Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 186.
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Mafia.
Freitag, den 25 September.
( Nachdrud verboten.)
Moman aus dem modernen Sizilien von Emil Rasmussen. Ficarotta fuhr fort: Ich habe ja in den Zeitungen von Sem großen Feste gelesen. Die ganze Stadt illuminiert! Und die Festvorstellung im Theater mit der Erstaufführung von Graf Del Chiaros neuer Morgenröte" mit Regina Fuá selbst in der Hauptrolle! Ich kann begreifen, daß das ein großer Tag für Girgenti war. Und der alte Marchese, ist er noch immer mit seinen Ausgrabungen beschäftigt?"
„ Ab und zu. Den Athenefelsen hat er der Kommune geschenkt. Er hatte ihn an unserem Hochzeitsabend mit hohen prächtigen Bechfaceln beleuchtet. Wir fuhren dieselbe Nacht mit dem Dampfer nach Syrakus . Weit über das Meer hinaus sahen wir den Athenefelsen leuchten. Es war eine unvergeßliche Nacht! Und für meinen Schwiegervater lag ja ein tieferes Symbol darin."
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Ach ja! Aber was höre ich: der alte Mann will sich auf die Politik werfen?"
1908
aufgeräumt aus. Unter den zugereisten Bauern belebten besonders die schönen Leute aus Piana dei Greci in ihren bunten albanesischen Trachten das Straßenbild.
Wahrsagerinnen. In einer langen Reihe rings um die Fontäne saßen die
Wir lassen uns wahrsagen, bis Ettore kommt!" schlug Diambra vor. Sie war von Morgen bis Abend in strahlender Laune und hatte runde Wangen bekommen, die ihrem Gefichte den überarbeiteten Ausdruck genommen hatten. Sie gingen zu einer jungen, kraftstroßenden Wahr sagerin, die mit einer Binde vor den Augen in einem kleinen, mit zwei kleinen roten Bonnys bespannten Wagen saß. Ihr Mann stand daneben und nahm das Geld in Empfang. Ein großer Schirm war über den Wagen gespannt. Das Ganze machte den Eindruck von Wohlstand und guten Geschäften.
Diambra bezahlte zuerst, und die verbundene Prophetin begann ihre Weissagung in kurzen, abgebrochenen Säßen, die sie, den Oberkörper hin- und herwiegend, in einem singenden Zone vorbrachte.
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,, Sie sind jung und schön. Sie haben einen Freund, den Sie lieben aber ein Weib begehrt ihn böse Zungen wollen ihn vor Ihnen verleumden wollen Sie vor ihm verleumden. Eine Zeitlang wird er sich von Ihnen entfernen aber er ist gut in seinem Innersten, er wird die Falschheit der bösen Zungen sehen, er wird zu Ihnen zurückfehren die bösen Zungen werden bestraft werden und Sie werden glücklich werden!"
,, Er stellt sich in drei Wochen zur Wahl. Man wählt ihn ja übrigens nicht der Arbeit wegen, die man von ihm erwartet, sondern wegen des Symbols, das er Zeit seines Lebens repräsentiert hat. In einem ist er jedenfalls immer stark gewesen: in treuer Ehrlichkeit und es zeigt sich jezt, fehren - und es zeigt sich jetzt, daß es sich gelohnt hat."
Allerdings, allerdings! Und was machen Sie jest? Bleiben Sie lange in Palermo ?"
,, Wir reisen an einem der nächsten Tage. Wir planen Segesta und Selinunt zu besuchen."
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Und Monte San Giuliano besuchen Sie nicht, das alte Eryr?"
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,, Nein, wir wollten uns in Mazzara einschiffen und vielleicht in Sciacca ein wenig Aufenthalt nehmen es ist ja unsere Nachbarstadt. Lidda sehnt sich, es zu sehen, und es ist so schwer über Land zu erreichen."
Aber Monte San Giuliano müssen Sie besuchen, Ingenieur! Ich sage es nicht, weil es meine Vaterstadt ist, aber es hat die schönste Aussicht auf ganz Sizilien. Es beherrscht ein Viertel der ganzen Insel und einen unermeßlichen Horizont des blauen Mittelmeers mit all den herrlichen kleinen Eilanden längs der Küste. Die öffentlichen Gärten gegenüber der alten Burg östlich von der Stadt find ein wahres Paradies. Taormina und Girgenti find daneben nichts! Und dort treffen Sie die schönsten Weiber der Insel! Sie gehen noch wie die Araberinnen vermummt in lange, schwarze Seidenmäntel- aber morgens bei der Frühmesse fönnen Sie sie sehen. Es ist im ganzen eine eigentümliche Bevölkerung, die auf ihrem steilen Berge ganz außerhalb der Welt wohnt."
