Bulgarien für jenes Gebirge nie gebraucht, dafür aber StaraPlanina(der„alte" oder„hohe" Berg) gesagt wird. Da-Z Gebirgehat westlich vom Durchbruch des Jsker lNebenflub der Donau)seinen Hauhtabfall an der Nordseite, villich davon auf der Südseile,und es hängt wohl mit dieser Bruchzone zusammen, daßvon den zahlreichen heißen Quellen auf der Nordseite nur zweiwestlich vom JSler, also bei dem Steilabfall liegen; östlich vomJsker sind sie auf der Südseite zu suchen. Bekannt sind lL8 Mineral-quellen an 75 Orten. Der höchste Berg des Balkans ist derIumrukeal mit 2385 Meter. Es sind zahlreiche Pässe mit zumTeil guten Fahrstraßen vorhanden, die auch eifrig benutzt loerdeu,aber über keinen führt bis jetzt eine Eisenbahn; östlich vom Schipka-Paß wird jedoch eine Transversalbahn bald den Verkehr vermitteln.Die einzige Bahn, die den Balkan queri, benutzt das herrlicheDurchbruchstal des Jsker, erforderte aber trotzdem noch22 Tunnel. Parallel zum Balkan geht die Sredna Gora,die ebenso wie der Balkan noch viele Wälder aufweist.Ihr gegenüber liegt auf der anderen Seite des Mariza-Beckens das Rhodopegebirge, steilwandig aufragend wie eine ge-waltige Mauer, die am Westende im Musallah mit 2324 Meter ihrenHöhepunkt erreicht und dort in das massige Nilagebirge übergeht; diesem wieder ist nördlich die prächtige Witoscha(2287 Meter)isoliert vorgelagert.Bulgarien besteht geographisch auS drei Teilen: 1. Nord-Bulgarien, das sehr passend auch Donau-Bulgarien genanntwird; 2. dem Balkan; 3. Süd-Bulgarien(Ost-Rumelien)"),das analog Mariza-Bulgarien heiße» könnte.Sowohl von unseren Zeitungen her wie auch durch unsereAtlanten sind wir gewöhnt, von den Balkanländern als den„kleinen" Ländern zu sprechen. Das kommt aber hauptsächlich da-her, daß unsere Atlanten die nichtdeutschen Länder in kleineremMaßstabe darstellen als die deutschen; Professor Kassner sagt dahermit Recht:„ES wird mancher überrascht sein zu hören, daß dasFürstentum Bulgarien einerseits genau doppelt so groß ist wie dasKönigreich Serbien und andererseits so groß ivie die beiden Königreiche Bayern und Württemberg zusammen". Die Bevölkerung(13(154 328 233 Einwohner) ist noch dünn gesät— in Nordbulgarien 47,in Südbulgarien 33, im Mittel 44 Einwohner auf 1 Ouadratkilo-meter,— so daß das Land noch viel Platz bietet, zumal auch dietürkische Restbevölkerung allmählich auswandert(1833— 1832: 64333).Während aber in Deutschland auf 1333 Einwohner nicht ganz37 Geburten kommen, weist Bulgarien deren 45 auf. Ja, es giltgeradezu als ein Unglück, wenn sich bei einem jungenEhepaar nicht innerhalb der ersten zwei Jahre der sehnlichsterwartete Nachwuchs einstellt. Uneheliche Kinder sind ver-hältniSmäßig selten. Auf 1333 Männer kommen nur 363 Frauen.Die Zunahme der Bevölkerung ist erstaunlich groß, denn sie über-trifft mit 15 Proz. wohl die aller anderen europäischen Staaten,aber wie gesagt: Platz ist noch genug da. Trotzdem findet auch eineArt Sachsengöngerei statt, allerdings aus dem dichtbesiedeltsten TeilBulgariens, der Umgegend von' Tirnowa; große Scharen vonMännern ziehen alljährlich von dort nach Rumänien. Siid-Rußlandund Ungarn, wo sie Ackerland pachten und Gemüse bauen. Be-sonders Wanderlustige sind schon bis nach Belgien gelangt, und 1873soll ein Trupp in Metz durch die Belagerung überrascht wordensein; selbst nach Amerika geben einige auf kurze Zeit. Da sie, wiefast alle Bulgaren, sehr sparsam leben, bringen sie große Summenalljährlich nach Hause, die man schon auf über 3 333 333 Fr. ge-schätzt hat. Die Sparsamkeit ist weit verbreitet und artet öfter biszum Geiz ans.Das Klima der Balkanhalbinsel ist