Moakt Du dös?
So, woaß i's."
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" Nacha tennst Du dos aa?" schrie der Schuhwölfl und fchlug dem Paulimann ins Gesicht.
Der sprang in die Höhe und hieb mit der Faust zurüd. Es wäre dem Baulimann wieder einmal schlecht gegangen, denn der Schuhwölfl war ein starker Mensch und nüchtern. Aber da mischte sich ein anderer ein und half ihm. Und der war noch dazu der beste Freund vom Schuller. Der HaberlSchneider zog den Schuhwölft zurück und sagte ruhig: Mit Schlagen werd die Sach' it beffer. De werd wo anders ausg'macht."
Der Schuhwölfl ließ ab und setzte sich wieder auf seinen Plaz . Aber der Paulimann glaubte, daß er einen hilfreichen Freund gefunden habe, und schöpfte neuen Mut. Er schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie, so laut er konnte:„ Und dös vierte Gebot, dös laß i amal net aus. Da to femma, wer mag, dös is mir ganz gleich. Dös vierte Gebot Gottes, dös muaß her! Ehre Vater und Mutter, daß du lange lebest auf Erden!"
Der Schuller ließ zwei Tage später den Paulimann und den Hierangl vorladen.
Beim Wirt im Nebenzimmer war der Sühneversuch; der frühere Bürgermeister Kloiber, welcher jetzt zum Beigeordneten gewählt war, leitete ihn, und der Lehrer Stegmüller führte das Protokoll.
Die Parteien waren anwesend. Der Schuller stand hart neben dem Tische, auf dem Stegmüller schrieb. Er zeigte feine Aufregung und keinen Zorn.
Auch der Hierangl machte ein gleichgültiges Geficht. Man hätte meinen können, daß er bloß zufällig da fei, und daß ihn die amtliche Handlung nichts anginge ( Fortseßung folgt.)
5]
( Nachdruck verboten.)
Mutter Ulitka, die Frau des Fähnrichs und Schullehrers, ist, wie die anderen, vor das Tor ihres Hauses getreten. Sie ero wartet das Vieh, das ihr Mädchen Marianta auf der Straße herantreibt. Sie hat faum den Zaun öffnen tönnen, als eine riesige Büffelkuh, von Müden umschwärmt, brüllend durch das Tor bricht; ihr folgen langsam die satten Kühe, die mit ihren großen Augen der Hausherrin ihre Huldigung darzubringen scheinen und sich gleichmäßig mit den Schwänzen die Hüften schlagen. Die schlanke, hübsche Marianta fommt zum Tor herein. Sie wirft ihre Rute fort, schließt den Baun und jagt ausgelaffen das Bieh auseinander in den Hof hinein. Bich das Schuhzeug aus, Teufelsmädel, ruft die Mutter, Deme Tschuwjats find ganz abgetreten. Marianta fühlt sich keineswegs durch den Beinamen Teufelsmädel" getränkt, fie nimmt diefe Worte als eine Liebkosung hin und setzt fröhlich ihre Arbeit fort. Mariankas Gesicht stedt in einem Kopftuch, fie trägt ein rosa Hemd und ein grünes Beschmet. Sie verschwindet hinter dem Schuppen des Hofes, indem sie dem fetten, träftigen Wieh folgt, und aus dem Stall ertönt ihre Stimme, wie sie zärtlich der Büffelkuh zuredet:„ Kannst nicht ruhig stehen! Ach, so stehe doch, Herzchen!. Bald geht das Mädchen mit der Alten aus dem Stall in die Milchkammer, und beide tragen zwei große Töpfe Milch den Ertrag des heutigen Tages. Aus dem irdenen Schornstein steigt bald der Rauch des Kuhmists auf; die Milch wird zu Rahm verarbeitet; das Mädchen schürt das Feuer, die Alte geht vor das Tor. Schon lagert die Dämmerung über dem Dorfe. Die Luft ist ganz von dem Geruch des Gemüses, des Biehs und dem duftigen Rauche des Kuhmists erfüllt. An den Toren und auf den Straßen rennen Kosatenweiber hin und her und tragen in den Händen brennende Lappen. Auf dem Hofe hört man das Keuchen und das ruhige Wiederkäuen des arbeitslosen Biehes, nur die Stimmen von Frauen und Kindern unterhalten sich auf dem Hofe und in den Straßen. An Wochentagen hört man manchmal, wenn auch felten, die trunkene Stimme eines Mannes. Eine von den Kosatinnen, eine alte, hochgewachsene Frau von männlichem Aussehen, kommt von dem gegenüberliegenden GeHöfte an Frau Ulitka heran und bittet um Feuer; sie hat einen Lappen in der Hand.
