Kn verheißungsvolles Schauspiel, da? Wunderdinge ahnen läßt,weiter nordwärts, weiter ostwärts. Und es kam:Um den Polarkreis. Wir alle haben die LZorstellung:das ist eine tote, öde Gegend. Aber welches Leben herrscht hier.Tausende Vögel und Schiff auf Schiff und Insel auf Insel. DaSheißt: Inseln, die Felsblöcke'oder ganze Gebirge find. Alles ist inBewegung: Wasser, Lust und Himmel. Und darüber blendenderSonnenschein, der sich über die grünen Berge mit den schneeigenGipfeln lagert. Diets Berge haben die sonderbarsten Gestatten.Da find die„sieben Schwestern", sieben Berggipfel, die in einerReihe neben einanderstehen, einer größer als der andere, ein„Heft-mandö", ein Reiter, der wahrhaftig wie ein Maim im wallendenMantel auf galoppierendem Pferde aussieht, dann der„Torghatten",ein„Markthut", mit einer Höhle, die, vom Meere aus wie eingroßes Loch aussieht. Und dann, nach längerer Fahrt, nachdem dieBerge statt mit Schneerinnen mit Schneeflächen bedeckt waren,kommt der Svartiffen, ein Gletscher, dessen Wände bis an einekleine Sanddüne neben dein Meeresufer heranstreichen. Dichtdaneben find aber Bauernhäuser und grünende Aecker, dennin dieser Bucht ist es im Sommer sehr warm. Diese? Gletscher-massiv ist 1300 Meter hoch, SS Kilometer lang und 17 Kilo-Meter breit.Wie wir abreisen, geht ein Hagelschauer nieder, aber gleich dar-auf ein Sonnenschein und eine Helligkeit in der Lust, von der wir—Mitteleuropäer— uns keine Vorstellung machen können. HellerMittag ist es jetzt um 11 Uhr nachts. Nur der Dunstkreis des Landesfehlt. Auf 100 Kilometer weit kann man sehen. Und wieder dieseseltsamen grotesken FelSgebilde mit allen möglichen Gestalten. EineGlocke, ein Turm, ein Horn, ein Helm. Und da, dicht bei dem Helmwird eS in der weißen Lust noch heller. Erst rötlich, dann ganzweiß; aus dem Waffer steigen ganze weiße Flächen auf und schiebensich aufwärts, Fläche um Fläche, Regimenter von Strahleubündelnund in diesem Strahlenmeer taucht etwas»och glänzender auf: einPunkt, ein Viertelkreis, eine Kugel— die Mitternachtssonne. Blendendweiß, ein Weiß, das Herr ist über Waffer, Luft und Felsen und allesdurchleuchtet und alles verschlingt.Niemals kann da unten im Süden die Sonne so leuchten, wiehier die Lust. Strahlender als die Sonnenscheibe dort unten isthier nun jeder Wasserstreifen und jeder beleuchtete Fels. Je späteres wird, um so kräftiger und massiver wird da« Licht, während dieSonne höher am Himmel ansteigi und ihr Widerschein im Meere—eine weiße, flammende Kugel sich tiefer und weiter nach vornschiebt und das ganze Wasser wie leichtflüssiges, leuchtendes Queck-silber erscheinen läßt. Man badet in Weiß, man schwimmt in Weiß,man lebt in Weiß, in einem leuchtenden Weiß.Ein anderer Mitternachtssonnenaufgang auf der Touristenhüttebei Bodö. Ganz anders ist das Schauspiel hier am Lande. Waseinen verblüfft und verwundert, ist das prächtige Grün der Wiesenam ganzen Weg. Ein fruchtbarer Landstrich rmgs umher— nördlich vom Polarkreis I An roten Häusern und Häuschen geht es vor-über, dann Hügelauf. Auf den Rasen, die stark duften, weiden jetztum 11 Uhr Pserde mit umherspringenden Füllen und Kühen. Starkund herb grün sind die Rasen. Stark und herb ist die Luft, starkund herbfarbig die Wolken am Himmel, metallfarbig wie eineLegierung von gelben: Messing und rötlichen: Kupfer.Oben am Gipfel die Touristenhütte im altnorwegischen Stil,ein brennender Kamin, der die Gaststube rot erhellt. Draußen dasGrün der Hänge, eine in graue Nebel gehüllte Bergzacke, die dieBucht gegen daS offene Meer abschließt. Die metallfarbige, nurschwach sichtbare Sonne scheint es drei-, viermal zu versuchen diemetallfarbige Wolkenschicht zu sprengen, aber dieser