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aber noch wenig erforscht sind die Dialekte, die man in zwei große Gruppen teilt: eine östliche und eine westliche. Beide haben wiederum mannigfaltige Mundarten. Die bulgarische Kirche ist ein Teil der orthodoren orientalischen Kirche und bedient sich derselben altslawischen Kirchenbücher wie die Serben und Russen. Sie ist eine historische Fortsetzung der mittelalterlichen bulgarischen Nationalfirche, die unter der Türkenherrschaft von dem Konstantinopeler griechischen Patriarchat annektiert wurde.

Kleines feuilleton.

Kulturgeschichtliches.

Selbstmord als Todesstrafe. In Europa hat man bis ins 19. Jahrhundert hinein den Selbstmördern nicht nur das firchliche Begräbnis versagt, fie oft schimpflich begraben, sondern auch den Selbstmordversuch unter strenge Strafen gestellt. Geholfen Einen einheitlichen bulgarischen Typus gibt es nicht, und nach hat dies freilich nicht viel, da es eben stets entschlossene Todes­Abstreifung der nationalen Tracht ist der Bulgare auf den ersten kandidaten gab, die sich selbst durch die schärfsten Strafandrohungen Blick nicht so leicht zu erkennen, wie z. B. der Armenier oder der nicht davon zurückschrecken ließen, Hand an sich zu legen. In Deutsch­Jude. Es ist die Folge der Völkermischung, aus der sich land und den andern Kulturländern macht sich freilich heute eine die heutige Bevölkerung im Laufe von mehr als einem andere Auffassung des Selbstmordes geltend: Man erblickt in den Selbst­Jahrtausend herausgebildet hat. An Wuchs ist der Bulgare eher klein mördern nicht mehr so sehr Verworfene als Unglückliche. Anders als groß. Der Bergbewohner des Balkan vom Jster bis zum allerdings in Rußland und anderen slawischen Ländern, wo man bis Pontus sowie der ihm verwandte Bauer der benachbarten Donau - auf den heutigen Tag nicht wagen darf, einen Selbstmörder etwa und Marigaebene hat meist einen fleinen, gedrungenen, fnochigen mit firchlichen Ehren zu bestatten, da sich hartnädig die Ansicht be und elastischen Körper. Hochgewachsene, schlanke Gestalten über- hauptet, daß der Selbstmörder, da er unbußfertig gestorben sei, der wiegen in der Niederung an der Donau von Timok bis Pleben und ewigen Seligkeit nicht teilhaftig werden könne und als Blutsanger, im Gebirgsland bei Sofia , Radomir und Trn. Beleibte Personen Vampyr den Lebenden Verderben bringen müsse. find selten, viel feltener als unter den Türken. Das Haar ist mordes war man im Altertum äußerst tolerant gegen den Selbst­Ganz im Gegensatz zu dieser christlichen Auffassung des Selbst­meist dunkel und hart; frausköpfige Personen finden sich nur wenige. Neben schwarzem Haar sieht man meist dunkelbraunes mit rötlichem mörder. Bei uns sucht man bekanntlich auf jeden Fall zu verhindern, Stich; ein nordisch hellblonder Kopf ist eine Ausnahme. Aeußerst daß ein zum Tode Verurteilter das Urteil an sich selbst vollstreckt, mannigfaltig find die Gesichtstypen. Es gibt slawische Ge- und bringt ihn deshalb in die Mörderzelle und läßt ihn dort Tag sichter, wie man sie in Rußland , Polen und Böhmen an- und Nacht bewachen und falls es dem Unglücklichen doch gelingen trifft, daneben romanische, die auch in den serbischen Ländern stark sollte, einen Selbstmordverfuch zu machen, stellt man den armen bertreten