Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 151.

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Mafia.

Freitag, den 7: August.

( Nachdruck berboten.)

Roman aus dem modernen Sizilien von Emil Rasmussen. Belcaro war nicht mit von der Gesellschaft. Er hatte allmählig Pinna so satt bekommen, daß er ihn nicht einmal mehr zum Narren zu halten vermochte. Dagegen war er in die Klauen eines Kapitäns gefallen, dessen Gast er den vorigen Abend gewesen war. Er hielt alle Offiziere für Idioten und atmete daher erleichtert auf, als er ihn an einen Kollegen abladen konnte Sierauf zündete er eine Bigarre an, steďte je einen Daumen in je eine Westentasche und be: gann die ganze Pfefferbaumallee auf- und abzugrübeln. Er sollte eine Sammlung Gedanken" als Hochzeitgabe zu der nahebevorstehenden Vermählung seines Bruders liefern, und da ihm noch an drei Bogen fehlten, war er genötigt, in dieser Zeit weit häufiger zu denken als gewöhnlich. Man sah ihn -unter wachsendem Respekt- seine Wanderungen unter brechen, um fich auf eine Bank niederzulassen und seinen letzten Fund zu notieren. Darüber vergaß er doch keines wegs sein Amt als Tarator der weiblichen Schönheit, als der Mann, von dessen Urteil die Hausse und Baisse der weiblichen Aktien in erster Linie abhingen. Er war sich der Macht be­wußt, den ganzen Strom auf ein weibliches Wesen hin­zuleiten und demselben eine in menschlicher Eitelfeit be gründete geradezu epidemische Anbetung zu sichern, während feine Zunge gleichzeitig die einer bisher unangetasteten Rö­nigin gestreuten Blüten im weiten Umkreis verdorren und welfen ließ, so daß ihr Herrscherthron sant, und jedermann sich nunmehr schämte, unter ihren Verehrern genannt zu werden. Jawohl, er kannte diese seine Macht, die ihn ge­fürchtet und dadurch geliebt machte, kannte diese Eitelkeit, die er selbst berachtete, und dehnte fie nun aus zu einem ganzen kleinen Stück sizilianischer Volksperspektive er war überhaupt ein Freund der weitreichenden Ausblicke. Er ließ fich auf eine Bank nieder und fing an, seinen Gedankenfund in zierlichen florentinischen Wendungen auszustiden, bis er bet dem Worte ,, Gängelband" innehielt. Teufel, daß er nicht darauf kommen konnte, wie das auf gut toskanisch hieß. Er mußte Diambra fragen, die in den florentinischen Wen­dungen so gewandt war. Während er seine lange Mela­crino zwischen den Zähnen wippte und auf seine Stiefelspitzen starrte, wurde er jedoch durch zwei Männer, die auf ihn zu traten, aus seinen Grübeleien gerissen.

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Vor ihm stand der kleine nipsartige Baron Sellero mit seinem gelben Bergamentgesicht, pflanzte ihm seine faueren Fischaugen ins Gesicht und medkerte, er erlaube sich hier den berühmten Virtuosen Ficarotta aus Palermo   vorzustellen, der ihm von angesehenen Freunden in dieser Stadt emp­fohlen worden sei.

1908

Ich habe an Sie beide gedacht! Es ist kein Nachteil, so viele Kräfte wie möglich zu haben. Baronesse Sellero hat schon versprochen, Harfe zu spielen. Fräulein Villafranca, die Tochter der Oberstin, hat zugesagt, die Violine zu über­nehmen. Contessina Di Majo will singen. Und ich habe Empfehlungen an Marchesa La Greca. Ich hoffe auch, Mar­- ich habe sie in Palermo   beim chefina Lidda zu gewinnen Fürsten von Ficizza spielen gehört." " Das tut sie gewiß nicht aber es ist ja immerhin eine schöne Leporelloliste. Es fehlt Ihnen nur noch der Graf mik feiner Flöte." das Amüsanteste, was er je gehört. Der kleine Baron verzog sein Gummigesicht, als sei das das Amüsanteste, was er je gehört.

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Sie gingen hin und fanden Lo Forte, der allein stand, die Hände in den Taschen und der Musik lauschend, die eben den letzten Akt aus La Tosca spielte. Er war nervös, voll vorsichtiger Vorbehalte, hatte die größte Lust, Nein zu sagen wollte jedenfalls noch nichts versprechen. Der Baron und sein Schüßling nahmen Abschied.