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Ja, das wäre freilich interessant aber wir kommen nicht hin." „ Aber wenn ich Ihnen sage, wer Monte San Giuliano nicht kennt, hat Sizilien nicht gesehen."
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Ich will Ihnen glauben aber das Leben ist lang!" Aber Sie fommen nach Selinunt ! Ja, das Hotel in Castelvetrano ist tadellos. Dort können Sie ausgezeichnet hibernachten. Nun, aber will ich Sie nicht aufhalten. Leben Sie wohl! Grüßen Sie, bitte, Ihre Frau von mir!" Damit reichte er ihm die Hand und verschwand. Inzwischen standen Lidda und Diambra mit dem jungen Donato draußen auf dem Domkirchenplaße und lauschten der elegant uniformierten Stadtkapelle, die eine muntere Opernpiece tutete. Ettore war vor dem großen Bilde von Pietro Novelli auf dem Stiegengang des Gymnasiums in Träumereien versunken.
Bon allen Seiten gab es fröhliche Menschen. An einer Menge fleiner Tischchen wurden Spielsachen, namentlich Ballons, verkauft, oder allerlei Früchte, meist Wassermelonen and geröstete Kürbiskerne. Auf fleinen Karren bot man Eis and falte Limonade feil. Ein Starussell lockte die Kinder an fich. Ausrufer und Hausierer füllten die Luft mit ihren schrillen Anpreisungen und die mechanischen Klaviere lieferten die Begleitung dazu. Sogar die unvermeidlichen bettelnden Krüppel waren in Feststimmung und sahen ganz
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,, Gott sei Dank!" sagte Diambra mit einem herzlichen Lachen, das verkündete, wie feierlich sie die Weissagung nahm. Nun war die Reihe an Lidda.
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Sie sind jung und schön Sie haben einen Freund, der Sie liebt aber ein Mann begehrt Sie ein Mann, der Ihnen Böses zufügen willer wird Ihnen ungeheures Herzeleid und Unglück bereiten aber der Mann, den Sie lieben, wird immer Ihnen zur Seite stehen und Sie werden glücklich werden!"
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" Jezt Sie, Herr Donato!" sagte Diambra lächelnd, ohne zu ahnen, daß es Lidda ganz kalt ums Herz geworden war. Der junge Mann stand voll Spannung und erfuhr, daß fie" ihn liebe und daß sie glücklich werden würden. Auf dem Rückwege loďte Diambra mit launigen Fragen fein kleines Geheimnis aus ihm heraus.
„ Sie" hatte einen Monat mit ihrer Mutter bei ihnen gewohnt. Den legten Abend waren sie unten auf dem Altan gestanden, und er hatte sie ihrer Mutter anvertrauen hören, daß sie ihn liebe. Und sie wußte nicht, daß Sie in der Nähe seien und es
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hörten?" ,, Nein," lächelte er schwermütig.
Diambra lachte wieder mit maliciösem Berständnis. Die Trattoria, das lezte Haus der Stadt, lag an dem äußersten Gelände gegen Norden. Vor dem Zimmer, in welchem der Tisch gedeckt war, lief ein breiter Altan, von dem aus man in einem einzigen Blicke die ganze wunderbare Colca d'oro umfaßte, das tiefliegende Palermo , den massiven Monte Pellegrino und das Meer bis nach Ustica . Sie standen schweigend auf dem Altan und füllten ihre Lungen mit dem balsamischen Lufthauch aus den blühenden Orangegärten, die wie ein einziges glänzendes Laubdach zu ihren Füßen lagen. Bald darauf kamen die beiden Männer zurück, und man ging zu Tische. Könnt Ihr erraten, wen ich getroffen habe?" begann. Gianandrea sogleich.
Ficarotta!" entfuhr es Lidda, während sie ihn über den Tisch hinüber mit erschreckten Augen und halboffenem Munde ansah. Ettore schlug ein homerisches Gelächter an, als er diesen merkwürdigen Namen hörte.
Ja, getroffen!- Aber Du siehst ja ganz entsetzt aus,
Lidda!"
„ Ach, Ihr müßt wissen," fiel Diambra ein, daß wir bei einer Wahrsagerin gewesen sind. Lidda ist seither ganz verstummt. Ich sollte durch böse Zungen allerlei über Ettore erfahren, und Lidda hatte einen, der sie verfolgte und ihr ein Leids zufügen wollte Aber es endet alles glücklich," fügte sie lächelnd hinzu.
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