bei ihrem gebirgigenCharakter ungleich rauher als das der Apenninischen undPyrenäischen Halbinsel. Schon die Römer erwähnen denstrengen und frühzeitigen Winter des Haemus und der ProvinzenMoesia und Daeia mediterranea. Bulgariens Klima zerfälltin Gebiete, die mit den Pflanzenzonen fast identisch sind:das pontische Gestade, die Niederungen an der Donau, diethrakische Ebene und die Gebirge, besonders das Bergland des Westens.Die wichtigsten Eigenschaften des Klimas sind: kurzer heißer undregenarmer Sommer, kurzer, trockener Winter, reichlicher Frühjahrs-und Herbstregen, dabei schroffe llebergänge und große Differenzder höchsten Sommerwärme und stärksten Winterkälte, in Sofia vonff- 33 Grad Celsius bis— 19 Grad Celsius. Regelmäßig ist sowohlder„Altweibersommer" im November, als in den Berglandschaftender verspätete Schneefall im April oder Anfang Mai.Viele Reisende unserer Tage beklagen die baumlose Oede,die sie bei einer raschen Wanderung durch die Landschaften Bulgariensiiberrascbt hat. Sie beschränkt sich aber nur auf die großen Ebenen,die Talsohlen gewisser Bergkessel und besonders, wie in allenehemals türkischen Provinzen auf die Umgebung dergroßen Städte. Es ist auch der Mangel an Straßenalleenund isolierten Bäumen, der diesen traurigen Eindruck hervorruft.Abseits von den Hauptstraßen gelangt man jedoch bald in aus-gedehnte, niedrige Buschwälder, ja, in abgelegenen Gebirgstälernkann man sich sogar an den herrlichsten, hochstämmigen Urwäldernerfreuen, die Südeuropa aufzuweisen hat. Die Verteilung diesesbewaldeten Bodens ist auf der neuen russischen Karte überall genaumit Farbendruck angegeben. Das Gesamtareal der Wälder wird•) Ostrumelien, durch Vertrag vom Jahre 1873 neugeschaffen, istdie Südvrovinz Bulgariens.offiziell, allerdings mit Einschluß der niedrigen Buschwälder, aufungefähr l'/e Millionen Hektare angegeben.Im Mittelalter waren die Wälder ohne Zweifel viel größer.Berühmt war die riesige Silva Bulgariae, die die Kreuzfahrer ausdem Wege von der Donau zum Trajanstor durchzogen. Doch schonRitter Dernfchwan fand in der Hälfte des 16. Jahrhunderts dieBerge zwischen Sofia und Pirot so kahl, und die ganze dortigeGegend so holzarm, wie wir sie heute sehen. Am Anfang des13. Jahrhunderts haben die Türken bei der Versolgung derRäuberheere der Kyrdzalis Waldbrände angelegt und dadurch dasLand nicht wenig verwüstet. Großen Waldschaden verursachten, wiein anderen Ländern der Halbinsel, die planlosen Verwüstungen beimHolzfällen, die zahlreichen, dem Nachwüchse so schädlichen Ziegen-Herden und die von den Wanderhirten zur Gewinnung einer besserenWeide im Herbst angelegten Grasbrände.Holzarin und fast waldlos sind die Donaulandschaften beiVidin, Lompalanka, Rachowo und Svistow, die Steppe der Dobruza,die Ebenen Thrakiens und endlich ein breiter Strich, der sich vomRilagebirge nordwärts bis gegen Pirot erstreckt und die Becken vonDupnica. Radomir, Sofia und Breznik nebst manchenangrenzenden Höhen(z. V. der Silin Planina) umfaßt. Da gibt esLandschaften, wo man Ziegel auf Strohfeuer brennt, an der Donaubei Vidin ebensogut wie z. B. bei Slivuica. In den Ebenen sindan den Flüssen auch Auen und Sumpfwälder vorhanden. Diegrößten, aus Weiden, Erlen und Pappeln bestehend, gibt es natürlichan der Donau, sie gehören aber mit den Inseln und Sümpfen meistRumänien, da sich das die Grenze bildende Fahrwasier in der Regelan das hohe bulgarische Ufer anschließt. Auen gibt eS auch an derMaritza, an der unteren Tundza und im Mündungsgebiet derKameija.Von den Haustieren ist nach Jereeek, dessen umfangreichesWerk über„Bulgarien" unS hier als Quelle