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Lo Forte schlenderte mit Belcaro die Allee hinauf. Sie begegneten der Frau des Kapitäns, bei der letzterer den Abend zuvor zu Gast gewesen. Sie grüßte, die Augen am Erdboden, mit jener gefühllosen Stälte, mit der die fizilianische Gattin ihre eheliche Treue auszustellen liebt. Das Gespräch kam auf den Musiker. Riecht er nicht?" fragte Belcaro.

a, buchstäblich."

" Die Reflame, die er mit dem selbst angenommenen unsauberen Namen treibt, ist jo auch äußerst fein!"

,, Besonders einnehmend! Uebrigens habe ich ihn an einem der ersten Tage meines Hierseins bei der Gräfin gesehen; aber er wurde nicht vorgestellt und reiste wohl am selben Tage wieder ab." ,, Hoho! Ja, es ist deutlich genug, daß er bon Empfehlungen lebt."

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Das Wort Mafiusu brannte ihnen beiden auf der Bunge, ohne daß einer von ihnen wagte, es auszusprechen. Das Gespräch stockte, aber ihre Gedanken gingen dieselbe Bahn.

Das Konzert war vorbei, aber es war noch immer lebhaft auf der Promenade. Die kleinen Mädchen aus den ver schiedenen Nonnenschulen famen in langen Reihen, zwei zu zwei, dahergewandert, alle gleich gekleidet in weiße oder blaue eleider. Nonnen vor und hinter ihnen wachten darüber, daß diese Püppchen den richtigen Damenanstand wahrten.

Junge Mädchen spazierten Arm in Arm einher und er. zählten von ihren Eroberungen unter den Fremden, während sie allmählich den heimischen Anbetern wieder Aufmerksam feit zu schenfen begannen und sich von all den suchenden leidenden und siegesgewissen Blicken füssen   ließen.

Belcaro schlug ein ausgelassenes Gelächter an, als er den Ernst sah, mit welchem der zimperliche kleine Baron den Namen des Virtuosen, der eine so zynische Bedeutung hatte, Das Gerücht von dem bevorstehenden Konzert begann gleichsam zwischen den langen Kaninchenzähnen hervorspukte. durchzusichern und verlieh der matten Stimmung einen An­Der neben ihm stehende Virtuos, rundgeschoren, blatter- durchzusichern narbig und im übrigen einem kleinen dicken Schmiedegesellen alles Interesse sich in einem Punkte fammelte, als Belladonna flug von Spannung. Dennoch war die Luft so schal, daß nicht unähnlich, brachte grinsend die stereotype Bemerkung in Gesellschaft seines Vaters, des Barons von Favara  , auf vor, die er, so oft jemand zum ersten Male seinen Namen der Promenade erschien. Selbst unter den zahlreichen ins Gesicht geschleudert erhielt, wortgetreu abzuliefern Priestern entstand eifriges Geflüster. Don Gerlando wurde

pflegte.

Uebrigens ist dies natürlich nur mein Rünstlername.

Ohr! Man behält ihn!"

Ich bin Bronte getauft. Der andere Name aber fällt ins Sehr richtig!" bemerkte Belcaro brüst, den Musikus un geniert von oben bis unten musternd.

Professor Ficarotta wollte Sie bitten, bei einem Stonzert mitzuwirken, das er zu geben wünscht", leitete der Baron   ein. Die Stadt hat eben Besuch und viele Ausgaben gehabt. Es wird niemand zu dem Konzert kommen. Ich würde Ihnen sehr abraten."

Herr Ficarotta hat Empfehlungen- an die besseren Familien der Stadt!"

,, Aha! Sie haben Empfehlungen! Sa, dann hat die Sache ein ganz anderes Gesicht. Dann ist der Erfolg ja im boraus gesichert. Aber ich möchte Ihnen Ingenieur Lo Forte empfehlen. Er spielt viel besser als ich."

glühend rot.

Der alte Belladonna erinnerte in seinem Aeußeren

einigermaßen an einen Polizeimann. Was man vor allem fab und behielt, waren die scharfen Augen tief unter dem Stirnbein und den grauen Brauen, die sich mit einer Art von Drohung auf jedermann hefteten. Eine Atmosphäre von Macht entströmte der ganzen breitschultrigen Hünen­gestalt mit dem starken, blutreichen Gesicht. Niemand hätte ihr wenn man etwa von der aristokratisch gebogenen Nase absah- an der Eristenz des blassen, aufgeschossenen Jüng lings an ihrer Seite irgendeinen Anteil zugetraut.

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Man erinnerte sich des Zusammenstoßes zwischen den jungen Rivalen, und alle errieten, daß der alte Baron ge­ommen war, um seinen Sohn der sicheren Nache zu ent ziehen.

Sie blieben auf der Promenade, bis die Sonne unter