Hlnterhaltungsblatt des Horwärls Nr. 157. Sonnabend den 15 August. 1903 (Nachdruck verbot««.) «i IVlakia. Roman aus dem modernen Sizilien von Emil RaSmussen. Derselbe Casimirro hatte nun einen gleichalterigen Freund von verächtlichem Charakter er war nämlich Polizist. Dieser hatte es ein wenig gerochen, daß Pamfo in die neue Mafia-Cosca gekommen war und mutmaßte nicht mit Unrecht, jener müsse etwas von dem großen Viehdieb- stahl wissen, der sich kurz zuvor ereignet hatte. Er zupfte den Schuhmacher, der den Onkel zum Schwätzen brachte und am nächsten Tage hatte der Polizist das gestohlene Vieh gefunden. Die geprelltenBrüder" aber legten den Finger an die Nase und waren' nicht faul, den Faden zu finden. Bruno hielt mit PamfoS Zehnmännergruppe eine Nachtsitzung ab und fällte das Todesurteil über Pamfo und den Schuhmacher. Da erhob sich ein Bäcker, der ein alter Freund Pamfos war, und sagte: Ich meine, wir sollten nicht auf einen so unsicheren Argwohn hin das Blut eines Bruders vergießen. Ich schlage eine Acnderung vor: wir beauftragen Pamfo mit der Er- mordung seines Neffen. Weigert er sich, so können wir sie alle beide töten. Gehorcht er, so halte ich seine Ehrlichkeit für bewiesen." Dieser weise Rat wurde einstimmig angenommen. Pamfo war kein Held. Als er sein Schicksal erfuhr und eS ihm aufging, daß es nicht nur Vorteile biete, ein Mafiusu zu sein, brach er in Tränen aus und weinte bitter und lange. Er fühlte wohl, daß lein Selbsterhaltungstrieb siegen würde. Er mußte wie Abraham das Liebste opfern, das er besaß. Und er beweinte den teuren Verwandten wie einen Verstorbenen. Bei einer Nachtsitzung in'U fratuzzus Keller besprach Pamfo alles mit seiner Gruppe. Er erreichte gewisse Ver- günstigungen, teils weil er eine so gute, gemütliche und dienstbereite Seele war, teils weil man ihn für ein bißchen albern hielt und fürchtete, er könnte durch eine Tölpelei feine Kameraden in Gefahr bringen. Man erließ es ihm also. persönlich sein Geschwisterkind zu entleiben. Als Pamfo dies Zugeständnis erlangt hatte, erhob er sich mit der heroischen Miene, die die Polizisten auf den Marionettentheatern aus- zeichnet, stieß entschlossen sein Glas an das der Kameraden und sprach das traditionelle Todesurteil:Der Wein ist süß, aber noch süßer ist das Blut der Christen I" Am folgenden Abend lenkte der verliebte Schuhmacher unbekümmert seine Schritte nach'U fratuzzus Haus, wo der Onkel ihm Aufnahme in die unvergleichliche Cosca verheißen, die ihren Mitgliedern baldige Ehe nebst allen anderen zeit- lichen Gütern sicherte. Pamfo stand richtig auf dem Balkon und machte ihm Zeichen, er solle hineingehen: es sei alles bereit. Kaum war er in der Türe, als drei Männer ihm eine Schlinge um den Hals warfen und ihn unter groben Knüffen erdrosselten. Seine Seele war schon im Himmel, als Pamfo herabkam. Sie füllten seine irdischen Reste in einen Sack und schleppten diesen weit hinaus in die Campagna, wo sie die Leiche mit Petroleum Übergossen und bis zur Unkenntlichkeit verbrannten. So zubereitet, fand der Schuhmacher Ruhe unter einem schattigen Karobenbaum. Pamfo folgte den Kameraden zur Stadt und war sehr aufgeräumt. Als er aber allein war, schlich er wieder in die Campagna hinaus und krabbelte in eine Pflanzung von Fei�enkaktusen, wo er sich auf den Bauch warf und unter salzigen Tränen den heiligen Calögero um Beistand flehte. Am frühen Morgen war er bei der Liebsten des Schuh- machers: er lief zur Polizei und zu allen Bekannten, um Uber seinen Schwestersohn zu jammern, der spurlos verschwunden war, so daß man das ärgste fürchten mußte. Hierauf verschwand Pamfo. Drei Tage und Nächte irrte er ruhelos draußen auf der Campagna umher. Als er zurückkam, schloß Carmela ihre Salons und steckte ihn in ihr breites Bett, wo er rund vierundzwanzig Stunden schlief. Als er erwachte, er ein Brot und drei Zwiebeln. Dann war er wieder der alte gemütliche Pamfo. 