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und in den rissigen Felsen gute Schlupfwinkel und Brutstellen finden. Da wir näher kommen, sehen wir Tausende von derartigen Vögeln den Felsen umflattern und seine Flächen sind mit weißen Vögeln so besät, daß sie wie ein Schneefeld erscheinen. Ein erster Böllerschuß vom Schiffe erschreckt Zehntausende, ein zweiter und dritter Schuß scheucht wieder Behntausende der kreischenden Bögel in die Luft, aber noch immer ist der Felsen bedeckt mit Vögeln. Der Hjelmbest auren", der auf dem Wege zum Nordkap liegt, ist der berühmteste der norwegischen Vogelberge", ich aber habe dann ostwärts in Finnmarken großartigere gesehen.

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Am Nordkap dort sind wir zwei Stunden später. Wir hatten schlechtes Wetter, der Himmel war grau und bewölkt, es regnete, aber klar und blank war die Luft. Das Nordkap steigt auf und erscheint wie eine große rhomboidische Kanzel, die sich von Sem hügeligen Insellande in das Meer vorschiebt. Eine Stante dieses Rhomboids tritt massiver hervor, streckt sich weiter hinaus in das Meer in drei Zacken, nach vorne abfallend, wie Riesenstufen, auf denen man zur Kanzel hinaufsteigen soll; denn dieses hobe Felsrhomboid hat oben ein Plateau, das so flach wie ein Parkett ist, biel glatter als das Meer. Das Meer selbst ist weit offen, un­übersehbar, immer bewegt, und jetzt ist dieses dickflüssige Blau halb wie eine Quecksilber-, halb wie eine Teermasse, auf einer unge­heuren Fläche und raftlos gehoben und gesenkt von unterirdischen Titanen. Dem Süden zu bildet die Insel eine kleine Bucht um die graubraunen Felsen. Aber vorne hinausgeschoben, mitten im Eismeer, liegt ein kleines, flaches Inselchen, wie ein Korb oder wie eine Wiege, und die weiße Brandung umspielt sie, und diese Insel liegt etwas nördlicher als das Nordkap und ist grün, leuchtend grün. Wieder verblüfft und überwältigt einen diese klare reine Luft über den dunklen, undurchsichtigen Wassern und dem grauen Gewölk, das schwer über dem Horizont liegt. Weithin steht man flar jede Wolfe und jede Welle, trop des Regens, der zeitweilig Krusten, niedergeht. Die Passagiere vergnügen sich, während das Touristen schiff hier vor Anker liegt, mit Fischen, und in einer Viertelstunde haben alle reiche Beute an Dorschen. Unglaublich ist es, wie fisch­reich diese Gewässer sind.

Dann fährt das Schiff näher an das Nordkap ; in der Bucht bon Hornvik legen wir an, und jetzt versteht man, weshalb das Nordkap so berühmt und besucht ist. Es wirft in der Nähe groß­artig in seiner Wucht bei dieser geringen Höhe. Es ist nur ein riffiger und felfiger Felsblod, aber diese unübersehbare Fläche auf seiner Höhe und diese unübersehbare Fläche des Meeres zu seinen Füßen wirken stark und eindringlich und harmonisch.

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Kleines feuilleton.

