.Wer" und nun erschien wieder das Lächelneigentlich war unser Gesprächsstoff noch nicht erschöpft. Nicht wahr, Herr Pastor? Wir wollen uns den Fall einmal ausdenken: Der recht- lich für tot Erklärte kommt wieder und findet seine Frau kennen Sie sie genauer?" unterbrach er sich.Nun ja. natürlich kennen Sie sie. Nicht wahr, ist das eine prächtige Frau?... Nehmen wir also an, er kommt wieder und findet einen anderen im Besitze der ehelichen Gewalt... WaS dann?" Der Pastor fühlte sich durchschaut und grämte sich nicht mehr darum. »Ja, was dann?" wiederholte er. »Das ist so ne Sache." Der alte Herr schüttelte sein graues Haupt.»Wenn ich erkläre: Ganz bestimmt weist unser Recht nicht, wer der wirkliche, der gültige Ehemann ist, so haben Sie natürlich Neigung zu sagen: Unglaublich I Nach gewöhnlichem Menschcnver- stand ist es wirklich unglaublich, dast die Gesetze uns bei solcher Frage im Stich lassen. Aber was ist unser Recht? Gesetze das, was man gemeiniglich unter Gesetz versteht, haben wir wenige, das meiste ist Gewohnheitsrecht, im wesentlichen aufgebaut auf der Theorie römischer Rechtsgelehrter." 'äN« Herren rauchten, in der Mitte der Zimmerhöhe schwebte der Zigarrendampf als Wolke. Der Rat fing an, aus und ab zu gehen und zerstörte die semgelagerten Schichten« sFortsetzung folgt.) jfofef Olbrlcb f Von Ern st Schur. Wieder ist einer der Führenden dahingegangen. Vor kurzem starb Leistikow, der Gründer der Sezession, der talentvolle Maler der modernen Landschaft. Nun hat der Tod in den Reihen der kunstgewerblich Schaffenden eine empfindliche Lücke gerissen: O l b r i ch. die Seele der Darmstädter Künstlerkolonie , starb am Sonnabendabend plötzlich; auch er, in noch jüngeren Jahren als Leistikow, auf der Höhe des ManneSalters, 40 Jahre alt. Es war etwas Problematisches in ihm, ein Dualismus. Seine moderne Seele hatte das Empfinden für die Schönheit des Technischen, die Eleganz der Maschine. Aber er hatte das Gefühl bewahrt für die reichen Formen vergangener Stile, er ahmte sie nicht nach, aber ihre Sprache war ihm vertraut. Im Innern träumte er verborgene Träume von dem Erwachen eines neuen Schönheitsstils, der Notwendigkeit und Schmuck, Sachlichkeit und Ornament verschmolz, der modern war, aber doch reicher als alle die gegenwärtigen Versuche, die ihm nur Behelfe waren. Ent- scheidende Anregungen hatte Olbrich wohl von Wien auS mit- bekommen. Oesterreichcr von Geburt(er ist am 22. Dezember 1867 zu Troppau im österreichischen Schlesien geboren), besuchte er die Wiener Akademie und kam dann in die kunstgewerblichen Strömungen hinein, die ihn dann ganz gefangen nahmen. Diese Kultur Wiens hat bestimmend auf ihn eingewirkt. Wenn manch- mal das Schmuckvolle überwog und in reicher Phantastik die Sprache des Ornaments die einfach-sachliche Form übertönte, so werden wir die Veranlassung in diesemWienerschen" suchen müssen. Dieses Weiche. Lässige, Reiche gab auch seiner Kunst zuerst den Stempel. Unleugbar eine graziöse Kunst voll eigener Schönheit. Hier lernte Olbrich das, was wenig Künstler lernten: daß auch das reiche Material, Gold, Edelsteine, seinen Stil hat. Er spürte ihn und mit Vorliebe schuf er solche phantastisch reichen Entwürfe, in denen alles ein Spiel der Laune und Schönheit war. Dann aber kam er in strengeren Formen der Architektur hervor. Die Raumkunst kam aus dem Tastenden heraus und suchte das Architektonisch-Einfache, Großzügige