12. Es war Abendgottesdienst ist der kleinen Kapelle bei deq Schwestern des teuren Blutes". Der Raum war sehr notdürftig von vier flackernden Wachskerzen erhellt, die ihren schwachen Schein über den Hochaltar mit seinen unzähligen Buketts aus Papierblumen warfen. Auf der Langseite unterschied man undeutlich die verschiedenen Stadien des Passionsweges. Rechts vom Altar befand sich ein Tischchen mit einer havannafarbenen Tischdecke, auf der eine Flasche Zuckerwasser stand. Unten saß die Priorin mit allen ihren Nonnen mit Ausnahme der Küchenschivestev und den meisten Pensionärinnen. Unter ihnen war auch! Crocifissa in einem glatten schwarzen Kleide, mit einem schwarzen Kragen um die verwachsenen Schultern. Sie war eben in das Kloster gebracht worden und fand sich geduldig darein wie in alles andere. Eine Menge armer, aber gottes, fürchtiger Frauen die das Kloster unterstützte folgten. Ganz rückwärts saßen Lidda und Diambra Hand in Hand. Endlich trat Don Gerlando von der Sakristei ein. strahlend und blühend, ein richtiges Gegenstück zu all den Bildern erbaulicher Zerknirschung, die erwartungsvoll die Hälse nach ihm reckten. Er setzte sich schwer in den wachs« befleckten Lehnstuhl und blickte väterlich-zufrieden auf seine Lämmer herab. Darauf hob er die runden Arme auf den Ellbogen, so daß man die schmierigen Rockärmel glänzen sah, faltete die Hände und begann seine Predigt: Meine teuren Schwestern in Christo I Heute will ich zu Euch von der Demut sprechen. Ich will Euch erzählen, wie wir sündigen und doch des Glaubens fein können, fast heilig zu sein. Es lebte in Alexandria beachtet wohl, teure Schwestern: in Alexandria , einer Stadt jenseits des Meeres, versteht Ihr, weit drüben im Orient, in der Nähe von Afrika ... es wohnte also in dieser schönen. Stadt ein heiliger Mönch, Pafnunzio mit Namen. Er war gut: er hatte allem entsagt, was er besaß, und saß nun da, um die Sünder zu bekehren. Wohlan! In jenen Gegenden ivohnte auch ein Bischof Teotimos, der allen Ernstes glaubte, er habe die Voll- kommenheit erreicht, die ihn ins Paradies führen würde. Nun fürchtete Gott , Teotimos würde in die Sünde des Hoch« muts verfallen und sandte ihm eine Erscheinung. Blicke auf! und werde nicht hochmütig, du Gottesdicncr, Teotimos!" sagte der Engel. Warum?" erwiderte der Bischof.Kann ein Mensch besser sein als ich? Alles, was ich zuviel habe, schenke ich den Armen. Ich habe niemandem ein Leids'getan. Ich habe meinem Nächsten geholfen, wann ich konnte. Was mehr sollte ich wohl tun?" Nun denn!" sprach der Engel,stehe auf! Gott befiehlt Dir durch meinen Mund, Dich zu Pafnunzio zu begeben drüben in Alexandria ." So gehe ich denn! Pafnunzio ist mein Jugendfreund." Wie gesagt, so getan. Er kleidete sich in Pilgertracht, tat seine Sandalen an, und binnen kurzem habt Ihr den Bischof auf der Reise. Denket Euch, teure Schwestern, er sollte bis zu dem fernen Alexandria wandern, jenseits des Meeres und der Wüsten! Kurz und gut: er wurde in Pafnunzios Hütte geführt! Hütte! sage ich, Schwestern, nicht Haus, nicht Palast! Wen suchet Ihr?" frägt man. Den heiligen Pafnunzio!" Und siehe! Da tritt ein Mönch auf ihn zu, in elender Kleidung, mit verfilztem Bart und schmutzverklebtem Haar. Heiliger Pafnunzio! Der Engel hat mich zu Dir ge« sandt. Ich bin Teotimos." Ich bin nicht heilig, Bruder: ich bin ein schändlicher Sünder, schuldig der niederträchtigsten Greuel." Du, Pafnunzio? Wer in aller Welt wäre dann ohne Fehl?" Höre, mein Bruder. Höre! Dann wollen wir vereint Gott um Vergebung für unsere Uebertretungen bitten. Siehe: in Alexandria allein fallen 25 000 fündige Männer auf jo 100 000 Seelen!" Er sagte: Männer, meine teuren Schwestern! Nicht Weiberl Nicht Kinderl