Ein Ausbruch des Lavafees auf Hawai . Der berühmte Strater des Kilauea , obgleich felten ganz in Ruhe, ist in diesem Jahre wieder in einem verstärkten Ausbruch begriffen, und zwar ist seine Tätigkeit so gewaltig, wie sie seit dem Jahre 1894 nicht mehr beobachtet worden ist. Ein in der Wochenschrift Science " veröffentlichter Brief bringt die Schilderung der vulkanischen Eruptionen aus der Feder von Thurston, einem der besten Kenner der Vulkane Hawais . Danach hat sich der Mittelkrater während des Monats Mai mit geschmolzener Lava zu füllen begonnen, bis ihre Oberfläche nur noch 60 Meter unter dem Boden des Hauptfraters sich befand. Der Lavasee hatte die Gestalt einer 8 angenommen und war ungefähr 250 Meter lang und 120 Meter breit. Nahe der Mitte der nördlichen Schleife des Sees lag eine Insel von der Gestalt eines Halbmondes, und in ihrer Bucht fand ein fast dauerndes Kochen der geschmolzenen Lava statt, das fast in jeder Minute von explosiven Gasausbrüchen be gleitet war, so daß große Massen der geschmolzenen Flüssigkeit in die Luft geschleudert wurden. Unmittelbar nach jedem dieser Gasaus­brüche 30g fich die Lava auf furze Zeit in einen trichterförmigen Wirbel zusammen, der die großen Lavakuchen, die sich am Rande ge­bildet hatten, einsog, so daß sie verschwanden wie Schiffe in einer Charybdis. Etwas nördlich von dieser Insel im Lavasee fand ein maffenhaftes Ausströmen von geschmolzener Lava statt, aber dort ohne Explosion oder auch nur Bildung von Blasen, vielmehr gleich einem riesigen Springbrunnen. Der Lavastrom war so schnell, daß die Oberfläche des Sees zur Abkühlung und Erstarrung nur an wenigen Stellen Zeit hatte, und auch diese Stellen wurden häufig durch Konvulsionen von unten her gehoben, so daß die schwarze Kruste unter der aufquellenden Lava wieder aufriß. die sich an den Ufern des Lavasees gebildet hatten, wurden entweder wie Eisschollen im Polarmeer auf diese hinaufgeschoben oder von der der feurigen Tiefe wieder verschluckt. Immer wieder erschienen an verschiedenen Punkten des Sees Lavabrummen , die ihre schwarzgewordene Um­gebung mit ihrer Glut verschlangen. Seitdem hat sich der Lavasee durch den schnellen Fortgang der Tätigkeit ständig vergrößert und die Glut ist so start, daß sie bis auf eine Entfernung von fast und wer sich 60 Kilometer bei flaren Nächten sichtbar ist, dem Krater bei Nacht zu nahen wagt, braucht dazu keine fünstliche Beleuchtung. Wahrscheinlich wird dieser Ausbruch noch monatelang andauern, aber die Geologen werden gut daran tun, die Gelegenheit zur Beobachtung dieser Vorgänge wahrzunehmen, weil sie sich in dieser Stärke nur in Abständen vieler Jahre zu wiederholen pflegt. Die Erforschung der Vulkane von Hawai , die allerdings schon zu klassischen Untersuchungen Ver anlaffung gegeben haben, ist um so wichtiger, als die vulkanischen Vorgänge, wie sie sich dort abzuspielen pflegen, ganz wesentlich verschieden sind von denen des Ausbruchs eines Besuvs oder Aetna . Sie erfolgen weniger explosiv und machen in dieser Hinsicht also weniger den Eindruck von Katastrophen, aber dieser Mangel wird reichlich ersetzt durch den überaus großartigen und mit feinem anderen Vorkommnis auf der Erde bergleichbaren Anblick des glühenden Lavasees, der in der Regel ohne große Gefahr aus der Nähe be­obachtet werden kann.

Astronomisches.

