als es früher denkbar erschien. All das vereint sich zu einer architektonischen Sprache, die ivohl neu, aber nicht fremd ist. Sie drückt das Wollen unserer Zeit prägnanter ans, als Pracht- fassaden mit noch so großer Anstrengung des Details es vermögen, und gerade in dem Verzicht auf alles Falsche, alles Nebensächliche kommt eine Größe heraus, der eine neue Monumentalität eigen ist, deren Wucht wir empfinden.' Der auf der anderen Seite der gärtnerischen Anlagen placierte Vergnügungspark trägt in anderer Weise wieder den Charakter des'Sachlichen. Hier ist alles dem Zweck entsprechend, intim, be- haglich, lustig. Diese Lösung ist interessant durchgeführt. Indem die Formen der einzelnen Gebäude wechseln, bald tempelartig er- scheinen, dann wie Riesenpikze sich breiten, dann wieder steil sich aufrecken in schlanken Dimensionen, kommt eine wohltuende Ab- wcchselung hierin, und da die Farbe hier so entscheidend mitspricht blaue Dächer auf Weißen Mauern, orange Kuppeln, grüne Wölbungen, ein Dach wie ein Riesenhut ergibt sich ein Ganzes von lustigster Erscheinung, die aber nie die Grenze überschreitet, jenseits deren das Künstlerische aufhört. Man kann die Existenzberechtigung eines Vergnügungsparks überhaupt leugnen. Aber man wird zugeben müssen, daß dieses Problem jedenfalls hier in einer neuen und eigenen Weise gelöst ist. Wenn man diese drei Gebiete vergleicht, die Parkanlagen mit den Plastiken, die Ausstellungshallen, den Vergnügungspark, so wird man empfinden, wie in jedem Falle eine neue Prägung versucht und erreicht ist; aber ein Gemeinsames umschließt diese verschiedenen Lösungen, die bald ernst-sachlich, feierlich-künstlerisch und intim-lustig sind: sie sind alle aus dem Zweck heraus sinngemäß gestaltet. Das ist das Imponierende. Mit der Architektur hängt die R a u m k u n st anfs engste zu- sammen. Es gehen Verbindungsfäden von einem Gebiet zum andern. Dieser Raumkunst ist die Münchener Ausstellung zum großen Teil gewidmet. Das allgemeine Charakteristikum dieses Stils ist: Intimität. Es ist jede Phrase, jeder unnötige Prunk vermieden. Es ist auch jener Zug ins Große vermieden, für den unsere Zeit scheinbar noch nicht den Ausdruck gefunden hat. Dafür sehen wir eine überraschende Sorgfalt in den Einzelheiten, ein liebevolles Bedenken des Details, das dennoch nie überwuchert, kurz, daS Wohnliche ist diesen Räumen deutlich aufgeprägt. In diesem Stil sind Bierhallen, Restaurants, Cafäs ausgestattet; die Halle für Lebens- und Genußmittel bildet mit ihrem kleinen, intim gestalteten Hof, ihrer Folge von reizvollen Zimmern, die von Prof. Riemcrschmied entworfen wurden, die Fortsetzung, und überall trifft man auf die Betätigung dieses Geistes, der aus wohlbedachter Sachlichkeit Schönheit der Erscheinung holt. Diese Note ist so offen- sichtlich allen Interieurs aufgeprägt, daß man ihrer kaum noch achtet und sie als selbstverständlich hinnimmt. Doch fühlt man immer das Wohltuende dieser Umgebung, das den Sinnen schmeichelt, ohne sie zu erregen. Den Höhepunkt dieser Avteilnng bilden die Räume der beiden Werkstätten, der Vereinigten Werkstätten und der Deutschen Werkstätten. Der Künstler der Vereinigten ist Bruno Paul ; bei den Deutschen Werkstätten interessieren am meisten Niemeyer und Riemer» s ch m i e d. Die deutschen Werkstätten streben zu jenem