Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 207.

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Andreas Vöft.

Sonnabend den 24 Oktober.

( Nachbruck berboten.)

Bauernroman von Ludwig Thoma . Der Geitner war nie ein guter Hauser und nie ein richtiger Mann gewesen.

Er hatte sein Gütl schuldenfrei vom Vater übernommen: seine Frau, eine Ristlertochter von Webling brachte Bargeld in die Ehe, vielleicht viertausend Mark.

Und so hätte er ein leichtes Machen gehabt, denn das Gitl war nicht schlecht. Es waren zweiunddreißig Tagwerk Ader und Wiesen dabei und elf Tagwerk Wald, darunter vier mit schlagbarem Holz.

Aber vom ersten Tag an war es nichts mit ihm. Er hatte teine Freude an der Arbeit und auch keinen Verstand dazu. Das Beste an ihm war sein Mundwerk. Mit dem fonnte er gut vorwärts. Er wußte von jedem im Dorfe, wie er seine Sache beffer machen könne, und verwaltete alles, was ihn nicht anging.

Zu allen Tageszeiten war er im Wirtshaus zu treffen, und kein Weg verdroß ihn, wenn in der Gegend ein Preis­Tegeln war oder ein scharfer Tarod.

1908

Das Gerede blieb nicht unter den Weibern. Die Männer, denen es mit der Suppe auf den Tisch ge stellt und des Abends aufgewärmt wurde, konnten es nicht beiseite schieben.

Der Schuller selbst blieb kalt und sagte, daß er nicht den Finger rühre gegen die dummen Lügen.

Er ließ sich auch durch den Haberlschneider nicht irre machen.

Wen soll i denn verklagen?" fragte er. alt'n Weiber von Erlbach?"

,, Ganz guat sei lassen, dös sell tu'st aa net."

"

Vielleicht de

Warum it? Dös woaß do a jeder, daß i mein' Bater mißhandelt hab'. Na, über dös G'red ärger' i mi gar net, weil's z' dumm is!"

net

hab' heut' mit'n Blasibauern g'red't. Er sagt dös nämliche, wia'n i. Dös is an abg'machter Handel." An alter Weibertratsch is', finscit nig." Mir fimmt's it so vor. Wann's bloß a Tratscherei waar, nacha hätt'n mir scho länger was g'hört." Dös ko'n aa fcho länger umgeh'." " Ra; mei Bäuerin sagt, dös is aufganga wia Pulver Früher hat ma foa Silben net g'hört davo'." Was moanst nacha Du?"

Mitunter fam es über ihn, daß er sein Gütl in die Höhe bringen wollte, um den Erlbachern zu zeigen, wie man is mit dem Schreiben von Herrn Held." die Dekonomie treiben müsse. Dann schaffte er die neueſte Maschine an oder kaufte ein teures Roß oder probierte es mit neumodischen Erfindungen, die in landwirtschaftlichen Büchern gepriesen werden.

gang schnurg'rad in Pfarrhof und fraget, was dös Dös woaß i z'erscht, daß dös nig is."

In solchen Zeiten saß er noch einmal so gerne im Wirts­Haus und rühmte sich vor den Leuten, daß er eine neue era auftun wolle in Erlbach.

Lange blieb er nicht bei dem Eifer; über eine kurze Weile war die neueste Maschine von ihm billig zu haben, das teure Roß dazu, der Chilisalpeter lag unbenügt hinten in der Scheune, und der Sieg der Neuzeit wurde hinausge­schoben.

Der Geitner warf wieder die Stegel um, sechs auf einen Schub, wenn es schlecht ging, und wartete mit der Schellencß auf den Zehner.

Es war leicht zu glauben, daß bei einem solchen Han­fieren fein Gedeihen sein fonnte.

Buerst ging das Bargeld der Frau auf Reisen; hinter­drein mußte wie bei allen schlechten Wirten der Wald daran glauben, und als der legte Stamm zu Brettern geschnitten war, ging das Borgen an.