sind, ferner griechische, besonders in den Städten( Philippopel, Todeskandidaten, oft unter Aufwendung aller Finessen der ärztlichen Trnovo, Svistov usw.), dann auch armenische und kaukasische Wissenschaft, wieder her, um ihn dann bald danach von Rechts mit starken Nasen, nicht nur unter den Stadtbürgern, sondern zum wegen hinzurichten. Dagegen zwang man in Attika den Verurteilten, Beispiel auch in der Ebene bei Philippopel . Die breiten, faft auf das Urteil an sich selber zu vollstrecken, wie uns ja von Sokrates , Wie uns gedunsenen Gesichter mit kleiner Nase und vortretenden Backen- der den Schierlingsbecher trinken mußte, bekannt ist. fnochen, z. B. bei Sofia und in gewissen Balfantälern, verraten alt- Mudolf Hirzel, ein Kenner des klassischen Altertums, in einer Ab­türkische, petschenegische oder tumanische Abfunft, ja so mancher handlung über den Selbstmord im legten Heft des Archivs für rottvangige Bulgare aus dem Balkan des Kreises von Trnovo Religionswissenschaft" berichtet, machte man sogar schon den dreißig sieht mit seinen buschigen Brauen über dem dunkeln Auge, dem langen Tyrannen den Vorwurf, daß sie die Menschen nötigten, den Gift abwärts gedrehten Schnurrbart und dem spärlichen Bartwuchs des becher zu leeren und so Mörder ihrer selbst zu werden. Dementsprechend Stinns ganz tatarisch oder kalmückisch aus. Es fehlt endlich, wie faßt auch Plato den Tod des Sokrates als aufgenötigten Selbstmord auf. in Rumänien , nicht an Zigeunertypen. In Mazedonien und in der Auch bei ganz anderen Völkern finden wir mitunter die Neigung, Rhodope gibt es einen rührigen, dürren, brünetten Menschenschlag die Vollstreckung des Todesurtels dem Verurteilten selbst zu über­mit kleinem Kopf und kurzem Kinn. Unter den Männern findet lassen: wir brauchen nur an die grüne Schnur des Drients und an man manches schöne Antlig. Die Frauen haben mehr intelligente das Harakiri Japans zu erinnern, das bei weitem nicht immer frei­als schöne Gesichter: an Schönheit des weiblichen Geschlechtes find willig geübt wurde. Was die Gründe diefer Legalisierung des Selbst­alle übrigen Balfanvölfer reicher ausgestattet als die Bulgaren. mordes anbetrifft, so handelt es sich vielfach um eine Milderung der Die geräumige Ausdehnung der Städte mit deren geräumigen Strafe, in anderen Fällen dagegen erscheint ein solches Ver­In beiden Haushöfen und Hausgärten hat früher zu mancher Ueberschäßung fahren wiederum als ausgesuchte Grausamkeit. bedeutsam, daß der Nichter selbst der Bevölkerungszahl geführt. Die Volkszählungen der neuen Ver- Fällen war aber sehr Verurteilte sich ja waltung haben die Erwartungen auf ein bescheidenes Maß zurück von jeder Blutschuld freiblieb, da der Dies geführt. Eine Stadt von der Größe von Bukarest , Galatz oder selbst getötet hatte und nicht hingerichtet worden war. Athen gibt es in Bulgarien noch nicht. Die größte Bevölkerung Motiv war bei der Einführung dieser eigenartigen Art der Straf­hat Sofia mit 820 187 Einwohnern. vollstreckung so wirksam, daß es durchaus glaubwürdig ist, wenn uns alte Schriftsteller erzählen, der Kaiser Tiberius sei infolge dieser Erwägung veranlaßt worden, den Selbstmord der Berurteilten auf jede Weise zu begünstigen, besonders dadurch, daß in diesem Falle nicht wie sonst ihr Vermögen konfisziert wurde.