Wohn- lichkeitScharakter, der den Zimmern Ricmerschmieds, der mit der Bauernkunst Berührung wahrt, so wesentlich eigen ist. Eleganter ist N i e m e y e r, der nebenbei noch ein vorzüglicher Maler ist und daher für seine Interieurs einen ausgesprochenen Zug zum Malerischen mitbringt, der sich in den äußerst delikaten Farben- Harmonien seiner Räume ausspricht. Die Vereinigten Werkstätten zeigen sich ganz auf der Höhe. Die Marmorhalle von Bruno Paul ist etwas ganz Großes, Eigenes. DieS ist Großartigkeit, Vornehmheit. Monumentalität, die nie über die Grenzen des Jntim-Räumlichen hinausgeht und doch in jeder Nuance Luxus und Reichtum bekundet. T h. T h. Heine schlägt in seinem ganz auf Gelb und Orange gestimmten Zimmer neue Töne an. Die Wärme dieser Farben wirkt außerordentlich wohltuend. Neben diesen ist als Naumkünstler Hohlwein zu nennen, der viel mit der Industrie arbeitet; in dieser Beziehung für München eine einzige Erscheinung. Er hat für den großen Bazar Schüssel eine Halle entworfen, ganz in Violett, Schwarz und Weiß, in der die mannigfachen Gegenstände fein zur Geltung kommen. Als Jnnenarchilekt ist auch V e i l zu nennen, der eine ausgesprochene Neigung zum Eleganten hat. Er hat in der Abteilung Konfektion die Interieurs geschaffen; hellgelb mit orangeseidencn Vorhängen. Der Vornehmheit der Erscheinungen ist hiermit ein distinguierter Rahmen geschaffen. Ins Kraftvolle steigert sich diese Raumkunst in den Räumen, die dem Sport gewidmet sind. Ueber diesen Hallen waltet ein neuer Geist, der aus dem Sachlichen Schönheit formt. Eine große Gebärde ist dieser Raumgliederung eigen, die jede Re- nommistcrei vermeidet und doch den von verschiedenen Firmen ausgestellten Dingen vollkommen gerecht wird. Eine freie, zuversichtliche Schönheit. Nichts ist zuviel in diesen Hallen. Eine strenge Architektonik bannt die Formen zu einer sachlichen und ein- heitlichen Sprache. In Tannenholz die Halle für Alpensport. Weiß leuchtet der Raum für Wintersport mit Schneelandschaftcn. Auch die Art, wie hier die Dinge zur Geltung gebracht sind, ist vorbildlich. Keine Anhäufung. Das Einzelstück wirkt durch feine Güte. Indem der Raum vorherrschend bleibt, die Gegenstände sich in Nischen und Kästen geschmackvoll aufgestellt sammeln, geht beides, Raum und Gegenstand, harmonisch zusammen. Gerade dadurch, daß die Sachen zurücktreten, ziehen sie die Aufmerksamkeit auf sich, die Qualität überwiegt, nicht die Quantität, wie es leider sonst in industriellen Ausstellungen der Fall ist, wo die Fülle locken soll, die Masse herrscht. Ein neues Prinzip tritt hier auf, das rückwirkend auch die LSdcnanSgestaltuna, das Schaufenstcrarrangement beeinflussen wird und gutzuheißen ist, da die Qualität damit verfeinert wird. Diese Dinge der verschiedenen Sports haben alle eine gemein- same Note, die Note der Sachlichkeit. Das ist ihnen so offensichtlich aufgeprägt, daß man von einem Stil reden kann, wie man von einem Maschinenstil geredet hat. Ein Stil der Sachlichkeit, Zweck- Mäßigkeit. Materialschönheü prägt hier die Form zusammen mit dem Zweck. Alles andere ist Nebcrfluß und wirkt störend. Indem diese Dinge ihren eigenen Stil haben, prägen sie ihn auch den Hallen auf, in denen sie zur Schau kommen. Und rückwirkend beeinflussen sie auch die Menschen.' die diese Sports ausüben. Man sieht