Zu Anfang war es nicht schwierig. Die ersten zwei Hypotheken waren schnell unter Dach, aber für die dritte brauchte es schon Zeit und Ueberredung. Damals hätte der Schuller Gelegenheit gehabt, einen dankbaren Schuldner zu finden. Aber es fehlte ihm der rechte Blick für den Vorteil; er sagte zum Geitner, bloß Narren borgen einem Spieler, und es sei zweimal eine Schande für einen verheirateten Mann, wenn er mit ledigen Burschen und Knechten auf der Kegelbahn herumstehe.

Der Geitner ließ als ein nobler Menso, keinen Berdruk über die Abweisung sehen; aber sie wurmte ihn, und er faßte einen Groll gegen den Mann, der ihm kein Geld, aber gute Lehren mit heimgeben wollte.

Er gab es wohl nicht zu erkennen und blieb angenehm nach wie vor.

Denn er mochte das laute Wefen und Bank und Streit nicht leiden:

Im stillen aber rüstete er 8am Stampfe, und bei der Wahl erwies er sich als nüßliches Werkzeug der Kirche.

Und er verweigerte seine Dienste auch jetzt nicht, als ihm Baustätter den neuen Auftrag erteilte.

Wenige Tage später gingen seltsame Reden über den Schuller um.

Niemand wußte so recht, das und wie, und niemand trußte, woher.

Aber die Ungewißheit machte das Gerücht nicht kleiner; es wuchs von einer Türe zur anderen und die letzte Nachbarin bekam es grausamer aufgetischt, als die vorletzte.

Eines wiederholte sich immer; daß es der alte Pfarrer Schriftlich gemacht habe, wie schlecht der Schuller sei.

fraget do."

geh' nimmer in Pfarrhof, Haberlschneider. Und überhaupts, wann i jeßt auf oamal tam, nacha funnt's der Pfarrer so außabringa, als wenn i a schlecht's G'wissen hätt'." Der Haberlschneider wollte nichts mehr dawider sagen un ging.

Das war an einem Samstag. Schon den Tag darauf hatte die Sache ein anderes Gesicht.

Der Paulimann ging nach der Kirche ins Wirtshaus und trant sich einen Rausch an. Er war sonst ein stiller, wortfarger Mensch und fleißig bei der Arbeit. Aber wenn er ein Glas über den Durst getrunken hatte, wurde es lebendig. Er fing dann mit jedem Gaste Streit an und rückte allen Leuten ihre Sünden vor. Obwohl er ein ange sehener Bauer war, geschah es ihm oft, daß er Schläge befam und hinausgeworfen wurde.

An dem Sonntag hatte er schon drei oder vier Leutep die Freude am Essen und Trinken genommen und wollte gerade über einen fünften herfallen, als er den Schuhwölff fah, einen Schwager vom Schuller.

Er saß am Nebentisch beim Haberlschneider. Wie iht der Baulimann sah, schrie er hinüber, ob er ihm das vierte Gebot Gottes nicht sagen fönne. Er bitte gar schön, daß er ihm das vierte Gebot hersage; er könne sich nicht mehr daraus besinnen.

Als der Schuhwölfl keine Antwort gab, fragte er, ol es nicht so heiße: Ehre Vater und Mutter, auf daß du lange lebest auf Erden."

Baulimann, laß guat sei!" fagte der Haberlschneider Warum denn? sag' ja nig Unrecht's . I möcht' g'rad wissen, ob's dös vierte Gebot no gibt." An Nuah gib!"

" Ehre Vater und Mutter. glaab, so hamm's mis g'lernt, aber bei'n Schuller hoaßt's anders."

Du brauchst wieder amal Schläg', gel', Baulimann? schrie der Schuhwölfl. ,, Na, jetzt no net. I wart, bis mei Bua groß gnua is, daß er mi schlag'n ko."

Der Schuhwölfl sprang auf.

Bischt Du der Tropf, der ganz ausg'schamte, der de Lug ausg'sprengt hat?"

fag' bloß, was d' Leut' sag'n."

,, und beweisen muaßt as Dul"

"

Geh zu Dein' Nachbar," schrie der Paulimann, des Hierang! hat's schriftli g'jehg'n."

So, is der aa dabei? Dös is g'scheidt, daß Du dös sagst. Jezt derwisch'n mir ent amal, Du... Du ganz schlechter!"

Net so schlecht als wia'r ös! Bei uns is dös net der Brauch, daß ma sein Vater'n haut."