Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 170.
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Mafia.
Donnerstag, den 3. September.
Nachdrud berboten.)
Soman aus dem modernen Sizilien von Emil Rasmussen. Angelos eheliches Idyll sollte sich übrigens keines langen Daseins erfreuen. Es trat eine Situation ein, die unfehlbar das Heim in eine Hölle verwandelt hätte, wenn irgendeine andere als Bionda als Frau des Hauses gewaltet hätte.
1908
fonnten, da man täglich nur eine Messe pro Altar lesen durfte. Natürlich wies, man die Aufträge nicht ab, sondern sette sich mit den Geistlichen ringsum im Reiche- unter ihnen auch mit Don Gerlando in Verbindung. Sie berechneten die doch immerhin vier Frank Nettoverdienst für die Jesuiten . Messe zu einem Franken oder ein wenig darunter. Das gab
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Diese billigen Messen sagte Don Gerlando nun ab. Wer über eine Heilige, wie Crocifissa es war, verfügte, brauchte sich nicht zu scheuen, selbst fünf Frank für eine Messe zu nehmen; ja es waren sogar soviele Bestellungen der Pilgrime Unter Calogeros Mafiafreunden hatte seit langem Miß- eingelaufen, daß er selbst viele hundert Messen mit dem mut geherrscht, daß der verurteilte Kamerad so lange im selben Vorteil abgeben konnte wie die römischen Jesuiten . Buchthaus sizen mußte. Sie fanden mit Recht, daß es ein Die firchlichen Blätter hatten sich seit vielen Jahren zweifelhafter Vorteil sei, Mafiusu zu sein und einer Cosca darüber aufgehalten, daß die Priester nicht in klingender anzugehören, wenn eine zufällige Feindschaft mit der Gräfin Münze zu bezahlen brauchten, sondern mit Bons, die auf eine oder ihrem Sohn ihnen die Straflosigkeit verscherzen konnte. Messe lauteten und die die Redaktionen hierauf weiter Nach Brunos Wahl machten sie diesem so energische Vor- verkauften. Diese Bons gingen wie Banknoten von Mann stellungen, daß er ernstlich in die Gräfin zu dringen genötigt zu Mann. Für eine gewöhnliche Bauernmesse konnte man war, ihre Zustimmung zu geben, daß der Justizminister eine halbe Wurst bekommen; für eine Jesuitenmesse ver. Calogero begnadige. Da die Freunde für Angelos Sicherheit kauften Dirnen in Rom eine Liebesnacht. Auch dieses Prin einstanden und dieser überdies vom Prozesse her Anspruch zip nahm Don Gerlando nun auf. Er bezahlte nur mit auf Calogeros Dankbarkeit hatte, hatte sie feinen ernsten Ein- Messen, und durch seine stets wachsenden Verbindungen erwand mehr zu erheben und gab nach. öffnete er dieser vielbegehrten Ware einen wirklich bedeuten. den Markt.
Als erstes Glied seiner Versöhnungsbestrebungen gegen über Calogero beschloß Angelo Rusidda und ihr Kind zu sich ins Haus zu nehmen.
Bionda machte keine Einwendungen. Der Gedanke allein, das von allen Seiten vergötterte kleine Teufelchen im Hause zu haben, machte sie strahlen. Wie sie sich Crocifissas angenommen, von der die Ereignisse sie später mehr und mehr entfernten, so hatte sie sich auch der jungen unglücklichen Mutter angenommen, als sie in der Gräfin Hause bei ſammen waren, und Rusiddas Dankbarkeit fannte keine Grenzen; sie verehrte Bionda als ein Wesen höherer, vornehmerer Art.
Diese gegenseitige Sympathie erlitt feinen Abbruch, als Angelo herausfand, daß das Schicksal ihm offenbar zwei Gattinnen gönnte. Es kam jedoch dazu, daß er Rusidda gegenüber beinahe Gewalt anwenden mußte, und am nächsten Morgen fam sie weinend vor Verzweiflung zu Bionda und beichtete ihr alles.
Es war nur, was diese erwartet hatte, und es machte feinen Eindruck auf sie. Sie bat Rusidda bloß, keine Skrupel zu haben, sondern ihrem Herzen zu folgen. So wurde denn Rufidda Angelos Gattin; Biondas Türe aber fand er von nun an versperrt.
Dies Zusammenleben hatte einige Monate gedauert, als Calogero eines Tages in die Stube trat, frank und frei. Das Gefängnis hatte ihn mager und bleich gemacht, so daß er noch größer erschien als früher. Eine gewisse philosophische Ruhe war über ihn gekommen. Er war still, bescheiden in seinem Wesen und machte einen durchaus friedlichen Eindruck. Nur wenn man alte Dinge berührte, funkelte es mit einem gelblichen Glanz in der Tiefe seiner Augen.