auszubilden. Mit einem Takt spürte Olhrich diese Entwickelung heraus und machte ein Talent ihr dienstbar. Hier gelang es ihm. zur Größe zu ommen. zur Ruhe. So graziös, so reich und fein seine Einzel- entwürfe für kunstgewerbliche Gegenstände waren, so großzügig, ja monumental waren seine Bauten. Hier reinigte er sein Stil- empfinden von allem Ueberwuchcrnden und stellte die große Form hin, befreit von aller Kleinlicksteit. Alles Schmückende, Reiche ist hier eingegangen in die Sprache, den Ausdruck des Materials, dem es dient. Die besten Schöpfungen Olbrichs sind die, die gleichsam diesen Dualismus seiner Natur, das Architektonische und das Schmückende, die Form und das Ornament, zum Ein- klang bringen, was ihm in den letzten Jahren immer krafwoller gelang. Wenn mancher Kritiker an den Schöpfungen der modernen Raumkunst und des Kunstgewerbes die Abwesenheit des Schmücken- den, das allzu rigorose Zurückgehen auf einfache Grundformen rügt, so ist Olbrich gerade dadurch bedeutsam gewesen, daß er in- sofern die Schönheit des alten Kunstgewerbes weiterbildet, als er dem Malerischen, Schmückenden mehr Raum gönnt. In Wien schuf Olbrich das Ausstellungshaus der Sezession. das in seiner Erscheinung so typisch modern anmutet und damit zugleich die einheimische Note, das graziös Wienerische, verbindet. Dann kam Darmstadt . Das Ernst-Ludivig-Haus und die drei Häuser auf der Mathildenhöhe. Die bedeutsame Erweiterung seiner Kunst, die hier vor neue und wichtige Prohleme gestellt war. Die Erweiterung des Kunstgewerblichen. Die Anpassung der Raumkunst an das bestimmte Problem des Privathausbaues.. Für die Ausstellung in St. Louis entwarf Olbrich ein hessisches Wohnhaus, dessen Lösung insofern allgemein interessiert, als Olbrich hier ganz einfach geworden war, zeigte, daß er auch bei geringen Kosten das Künstlerische und das Praktische geschmackvoll zu vereinen wußte. Für die Kölner Kunstausstellung 1906 baute er den Frauen» roscnhof: hier war er wieder ganz exklusiv, apart und romantisch» das Ganze war ein Gebäude ohne Zweck, aber es hatte gerade damit in seinem Stil eine graziöse Phantastik. Zu großen Aufgaben steigerte sich sein Können in den letzten Jahren. Der Entwurf zu dem Baseler Hauptbahnhof war nach allgemeinem Urteil eine imponierende Leistung; monumental und reich; modern und großzügig. Alle seine Fähigkeiten aber konnte er in der großen, letzten Aufgabe konzentrieren: dem Bau des Tietzschen Warenhauses in Düsseldorf . Damit war Olbrichs Können vor eine neue Aufgabe monu- mentalsten Stils gestellt und es hatte Mühe gekostet, ihm diesen Auftrag zu sichern. In Düsseldorf hatte man eine starke Gegner» schaft zu überwinden. Es konkurrierte eine Anzahl von Künstlern, die schließlich alle ein gutes Können in die Wagschale zu legen hatten. Am stärksten aber war der Widerstand der Alten, der Akademiker. Und da es allen offenbar war, daß es sich hier um eine Aufgabe allergrößten Stils handelte, regten sich die Stimmen für und wider. Der beste Bauplatz inmitten der Stadt stand zur Verfügung. Es sollte etwas werden, das Düsseldorfs schlechten Ruf in bezug auf moderne Architektur wiederherstellen sollte. Es gelang schließlich, Olbrich durchzudringen. Olbrichs Name wird für immer mit Darmstadt verknüpft sein. Und wie diese Stadt in der Entwickelung des modernen Kunstgewerbes, der Raumkunst und der Architektur eine ent- scheidende Rolle spielte, so auch Olbrich. Er hat