Der Pfarrer von Giebing, Dekan und päpstlicher Zaus- Prälat, Mitglied der Kammer der Abgeordneten, sagte zu Herrn Franz. Otteneder: „Ich versichere Sie, Herr Bezirksamtmann, es ist so. Wenn nichts geschieht, haben wir in jeder Gemeinde den Krieg. Es muß etwas getan werden." „Es fragt sich nur, was, Herr Dekan. Ich bin� schon längst informiert, daß die Bündler bei uns Boden gewinnen. Ich erhalte fast täglich Zuschriften von Ihren Kollegen. Ja, das ist alles recht, aber." Otteneder zuckte die Achseln. „Es lassen sich schon Mittel finden, Herr Bezirksamt- wann." „Zum Beispiel?" „Durch persönlichen Einfluß." „Den haben Sie mehr wie ich. Was zu mir kommt, das sind die Bürgermeister. Ich Verkehre nur indirekt mit den Gemeinden; Sie sind an Ort und Stelle." „Aber gegen uns richtet sich die ganze Bewegung. Wir sind Partei, und was wir sagen, gilt nicht. Sie kennen ja unsere Bauern." „Ob ich sie kenne! Deswegen sage ich, wie soll denn ich bei der hartköpfigen Gesellschaft ankommen?" „Sie müssen aber zugeben, Herr Bezirksamtmann, daß man nicht die Hände in den Schoß legen kann. Denken wir an die Zustände in Niederbayern ! Es darf nicht soweit kommen." Herr Dekan Metz beugte sich vor und versuchte, mit der Hand um seinen ausgepolsterten Rücken herum und in die rückwärtige Tasche zu kommen. Nach ein paar hastigen Bewegungen gelang es ihm, und er zog sein geblümtes Taschentuch heraus, mit dem er sich die Stirne trocknete. „Denken Sie an Niederbayern I" wiederholte er, und seine Augen drückten eine ernstliche Besorgnis aus. Otteneder stand auf und ging auf und ab. „Ich habe den besten Willen, Herr Dekan. Ich will keineswegs ruhig zusehen. Gewiß nicht. Aber man redet immer nur von der �Gefahr. Wenn ich nur einmal etwas von den Mitteln dagegen hören würde!" „Ich dachte, es muß gehen." �Fortsetzung folgt. J) '(Nachdruck Berlolen.); Hue der)ugendgesckid)te der Streidrin rtruinente. Dom V i oloncell und seiner Entstehung. Bis in die nebelhaften Fernen ältester Menschheitsgeschichte vcr- kleren sich die Spuren, in denen das Verlangen des erwachenden Menschen sich spiegelt, die engen Grenzen deS halbbewutzten Ichs zu sprengen und Stück um Stück die zauberhafte Schönheit der Umwelt zu erobern. In die Rinde eines Baumes, in den steilen Fels oder tief in die Mauern bewohnter Höhlen gräbt er ein Abbild der Um- gcbung, eine Vervielfältigung der Erscheinungen, und erfinderischer Geist lernt es, der toten Materie auch wundersame Töne zu ent- locken, die der Stimme des Menschen oder des Vogels oder der Wald- tiere zu gleichen scheinen und die der unendlichen Klangwelt der Natur ein neues, vom Menschen erzeugtes Tonreich gegenüber- stellen. Auch das Cello, dessen Entstehen man gemeiniglich in der Zeit der Renaissance zu suchen pflegt, kann seine Ahnenkette bis in dunkelste Vergangenheiten zurückleiten. Soeben ist in London ein interessantes neues Buch von O. Rarster erschienen, das sich mit den Ahnen des edlen Instruments beschäftigt und eS in seinem aben- tcuerreichen Entwickclungsgange bis zu den ruhmvollen Glanztagen des 18. Jahrhunderts geleitet, in denen das Cello endgültig als Gleichberechtigter seinen Ehrenplatz neben der Violine erobert und fortan behauptet. Nicht selten begegnet man einer Ansicht, die das Cello als eine spätere Variante der Violine, als eine Vergrößerung, kurz als jüngeren Bruder einer älteren Schwester betrachtet. Aber wenn auch in der neueren Musikgeschichte das Cello erst allgemach den von der Violine, schneller betretenen Weg zum Soloinstrument zurück- legt, Beweise für das größere Alter der Violine sind schwer zu er- bringen. Mancherlei Anzeichen sprechen sogar für das größere Alter des Cellos, und zwar nicht allein der Umstand, daß die ältesten Tonsysteme wesentlich tiefer als unsere modernen liegen; vor allem die Beschaffenheit der primitiven ältesten Streichinstrumente, die «ls die Urform aller Geigenarten gelten können. Sie waren so wenig widerstandsfähig und so schwach konstruiert, daß sie spärlich die hohen Spannungen der Soprangeige ertragen hätten. Aber diese Frage ist heute noch ebenso ungeklärt wie viele andere in der Geschichte der Streichinstrumente, und eS fehlt nicht an Meinungen« die das Streichinstrument für eine ziemlich neue Erfindung er« klären. Dagegen freilich sprechen mancherlei Anzeichen, die den Ursprung des Streichinstruments nach Indien legen. In alten indischen Sanskritinschriften, die von den Fachgelehrten aus ein Alter von mehr als zwei Jahrtausenden geschätzt werden, tauchen ausführliche Beschreibungen von„Fiedelstöcken", von Bogen zum Spiel der Streichinstrumente, auf, und die Angaben über die Form der Instrumente bestätigen uns, daß das Ravanastron benannte Instrument indischen Ursprungs ist und in den Jahrtausenden kaum Veränderungen erfahren hat. Diese in uralte Zeit verlegte Ent» stehung des Streichinstrumentes erfährt