Die neue Verwaltung hat in den Ortsnamen hier und da Veränderungen vorgenommen, besonderns in den Dorfnamen türkischen Ursprungs, für die vielfach russische Feldherren und bulgarische

Revolutionsmänner neue Namen lieferten.

In der Anlage der Städte herrschen wie in dem der Dörfer gleichfalls zwei Haupttypen vor. Der eine ist orientalisch und umfaßt die weit ausgedehnten Städte der Ebenen in der Regel mit gemischter Bevölkerung, wo die Häuſer meist im Innern von großen Gärten oder Höfen stehen und die Gaffen zum Teil mur mit einförmigen Hofmauern eingezäunt sind. Von dieser Art ist Sofia in seinen älteren Teilen, Ruscut, Kazanlyk usw. Der zweite Typus erinnert sehr an die mit möglichster Raumersparnis an­gelegten okzidentalischen Städte mittelalterlichen Ursprungs, mit dicht gedrängten, an die Gasse selbst vortretenden Wohnhäusern; dazu gehören die vorwiegend christlichen Städte der Berglandschaften, zum Beispiel Trnovo.

Aus der Pflanzenwelt.

Jedem Laubenbesizer ist wohl schon die Melde( Atriplex) als Unkraut höchst lästig gefallen. Sie erzeugt ungemein viel Samen und kommt auf dem schwächsten Sandboden fort. Ist nun diese Pflanze im allgemeinen auch nicht gerade gern gesehen, so läßt sich doch auch gutes von ihr sagen, denn solange sie jung ist, gibt sie einen ausgezeichneten Stohl und die im Herbst dicht mit Samen befeßten Aeste werden immer gern von unseren Stubenvögeln abgefucht. Wenigstens ebenso lästig, wenn nicht noch viel lästiger ist aber eine andere, den ganzen Sommer bis spät in den Herbst hinein wuchernde Pflanze, die dem Kolonisten von gar keinem Nußen ist. Jeder kennt sie, aber keiner weiß, wie sie heißt, wie mir schon so Im allgemeinen bieten die meisten Städte von der Ferne einen mancher Laubeninhaber bestätigt hat. Das buschige, von 15 bis malerischen Anblick, schon wegen der Menge der Bäume, der Minarets 60 Zentimeter hoch wachsende Gewächs gehört zu derselben Klasse und der Kuppeln der Kirchen, Moscheen und Bäder. Das Innere wie die Kamille, Sonnenblume, Wucherblume usw., nämlich zu den pflegt bei dem ersten Typus durch seine Regellosigkeit und Unrein- Kompositen oder Korbblütern. Wenn man nämlich genau zusicht, lichkeit rasch zu enttäuschen. Im ganzen sind die Drte des zweiten besteht jeder einzelne Blütenkopf aus unzähligen kleinen Blüten, die Typus reinlicher und angenehmer. Allerdings ist auch eine Stadt gleichsam in einem Korbe vereinigt find. Von diesen kleinen Blüten türkischer Art mit ihren weit voneinander stehenden Häusern ge- haben nur die am Rande befindlichen je ein größeres Blumenblatt. sünder, als manche enggedrängte italienische Gemeinde mit ihren So auch unsere Pflanze, mir daß jeder einzelne faum erbiengroße, stockhohen Häusern, engen Gassen und finsteren Wohnungen. auf einem Sticle sizzende Blütenkopf nur fünf mit kleinen weißen Aus Stein oder Biegel sind nur Kirchen, Moscheen, Bäder und über- eingekerbten Blumenblättern versehene Randblüten hat. Die Stiele haupt öffentliche Gebäude. In dem Baumaterial des Privathauses schießen dreigabelig aus den Blattwinkeln in die Höhe, es stehen haben Holz und Lehm die Oberhand; in der Regel wird ein hölzernes immer zwei furz geftielte, schwach gezähnte Blätter einander Stelett aus starten Ballen aufgestellt und dessen Zwischenräume mit gegenüber, deren Form herzeiförmig ist. Die läftige rohem, durch geschnittenes Stroh aufgemischtemLehm oder mit Luftziegeln, Pflanze heißt Galinsoga parviflora( fleinblumige Galinsoge) sehr felten mit Backsteinen ausgefüllt. An manchen Orten sind die und hat ihren Namen von einem Direktor des botanischen Fundamente bis zu einer gewissen Höhe aus Stein, der obere Teil Gartens in Madrid . Auf Deutsch nennt man sie Franzosen­aus dem eben beschriebenen Fachwerk. Die Anwendung von Biegeln fraut. Sie stammt aus Peru in Südamerika , woher sie ent­zum Bau des ganzen Hauses ist eine Neuerung der neuesten Beit. weder mit Warensendungen eingewandert oder absichtlich von Aus diesem Grunde sind die Gebäude älterer Art sehr gebrechlich, Forschern in die botanischen Gärten gebracht worden ist. Ihre wenig feuerficher und werden rasch baufällig. Verbreitung ist Europa , besonders in der Umgebung der größeren Städte soll sie ihren Ausgangspunkt von dem botanischen Garten in Berlin genommen haben. Bertreiben fann man sie nur, indem Iman sie vor dem Blütenansehen ausrodet.

Verantwo. Redakteur: Georg Davidsohn , Berlin.- Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.