Vorläufig unternahm er nichts. Er wohnte daheim in seiner alten Hütte, gewöhnte sich aber mehr und mehr, in Angelos Huse aus- und einzugehen; es erging ihm wie allen
anderen: die kleine Cleofe sammelte und versöhnte.
Angelo behandelte den Alten mit einer gewissen überLegenen Berachtung, die Nusidda weit mehr zu quälen schien als Calogero. Aber Bionda beherrschte ja den täglichen Gang des Hauses, und ihre weiche Hand wußte alle Wunden zu heilen. Sie hatte Calogero nichts vorzuwerfen. In ihrem innersten Herzen achtete sie ihn um dessentwillen, was er getan hatte.
15.
Crocifissas Ruf verbreitet sich mit reißender Schnelligkeit über die ganze Insel und von allen Seiten strömten Scharen von Kranken und Pilgrimen herbei, um die neue Heilige zu sehen und zu berühren. Don Gerlando fühlte sich wie ein richtiger fleiner Kirchenfürst, und seine Einnahmen stiegen in einem schwindelnden Maße. Er hatte bisher aus Mangel an Einkünften für die Jesuskirche in Rom ein kleines Kommissionsgeschäft betrieben. Eine Messe wurde in dieser vornehmen Kirche mit fünf Frank bezahlt, und dennoch war die Nachfrage so groß, daß die Aufträge nicht ausgeführt werden
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Man verkaufte Tücher, die an Crocifissas Brust geruht hatten, und um zehnfachen Preis verkaufte man solche, die von dem aus ihrer Seite rinnenden Blut getränkt waren. Der Verkauf ihres Wassers wurde in ein System gebracht, und in Hinblick auf die starke Nachfrage und die beispiellosen Wirkungen mußte es bald mit Gold aufgewogen werden. Allein Don Gerlando beging die Unvorsichtigkeit, mit seinen Einkünften zu prahlen. Als die Gräfin merkte, wie reich die Quelle floß, forderte sie ihren Anteil an der Beute, und er mußte eine fire Abgabe an das Kloster leisten.
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Da plötzlich verfinsterte sich der Horizont durch einen Konkurrenten, der anfänglich allen Anzeichen nach unangenehm zu werden versprach.
Der eine der Apotheker auf dem Korso baute seinen Laden um und mußte bei dieser Gelegenheit ein Madonnenbild, das seinen Plaz in einer Mauernische hatte, versezen. Aber was geschah! Am nächsten Morgen fand er die Ma donna wieder auf ihrem Platz in der Nische. Sie war nachts allein umgezogen!
Den ganzen Tag gab es ein atemloses Gerenne nach der wundertätigen Madonna.
Abends stand Pamfo unter all den Siechen und Betenden und fah dem Getriebe zu. Er war den ganzen Tag in Porto Empedocle gewesen. Und wie er so dastand, fiel ihm die lahme Hüfte seiner Freundin Carmela ein. Nachdem Don Gerlando ihr vergebens eine Flasche von Crocifissas Wasser geschickt hatte, die sie gewissenhaft trank, gab er die feierliche Erklärung ab, daß ihre Krankheit eine Art B- herung von einem bösen Geist sei, die nur durch Handauflegung vertrieben werden könne er selbst aber wagte nicht, die Hand aufzulegen.
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handen, und von diesem Gedanken erfüllt, rannte Bamfo Hier, aber war gewiß die Möglichkeit einer Heilung vor. spornstreichs zu Carmela hinauf. Aber wieviel er auch klopfte und ihren Namen rief- es wurde nicht aufgemacht. fräften„ Calogero" zu schreien. Da ging Pamfo ein Licht auf und er hob an, aus Leibes
Auch Calogero war auf der sozialen Reiter avanziert. als er aus dem Zuchthause heimkam, hatte man ihn für jede einigermaßen nüßliche Leistung untauglich befunden. Der einzige Posten, für den man ihn allenfalls verwenden fennte, war der eines Schullehrers. Rechnen hatte er immer fönnen. Lesen und Schreiben hatte er im Zuchthause gelernt, wo er zu gleich viel über die Probleme des Daseins philosophiert hatte. So gab ihm denn die Mafia eine Stelle als Kindererzieher.
Er war gleichzeitig mit einem lange zurückgedämmten Drang nach weiblichem Verkehr heimgekehrt. Nun traf es sich so, daß Carmela infolge ihrer Hüfte feine Liebhaber hatte; und da er selbst ja keine Frau besaß, nachdem er die seine erschlagen hatte, so war nichts natürlicher, als daß die beiden sich in einer Art Ehe unter ziemlich elastischen Formen zu sammentaten.