Wolkcnpanzerbleibt fest, nur seine Ränder werden von einem grellen Weißrotüberstrahlt.Sonnenstrahlen find aber auch das Lachen und die Lieder derjungen Bodöer Weiblichkeit, die da flirrt und flattert und surrt.Fünf Minuten vor Mitternacht: in der metallenen Wolken-schicht erscheint ein glänzender Punkt, ein leuchtender Kern, einstrahlender Kreis— wie geschmolzen sind die Wolken, die Mitter-nachlssonne herrscht, aber nur zehn Mnuten lang, dann bedeckt sieder Wolkenpanzer und sie sprengt ihn wieder, und wieder wird siebedeckt. Eine Stunde lang kämpfen die festen, massiven Wolken unddieses flammende Weiß.Beim Heimweg in der Niederung, hinter den grünen Gipfeln.dort wo die Sonne aufgegangen, ist der Himmel hell, fast weiß,die messing-kupferfarbenen Wolken sind höher gestiegen und seitwärtsniedergefallen. Nordwärts mischen sie sich mit dem blaugrauenHimmel und ihr rötlicher Glanz stinnnt den Horizont auf ein hellesViolett, an dieses schließen sich Schneegipfel auf dunkelgrünen Bergen.die auslaufen in hellgrüne Wiesen und von ihnen leuchten roteHäuser und Häuschen m die weiße Nacht. Südwärts aber, wo derHimmel hell war, herrscht die Krchserwolkenmasse ganz und balltsich zufammen wie ein rauchbedecktcr Flanrmenherd. Das gibt an:Fjord ein wunderbares Schauspiel: in die rötlichen Wolken hineinschieben sich die vorgelagerten Kalkinseln, nuancieren das KupferrotHeller aber zugleich massiver, daß es aussieht wie Lavasäulcu, dieaus dem Meere aufschlagen, aber von einer magnetischen Krast fest-gehalten werden. Um die ganze weite Fjordbucht in breitem Bogensolche erstarrte qualmumzogene Lavasäulen, zackige und kuppelige,spitze und behäbige, große und kleine.Wie ich an den Hafen komme, schlägt mir eine weiße Flammeins Gesicht und zwischen»wer dieser erstarrten Flammensäule::.zwischen ihnen aber über ihnen strahlte sie weiß und doli alsSiegerin: die Mitternachtssonne.--In den L o f o t e n. Was wäre man ohne Kompaß in diesem300 Kilometer langen Mcercsarn: mit den Tausenden und Tausendenvon Inseln, Gebirgen und Fclsblöcken im Meere, die wie verirrtdort liegen zwischen schmalen Sunden. Das ist wie ein monumeu»taler„Irrgarten" mit tausend Wänden— aus Stein statt aus GlaS— und tausend Wegen, die ineinander und durcheinander laufen.Knapp hinter Bodö schon beginnt dieses Insel- und Felsenlabyrinth.Manchmal häufen sich die Felsblöcke dicht aneinander:m Meer, ragenZacken unebenmäßig auf und daS sieht aus, wie eine zerfalleneRuine, wie eine zerschoffcne Riesenfelsenburg. Ruinen, die n:ehr alsgroß, mehr als gewaltig, die wahrhaft monumental sind,Monumente, gigantische Denkmäler einer gigantischen Schöpferkraft.So schlängelt sich daS Schiff dahin, immer zwischen die Restedieser GebirgStrümmer im Meer schlüpfend, bis es Svolvaer erreichtund das liegt so: rote, gelbe, braune Häuschen am Ufer, davor eineweite Bucht, der Hauptsammelplatz der Fischer zum Winterfang.Sechs- bis siebentausend Fischer versammeln sich hier. Ueber demgrünen Himmel: weiße Wolken, braune Wollen, graner Himmel,nach Osten hin braune Wollen, grüne Wolken, blaue Wolken aufstrahlend weißem Himmel über dem Wasser, das grün ist.Hinter der Bucht mit den weit ausholenden, halbkreisförmigenLandzungen zu beiden Seiten, hinter denen das— dortdunkele— Wasser erglänzt, weit, weit weg wunderbar glänzende,leuchtende Schneefelder. Hier schon fällt einem auf, was manwährend der iveiteren Fahrt staunend bestätigt findet; so klar ist dieLust hier, so durchsichtig, daß man an den vielen Inseln nur dieDetails— die Risse und Kanten, aber kein Ganzes steht; dochleuchtend und scharf treten alle Konturen der 70—100 Kilometer ent-fernten Inseln und Berge in die Augen. Kommt man dann