Die

Auf kleinen Booten gehen wir ans Land, ein im Zid- 8ad an­gelegter Pfad, an dessen Seite bald rechts, bald links ein Seil ge­spannt ist, führt in einer halben Stunde aufwärts. Staunend ge­wahrt man auf dem Rasen des Hügels rote und weiße Blümchen, und wenn man dann auf das Plateau kommt, das sich weit und flach, troftlos flach hinzieht, sieht man einen fumpfigen Boden. Zwischen Etein und Moos wieder diese kleinen roten Alpennelfen verstreut aber kein Gras, fein Grün. Nur Moos und diese roten Blümchen. Auf der Höhe des Nordkaps, an dem Ostende des Plateaus, steht der Pavillon und dicht neben ihm ein Obelisk; rechts von diesem stürzt das Erdreich ab, halb Wasserrinne, halb Erdsturz, eine eigentümliche Bildung, als ob das Meer oder der Sturm im gewaltsamen Ansturm diese Rinne geriffen hätte. Von hier aus rechts und links nichts, nichts als das weite Meer in der Tiefe erscheint dieses öde, brache, sumpfige, moosbededte, aber ebene, so melancholisch ebene Plateau wie ein berwüstetes Schlacht­Neuheiten der Himmelsphotographie. Die un feld boll Verwesung, das ein Titane schüßend in die Höhe gehoben, hinein in den eisigen Wind, um es vor dem eisigen Meere zu zähligen Sonnen am Himmelszelt sind nicht nur in ihrer Helligkeit, schüßen. Oder aber vielleicht geschah dieses Rettungswerk nur der die nicht immer ein Maßstab ihrer größeren oder geringeren Ent­fleinen zarten Alpenelfen wegen, die leben und leben wollen. Die fernung von der Erde ist, sondern auch in ihrer Farbe von ein Natur ist ja so wunderbar fürsorglich. Dieses großartige Mimitri. ander verschieden. Die Beobachtung der Farbe der Firsterne ist Die Farben werden die Anpassung im All tritt hier so ousdrucksvoll zutage: weiß ist weit wichtiger als der Laie denken mag. der Schnee und das Eis, weiß die Vögel in den Höhen und weiß nämlich im wesentlichen von der Zusammensetzung der Sterne, wie die Tiere da draußen auf den Gisblöcken, die Eisbären und die sie sich in ihrem Spektrum ausdrückt, bedingt, und die Feststellung Wölfe . Ein gewaltiges Weiß, das der Ursprung aller Farben und der Sternspektra ist bekanntlich das wichtigste Mittel zur Lösung alles Lebens ist. Weiß, unbeschreiblich weiß wird auch das Meer der Frage, aus welchen Stoffen das Weltall besteht und weit draußen im Osten und Norden, da sich die Mitternachtsstunde wie sie darin verbreitet sind. Ferner gibt das Spektrum über den Grad der Entwickelung, nähert. Was hier großartig ist und das ist das gewaltige Schau- auch häufig Auskunft spiel, das man nur am Nordkap hat, das ist, wie die weiß auf- in dem fich der betreffende Stern befindet. Da nun manche Sterne steigende Sonne sich das weite Meer erobert, wie diese dickflüssige, zu lichtschwach find, um ein deutliches Spektrum zu geben, erhält dunkle Wassermenge überdeckt wird auf Meilen und Meilen in ein neues Verfahren zur Feststellung ihrer Farbe eine erhöhte Be­Umkreise mit dem weißen, silberweißen Sonnenstrahlenstaub. Wie deutung. Zwei Forscher der berühmten Vertes- Sternwarte, die sich das dunkle Meer weiß wird, wie die helle Luft noch mehr erglänzt, des Befiges des größten Fernrohrs erfreut, haben nachgewiesen, wie wie diese weißflammende Sonne im Osten aus dem Wasser steigt, die photographische Platte zur Meffung der Farbe eines Fixsterns nachdem sie fünf Minuten vorher weißflammend in das Wasser gebraucht werden kann und das Ergebnis ihrer Untersuchungen bersunken, das sieht man so imposant nur hier von der Höhe des im Astrophysical Journal" beschrieben. Danach wird es möglich Nordkaps. fein, weit mehr Sterne in die nach den Spektren unterschiedenen Klaffen einzuordnen als bisher. Eine weitere Neuheit für die Himmels. photographie wird in demselben Fachblatt von Dr. Wood zur Kenntnis gebracht und dürfte für Photographen überaus inter effant sein. Dieser Gelehrte hat nämlich die Erfahrung gemacht, daß zur Photographie lichtschwacher Himmelstörper eine etwas ver schleierte Platte beffer geeignet ist als eine vollkommen frische. Er belichtet daher vor einer solchen Aufnahme die betreffende Blatte mit einer fleinen Gasflamme einige Sefunden lang und will die Beob achtung gemacht haben, daß die Platte dann für schwache Licht­wirkungen noch empfindlicher ist als zuvor.

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Aber die Mitternachtssonne selbst habe ich später einmal in Finnmarken, schon dicht an Rußlands Grenze großartiger ge­sehen. Herrlich ist der Rückweg über die Nordkaphöhe, da man das Meer nicht mehr sieht, sondern nur das Plateau und darüber durch die klare Luft für das Auge so nahe gerückt leuchtend die schneeigen Berggipfel, die man weit weg weiß und die diese Land­schaft umrahmen. Und so eben ist das Plateau, daß man nur seine Fläche sieht und nichts vom Meer, von dieser ungeheuren Fläche, an der man weilt.

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Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin , Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruderei u.Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW

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