eine weitere Stütze durch ein interessantes altes Gefäß, das sich in der Sammlung griechischer und etruskischer Vasen Lucien Napoleons, Fürsten von Canino, befand; da gewahrt man eine Gruppe Jünglinge, die eifervoll dem Vortrag eines ManneS folgt. Neben dieser Darstellung aber sieht man ein Saiteninstrument abgebildet, das eine genaue Wieder« gäbe des Ravanastrons ist und, quer über die Saiten gelegt, einen fast modern anmutenden Bogen zeigt. Der Ravanastron, dieses ftüheste indische Saitenspiek« besteht im Grunde nur aus einem Stocke, an dessen Ende ein kleiner hohler Zylinder aus Sykomorenholz angebracht ist, über den dick zwei an beiden Stockenden befestigten Saiten laufen. Das R e b a b dagegen, die arabische Fortbildung des indischen Gedankens, besitzt zwar nur eine Saite, aber die schallstärkenden Faktoren find bereits hoch entwickelt. An Stelle des langen Stockes des Ravanastrons tritt hier ein relativ kurzer Hals. Der Rumpf hat sich aus der Beschränktheit der alten kleinen Shkomorenholzrolle zu einem ge- räumigen, breiten, nach oben fich etwas verjüngenden viereckigen Kasten befreit. Die Auflösung der starren Geraden und der harten Ecken führt so bereits zur Grundform unseres BiolincelloS. Um das 7. Jahrhundert unserer Zeitrechnung geht die EntWickelung der Streichinstrumente fast ausschließlich bei den Arabern vor sich. Wohl scheinen auch in Europa mit Bogen gespielte Saiteninstruments bereits vorzukommen; Venantius Fortunatus erwähnt bereits 609 die„Chrotta" der Britannier, die sich in ihrer seltsamen Form nur in England und in der Bretagne längere Zeit hielt, während sis in Deutschland und Frankreich rasch umgestaltet ward. Aber diess einzelnen Versuche fahrender nordischer Sänger können sich in ihrer Bedeutung nicht messen mit dem Strom von Musikbegeisterung, der damals alle die Städte durchzog, in denen die dem Höhepunkt ihrer Macht zustrebenden Araber heimisch waren oder wurden. Sia hatten das ganze persische Musikshstem übernommen; allein von ihrem Lieblingsinstrument, der„el oud", besaßen sie dreißig Ab» arten, daneben nicht weniger als 14 verschiedene Typen von Streich» instrumenten. Von diesem Reichtum ist wenig geblieben; nur bis Rebab und die Kermantsche haben den Sturm rauher Jahrhunderts überdauert. Aber sie erzählen kaum noch etwas von dem märchen» haften Glanz vergangener Tage. Der zerlumpte Stratzengänger, der in Kairo von Cafö zu Caf6 streift, um seine Lieder zu fingen. er weiß nicht, daß dies meist einsaitige Instrument noch ein Zeug- nis jener Glanzzeit ist, da seine Vorfahren siegreich in Europa ein- drangen, Spanien unterwarfen und nahe daran schienen, die Welt» Herrschaft zu gewinnen. »»» Diese Zeit höchster arabischer Macht und Lebenskultur gibt der leise fich entfaltenden Blüteepoche des ritterlichen Mittelalters daS Instrument, das zur Fortbildung ausmündet in die Streich« instrumente, die heute uns die Klänge Mozart ? und Bachs ver» Mitteln. Die Kreuzfahrer und die Minnesanger zogen mit dem neuen Instrument durch die Lande und sangen den Preis ihrer Herzensköniginncn. Streichinstrumente wurden ja damals all- bekannt und beliebt. Bereits aus dem S. Jahrhundert besitzen wir die Darstellung einer einsaitigen Gigue, und bei Otfried taucht bereits die Fidula auf. Im Museum zu Rouen findet man eh» Basrelief , der um 1666 errichteten St. Georgs-Kapelle von Boscer» ville entstammend, auf dem man eine Gestalt gewahrt, die zwischen den Knien ein anscheinend dreisaitiges Streichinstrument hält, auf dem sie mit dem Bogen spielt. Hier sind die alten eckigen Formen der Rebab ganz aufgegeben: weiche, wellige Linien und runde Kurven, die überraschend mit unserer heutigen Geigenform überein- stimmen. Außerordentlich interessant ist ein Marmor-Basrelief aus dem 12. Jahrhundert, das im Kölner Museum bewahrt wird und daS eine vollkommene Kniegeige von auffällig hochentwickelter Form erkennen läßt. Aber diese wachsende Vertrautheit mit dem Saiten» spiel brachte im Mittelalter kaum weitere technische Fortbildungen auf dem Gebiet des Jnstrumentenbaues. Den Improvisationen der sangesfrohen Troubadoure genügte die Fiedel, wie sie war. Es blieb der Renaissance vorbehalten, dem Bau der Streichinstruments in kürzester Frist eine Vollendung zu geben, die auch die selbst« bewußten Kinder des 20. Jahrhunderts nicht mehr zu erreichen ver« mochten. > So wenig wie die Violine, so wenig ist auch daS Cello „??« funden" worden. Beide, und mit ihnen die zahllosen Zwischen« stufen, die rasch vergessen wurden, sind der Endpunkt einer allmäh« lichen EntWickelung, die nur durch den Fleiß und die Kunst viele« Generationen von Geigenbauern schließlich zu so großen Erfolgen führen konnte. Wo das erste eigentliche.Cello" aebaut wurde, ik«
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25 (13.10.1908) 198
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