au»dem Svolvaerhafen heraus und liegt rechts das Meer offen, nur inweiter, weiter Ferne begrenzt durch die Inseln, die gegen„Bester-aalen" hinstreichen, da mengt sich das ganze hellgrüne Wasser mitdem helleuchtenden Rotweiß der Jnselfelsen, daß es wie einPhosphoreszieren über den ganzen äußerste» Streifen des Horizontsgeht, ohne Ende, ein Leuchten, wie aus eigener Kraft. Wenn dannlinks das Insel- und Felsenlabyrinth näher kommt, so schleicht manmitten zwischen grünen Inseln hin, daß man glaubt, in einer Nuß-schale in einem steinebesäten Bach mitten im Walde zu sein. Aberim Umkreise von 100 Kilometer springt und dringt jede Welle undjeder Gipfel inS Auge und alles ist so voll Glanz, daß mangeblendet ist. Die Felsen sind nicht bloß weiß, sie strahlen selbst.Manchmal sammelt sich auf dem dunkelbraunen Gestein der FelsendaS Licht vom Meer und vom Himmel, und sie stehen da wie durch-leuchtet und glänzen wie dunkelrote Rubine, über denen ein feinessilbernes Gewebe sich breitet.Dann L ö d i n g e n I Welche? Schaustück in dem weißenGlanz. Eine lange Hafenbrücke zieht sich vom Land inS Meer.Kein natürlicher Hafen, denn Lödingen ist Land, mitteleuropäischeGebirgSidylle, ein Alpenstädtchen, e:n Waldflecken aus Thüringen,ein Dorf im Schwarzwald. So umgrünt und so sehr Land istdiese Jnselhafcnstadt. Das Meer— mag e? auch weit sich hin-ziehen— ist wie ein Gebirgssee, und in diesem steht dicht vorLödingen eine kleine Insel, ein Hügel,«in weißes Häuschen aufdesien Spitze, die Hänge grün, leuchtend grün und sachte ab-fallend gegen Lödingen ein schmaler, brauner Streifen, loie einnackter Kinderarm, der sich hilflos und sehnsüchtig von diesem Insel«chen ausstreckt nach der größeren Schwester da drüben.Ostwärts geht's nach Hammerfest, südwärts zieht sich derOfotenfjord nach Narvik. Dorthin geht zuerst mein Weg.N a r v i k— eine Stadt, die abseits von der Touristenroute liegt,aber landschaftlich und kulturell eine der intereffantesten des ganzenNordlandes ist. Es ist der letzte Ausläufer des großen nord«schwedischen Gebirges, ein Touristenideal, die Stadt ist von hohenGebirgszügen, deren Schneegipfel hoch hinaus leuchten, umrahmt.aber in wunderbare Wälder gebettet. Eine große, gewaltige Bahn-anlaae mit hohen Brückenbögen taucht beim Hafen auf, von demsich Gleise abziehen zu einem großen, runden Eisenbau mitten imWaffer, der wie ein ZirkuS im Fjord ist. Etwas höher am Hügelhinauf und eine halbe Stunde entfernt liegt die Stadt. Am Hafen:Gleise. Waggons, erzbeladene Schiffe— wie ein Bassin gewordenerSchachteinga, ig sieht das aus. Es ist auch die 2öö Kilometer ent«fernte Schachtmündung der riesigen Erzwerke von Kirona undGellivare in Schweden, die durch diese nördlichste Eisenbahn derWelt mit Narvik verbunden sind, und dieser Eisenbahnstreifen amUfer ist der„Malmkai", der Erzkai. auf dem vom Bahnhofe her dieerzgefüllten Waggonsgefährte auf die besonderen„Malmschiffe"verladen und in die weite Welt geführt werden. 1800 000 TonnenErz wurden in: Jahre 1007 hier verladen. So ist Narvik tat«sächlich der Endpunkt, die Verladestelle der Gellivare- Werke,und ihr ganzes Werden und Gedeihen von dieser— von 1898 bis1903 erbauten— Bahn abhängig, und erst Stadt geworden, seitdemdiese Bahn existiert.Seltsam ist diese Stadt— kein» Industriestadt, aber doch vonder Industrie durchzogen und durchbebt. Das Personal vom Hafenund der Eisenb.chn ist der Hauptbestandteil seiner Einwohner. Dahersieht man auch tagsüber fast keinen Menschen in den Straßen. ESist wie ein Dorf, wie eine Idylle und landschaftlich auch dazu ge-schaffen. Der Hügel, auf dem die Stadt liegt, bildet am Fjord e:noscharte«acke und läßt das Waffer nord- und südwärts nur streifen-