dient, an erster Stelledas Pferd zu nennen. Auf der ganzen Halbinsel überwiegt eineeinheimische Gebirgsraffe, kleine, zottige Tiere, von dunkelbrauner,selten weißer Farbe, die bei aller Uuscheinbarkeit stark und auS-dauernd sind und in großen Heerde» auf hochgelegenen Vergwiesengezüchtet werden. Der Esel ist überall vorhanden, in den EbnenRumelienS sogar zahlreicher als das Pferd. Der Maulesel ist dasHaupttier der Rhodope. Das Kamel kam mit den Türken in dieseLänder und zieht sich mit diesen wieder zurück.DaS wichtigste Haustier des bulgarischen Ackerbaues ist derBüffel. Dieses im Norden Europas wenig bekannte und selbst inUngarn und Italien nicht häufige Tier ist niedriger und länger alsder Ockse, mit stark zurückgebogenen Hörnern und einem feinenschwarzen oder dunlelgrauen Fell. Seine Bewegungen sind trägeund langsam, aber seine Arbeitskraft übertrifft die deSOchien, obwohl eS viel Pflege erfordert, fast wie einPferd. Von einer angeblichen Wildheit und Reizbar-keit ist bei dem phlegmatiscben Tier keine Spur zu merken.Die Büffelmilch ist reiner und schmackhafter als die Kuhmilch, ebensodie Butter. Die Existenz des Tieres ist an ein regelmäßigesSchlammbad gebunden; es muß einige Stunden täglich im Wanerstehen oder sich im Schlamme wälzen. Deshalb befinden sich in denBauernhäusern einige Behälter, in denen die Büffel bequem bis aufden Kopf untertauchen können; manche Dörfer haben eigene gemein-schaftliche Tümpel dazu. Im Sommer sieht man auf den Straßen überallBüffel, die von einer dicken, gegen die Sonne und die Insektenschützenden Schlammkruste ganz überzogen sind, langsamen Schrittesschwere Wagen ziehen. Ein. unentbehrliches Gerät bei jedem Büffel-gespann ist auch ein hölzerner oder blechener Schöpflöffel zumBegießen der Tiere. Das Rind ist klein, kleiner als das ungarische,von weißer oder schmutzig weißer Farbe, mit großen Hörnern. �Die Schafe, Ziegen und Schweine unterscheiden sich nicht vondenen der übrigen Balkanländer. Mit den wild zudringlichen Hundender Bauern und Hirten muß der Reisende oft unangenehme Be-kanntschaft machen; die grauen Hirtenhunde sehen nicht selten wieBastarde von Hunden und Wölfen auS. Als Jagdmeute dienenmeist Windhunde.Von den Raubtieren ist das größte der Bär. Seine Ver-breitung ist bereits recht eingeschränkt. Eine Landplage sind dieWölfe. Sie fehlen in keiner Gegend. Der Schakal kommt wohlnur im Osten der thrakische» Ebene und an der PontuSküste beiBurgas vor; im gebirgigen Westen ist er unbekannt, ebenso wie inSerbien; Füchse und Wildkatzen gibt es überall in den Wäldern.Der Luchs ist selten. Im übrigen bietet die sonstige TierweltBulgariens, in der die Vogelwelt stark vertreten ist, nichts besondersBemerkenswertes.Die Bevölkerung Bulgariens ist in aufsteigender Ve»wegung begriffen, jede Volkszählung ergibt ein starkes Wachstum,daneben zeigt sich durch Einwanderung, Auswanderung und Um-siedelung eine fortwährende Bewegung in der Bevölkerung. ImVordergrunde steht einerseits das Schwinden der Türken durch Massen-hafte Auswanderung, andererseits die unaufhaltsame Ausbreitung derBulgaren über das ganze Land. An erster Stelle stehen natürlich dieBulgaren, dann folgen die Türken, Rumänen, Griechen, Zigeuner,spanischen Juden, die anderen Slawen, Deutschen, Franzosen usw. Diebulgarische Sprache gehört zur Südoslgruppe der slawischen Sprachen,sie hat aber cigemüniliche Besonderheiten, die ihr eine besondereStellung anweisen. Der Wortschatz der Bulgaren zeugt in seiner Eigen-tümlichkeit von dem konservativen Charakter des Volkes, bei nähererBeobachtung fällt sein großer Reichtum auf. Sehr mannigfaltig,