Zlnlerhaltlmgsblatt des Horwärts Nr. 192. Sonnabend � den 3 Oktober. 1903 (Nachdruck verboiey.Z HndrczQ Vöft. Gauernroman von Ludwig Thoma . . �„Daß d' gar nimmer kimmst. Xoverl? Seit guatding drei Wocha hascht di nimma schg'n lassen." ..Unter der Arndt hon i koa Zeit auf dös." „Sinscht Host d'a wohl Zeit g'numma." „Jetzt is halt net ganga." Sie ging schweigend ein paar Schritte neben ihm her. Dann fragte sie:„Hoscht d'as dahoam scho g'sagt?' „Ob i was g'sagt Hab?" „Frag' it a so! Hoscht nix g'sagt, daß i in der Hoff «ung bin?" „Dös geht do bei mir dahoam neamd was ol De wern sie nix bekümmern um dös." „Hoscht ma's du i g'hoaßen. daß d' mi heiratst?" „Da is mir nix bekannt." „So redst du jetzt? A so tatst ma's du macha? Hoscht it g'sagt, du brauchst durchaus koan Angst it z' Hamm?" „Geh du dein Weg und laß mir mei Rnah!" „Jetzt tat'st di weglaugna, du ganz Schlechterl Aba du derfst di zahl'n grad gnua!" „Des werd sie aufweisen: da fand anderne aa no be- teiligt" „Dös ko'st du net mit Wahrheit behaupten." »Jetzt geh mir aus'n Weg! I ho mit dir nix mehr z'reden." Die Ursula kam das Weinen an. Dicke Tränen liefen ihr über die Backen, und sie wischte sich mit den schwieligen Händen über das Gesicht, daß es um und um naß wurde. Sie wollte reden, aber die Worte kamen nur ruckweise heraus.„Wie'st dös erstmal... Wie'st an's Fcnschta kcmina bist.. do hoscht g'sagt. i brauch mi nix bekümmern, hoscht g'sagt, und's Heiraten is ma g'wiß... und jetzt gangst mit solchcne Lugen um. und bei da Hollastauden hiebei, da hoscht g'sagt, i brauch mi durchaus nix bekümmern, und jetzt brach'st d'as so für, als wenn anderne beteiligt g'wen war'n-- „Dös werd si aufweisen," sagte der Hierangl Xaver und ging weg. Es war ihm nicht mitleidig zumute, und er sah sich nicht um nach Ursala, die mit den Aermeln ihre Tränen trocknete und nicht wußte, sollte sie stehen bleiben oder dem Xaver nach- laufen. Weil sie aber sah, daß er schnell dahinging, dachte sie, daß ihr alles Reden nichts helfen würde. Sie richtete das Kopftüchel zurecht und öffnete ihren Handkorb. Auf der Innenseite des Deckels war ein Spiegel angebracht, und Ursula betrachtete ihr Bild darin. Es sah nicht vorteilhaft aus. Ueber das sommersprossige Gesicht waren schwärzliche Streifen gezogen: sie kamen von den Tränen und den schmutzigen Fingern. Auf zehn Schritte wäre es zu sehen gewesen, daß sie ge- flennt hatte: deswegen spuckte sie in ihr Taschentuch und ver- wischte die Spuren. Und darax ging sie langsam ihren Weg. auf den Tanzboden, Der Weblmger Wirt hatte einen guten Tag. Saal und Swben waren gefüllt, und im Nebenzimmer saßen alle Honoratioren, auf die er gerechnet hatte. Die Herren Lehrer aus der Umgebung, der Förster von Pellheim, der Verwalter von Hohenzell und der Stations- kommandant Hermann. Unter der Türe erschien ein junger Mann. Er grüßte freundlich und wurde von allen will- kommen geheißen.„Bei mir ist noch Platz," sagte der Lehrer Stegmüller von Erlbach.„Darf ich die Herrschasten mit- einander bekannt machen? Herr Mang, Kandidat der Theologie— Fräulein entschuldigen, jetzt Hab ich den Namen vergessen.,. „Sporner," sagte das hübsche Mädchen, welches neben ihm saß. „Fräulein Sporner. die Nichte des Herrn Collcga von Aufhausen. Den kennen Sie ja schon?" „Gewiß habe ich schon die Ehre gehabt. Wenn die Herr- schaftcn erlauben, dann bin ich so frei," sagte der Kandidat der Theologie und setzte sich mit linkischer Bescheidenheit nieder. Er hatte ein hübsches Gesicht und lustige braune Augen: seine