hier den Wirkungskreis gefunden, den ein Künstler sich ersehnt. Er konnte seine Anregungen in den Kreisen wirken lassen, die maßgebend sind: Industrie und Handwerk, und so schuf er sich den Boden, aus dem seine reiche Begabung sich voll entfalten konnte. Im Verein mit anderen Künstlern schuf er das, was man als einDokument deutscher Kunst" bezeichnet hat, jene Häuser und Häusergruppen, die vorbildlich den neuen Stil zeigten. Darm- stadt ist Olbrichs Schöpfung. Er hat sich selbst damit ein Denkmal gesetzt, das bleiben wird. Es kommt dabei nicht in Betracht, daß zwischen den Künstlern dieser Kolonie vielleicht öfter Zwist herrschte: das ist natürliche, fast selbstverständliche Nebenerscheinung, wo Künstler beisammen sind, noch dazu so eigenwillige, moderne Künstler, wie es hier der Fall war; die Oeffentlichkeit geht das nichts an. Sie sieht die Zusammenarbeit, das Werk, aus dem sich der Name Olbrich immer bedeutsamer heraushob. Was wollte man in Darmstadt ? Darmstadt war die erste Etappe einer neuen Entwickelung, ein Fanfarenklang, der alle modernen Künstler aufrief, der neue Wünsche und Sehnsüchte weckte; das war das Schöne. Wenn auch die Erfüllungen vielleicht zurückblieben, was schadete das, das ist allen energischen Neu- versuchen schließlich beschieden. Ihr Gewinn ist, Anregungen zu geben, neue Ziele zu zeigen. Das hat Darmstadt erfüllt. In gemeinsamer Arbeit schuf hier Olbrich mit anderen Kunst- lern den Typus einer modernen Villenkolonie. Die Mathildcuhöhe wurde ihnen zur Verfügung gestellt. Diese Häuser wurden von unten bis oben fertig eingerichtet und mit allem zum Gebrauch Nötigen ausgestattet. Jedes Ding trug den Stempel künstlerischer Gestaltung. Es leitete sie das Bestreben, ein Ganzes zu schaffen» eine Einheit, die den praktischen Bedürfnissen dienen sollte. Den Grund zu diesem Entschluß gab die Kenntnis vergangener Epochen, in denen Kunstgewerbe und Kunst vereint jene einheitlichen Gebilde schufen, die wir noch heute bewundern. Wir denken an Städte wie Nürnberg , die mit ihrer Architektur, mit ihren Zimmern, mit ihrem Kunstgewerbe so geschlossen vor uns stehen. Dazu kam das jugendlich drängende Gefühl, etwas Neues zu schaffen. Aus diesem Zwei-Gcsühl zwischen Vergangenheit unh Zukunft resultieren die Darmstädter Bestrebungen. Speziell Olbrich hat ein feines Gefühl für die interne Schönheit alter Städte, die Wohnräume des Mittelalters, wo jedes Ding eine beredte Kultursprache spricht. Das war etwas ganz Neues. Wenn man auch weiterhin vielleicht andere Wege gegangen ist» es war ein Anfang, der alle entzückte. Das Gesamtbild war imponierend. Und Darmstadt selbst hat in diesem Jahre in seinen Arbeiterhäusern gezeigt, daß es neue Kulturprobleme zu lösen gewillt ist. Von diesem Künstler kann man wohl sagen, daß er zu früh starb. Sein Talent bot noch reiche Möglichkeiten. Es hatte sich noch nicht erschöpft. Alles hätte noch zu neuer Reife kommen können. Aber dennoch, so kurz sein Wirken war, es war ent» scheidend und richtungweisend und, wenn er auch zu früh von seinem Werke gerissen wurde, er hat damit das Beste errungen. was einem Künstler beschicden sein kann. kleines feuitteton. Kulturgeschichtliches. In der Sektion für Geschichte des Orients auf dem Jnter- nationalen Historiker-Kongreß sprach Prof. G u n k e l- Gießen über Aegyptische Parallelen zum Alten Testament . Ein- leileud bemerkte er, d«ß die Zeit vorüber sei, in welcher man