Bewegungen verrieten Kraft und Geschmeidigkeit, aber er war nicht frei von der angelernten Würde, die man für den geistlichen Beruf braucht. Dazu kam noch einige Schüchternheit im Verkehr mit Damen, und Fräulein Sporncr war ein schönes Mädchen, vor dem ein junger Studiosus wohl erröten konnte. Darum war es nicht verwunderlich, daß Sylvester Mang sich einige Male durch die Locken fuhr und keinen rechten Platz für die Hände fand, und daß er nach längerem Besinnen sagte, es sei heute ein schöner Herbsttag. „Wundervoll," meinte Fräulein Sporner,„es ist über- Haupt so hübsch hier." „Fräulein sind noch nicht länger da?" „Nein." Wir haben gerade von Ihnen geredet, Herr Mang." sagte der Lehrer von Aufhausen.„Am nächsten Sonntag haben wir ein Hochamt, und da könnten wir einen guten Tenor brauchen." „Wenn Sie wünschen, stehe ich gerne zu Diensten." „Sie tun mir einen großen Gefallen damit." „Sie sind Sänger?" fragte das Fräulein. „Ja, das heißt, ein wenig. Natürlich nicht geschult." „Der Herr Mang hat einen prachtvollen Tenor." unter- brach ihn Stegmüllcr.„Ich sag' Ihnen, Fräulein, da können Sie in der Stadt lang suchen, bis Sie einen solchen Tenor finden." ,Da freue ich mich auf den Sonntag." ..Wenn Sie nur nicht zu stark enttäuscht werden, Fräu- lein. Ich habe gar keine Uebung mehr." „Er ist überhaupt ein musikalisches Genie," rühmte Steg» mllller.„Ein Künstler auf der Violine. Ja, wenn ich das gekonnt hätte, säß ich nicht als Schullehrer in Erlbach! Eigentlich is's sckad. daß Sie Geistlicher werden." „Es ist ein idealer Beruf," sagte Sylvester. Und er sah bei diesen Worten nicht weniger altklug aus, wie andere junge Leute, welche etwas Großes behaupten. Fräulein Sporner nickte ernst und verständnisvoll zu seinen Worten. „Die Kunst, das wär mein Fall gewesen," seufate Stegmüller.„Frei sein, wie ein Vogel in der Luft und auf niemand Obacht geben. Und leben können, wo man will." „Treiben Sie auch Musik, Fräulein?" fragte er. „Klavier habe ich gelernt, aber ich hab's nicht sehr weit gebracht." „Sie sollten einmal den Herrn Mang begleiten." „Da kann ich nicht genug." Sylvester freute sich, daß ein Gespräch im Gange war. in dem er seinen Mann zu stellen wußte. Er stellte höfliche Fragen und rühmte alle Werke, welche das Fräulein her- vorhob. Und als sie sagte, kein Lied gefalle ihr besser, als das „Am Meer" von Schubert, fiel Sylvester leise ein: „Das Meer erglänzte weit hinaus..." „Auch das Gedicht ist herrlich," lobte das Mädchen. „Von Heine," sagte er.„Ich Hab es einmal bei einem Maifest gesungen, am Gymnasium. Der Rektor sagte aber. ich hätt' es nicht tun sollen." „Wenn es so schön ist!" „Er meinte, weil Heine doch ein Gottesleugner war* Fräulein Sporncr mußte wieder den Ernst des jungen Mannes bewundern. An allen Tischen wurde die Unterhaltung lebhafter. D«. Frauen hatten sich vieles zu erzählen: die eine hatte ihren Mann pflegen müssen, der andern war ein Kind krank geworden- Die Fleischpreise gingen in die Höhe, Schmalz und Eier wurden nicht billiger. Manche führte Klage über die Mühen ihres Eheherrn, und als vom Tanzsaal herunter schrille Musik und Stampfen vernehmlich wurden, sagte die Frau Stations- kommandant:„Es wird doch hoffentlich nicht schon wieder eine Rauferei geben. Mein Mann weiß so nicht mehr wo aus. vor lauter Arbeit, und mit den jungen Gendarmen, die wir jetzt haben, ist ihm nicht viel geholfen. Gelt Karl?"
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25 (3.10.1908) 192
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