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Nun, Mutter, fertig? fagt sie. Das Mädchen heizt. Braucht Ihr Feuer? sagt Mutter Ulitka, stolz darauf, einen Dienst erweisen zu können. Die beiden Kofatenfrauen gehe.. ins Haus hinein; ihre groben Sände, nicht gewohnt, mit fleinen Gegenständen zu hantieren, reißen zitternd den Deckel von der kostbaren Schachtel mit Streich hölzern herab, die im Rautasus eine Seltenheit sind. Die fremde Rosakenfrau mit dem männlichen Aussehen läßt sich auf die Bank nieder. Sie hat offenbar die Absicht zu plaudern.
Deiner ist wohl in der Schule, Mutter? fagt die Fremde.
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Immer unterrichtet er die Kinder, Mutter. Er hat gefchrieben, daß er zu den Feiertagen kommt, sagt die Fähnrichsfrau.
Er ist wirklich ein gescheiter Rensch; hat alles seinen Nugen. Gewiß,' s hat seinen Nutzen.
Und mein Zufaschta ist an der Grenzwache und darf nicht nach Sause, sagt die Frembe, obgleich die Fähnrichsfrau das längst weiß. Sie hat das Bedürfnis, über ihren Lutaschta zu sprechen, der eben erst zu den Kofaten gegangen ist, und den sie gern mit Mariana, der Tochter des Fähnrichs, verheiraten möchte.
Und immer liegt er in der Grenzwache?
Ja, Mutter, seit den Feiertagen ist er nicht hier gewesen. In diefen Tagen habe ich ihm durch Fomuschtin Hemden geschickt. Er sagt, es geht ihm gut, die Vorgeseßten sind mit ihm zufrieden. Sie find wieder auf der Suche nach Abreken. Lutajchta, sagt er, ist heiteren und frohen Muts. Nun, Gott sei Dank, sagt die Fähnrichsfrau, ein Reißer, mit einem Wort.
Butaschka hatte den Beinamen der Reißer" wegen seiner Kühnheit, weil er ein Kosatentind aus dem Wasser gezogen, den Wellen entrissen hatte, und die Fähnrichsfrau erinnerte paran, um ihrerseits Lutaschkas Mutter etwas Angenehmes zu fagen.
Ich danke Gott , Mutter, ein guter Sohn; ein tüchtiger Junge, alle loben thn, sagt Lukaschkas Mutter. Wenn ich ihn erst vera heiratet hätte, würde ich ruhig sterben.
Nun, fehlt es etwa an Mädchen im Dorfe? antwortet die schlaue Fähnrichsfrau, indem sie sorgfältig mit ihrer rauhen Hand den Deckel auf die Streichholzschachtel schiebt.
Genug, Mutter, genug, bemerkt Lutaschkas Mutter und wiegt den Kopf hin und her, aber Dein Mädchen, die Marianuschka, das nenne ich ein Mädchen. So eine findet man im ganzen Dorf nicht
wieder.
Die Fähnrichsfrau weiß, welche Absichten Lukaschkas Mutter hat, und obgleich sie Lukaschka für einen tüchtigen Kosaken hält, weicht sie doch diesem Gespräche aus, erstens weil fie Fähnrichs frau und reich, Lutaschta aber der Sohn eines einfachen Kosaten und ein Waisentino ist; zweitens weil sie sich nicht sobald von ihrer Tochter trennen möchte; hauptsächlich aber, weil der Anstand das erfordert.
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Run, wenn Marianuschka Heranwächst, wird sie auch ein präch tiges Mädchen sein sagt sie zurückhaltend und bescheiden. Dann ichide ich die Freiwerber, ja, ich schide fie, wenn wir erft die Gärten bestellt haben, dann kommen wir und machen Dir unsere Aufwartung, sagt Lukaschkas Mutter, dann machen wir Jlja Wassiljewitsch unsere Aufwartung.
Wozu lja? sagt die Fähnrichsfrau stolz, mit mir müßt Ihr reden. Kommt Zeit, kommt Rat.
Lukaschtas Mutter lieft in den strengen Zügen der Fähnrichs frau, daß es nicht ratsam sei, das Gespräch fortzusehen. Sie zündet mit einem Streichholz den Lappen an, erhebt fich von ihrem Blaze und fagt: Veraiß nicht. Mutter. gedenke dieser Worte. Ich gehe, ich muß einheizen, fügte sie hinzu.
Während sie über die Straße geht und mit gestrecktem Arm den glimmenden Lappen schwenkt, kommt ihr Mariana entgegen und begrüßt fie.
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Hübsch wie eine Fürstin, und eine Arbeiterin ist das Mäde ben! denkt fie, während sie ihre Schönheit bewundert. Wozu foll die noch wachfen? Es ist Zeit, daß fie heiratet und in ein gutes Haus, Lukaschka muß sie heiraten.
Mutter Ultika aber hat ihre eigenen Gedanken; fie ist auf der Schwelle fiben geblieben und fibt da, in ernstes Nachfinnen vers funken, bis ihre Tochter fie ruft.
6.
Die männliche Bevölkerung des Dorfes bringt ihr Leben auf Kriegszügen, auf den Grenzwachen oder, wie es die Kosaten nennen, Poften zu. Lukaschka der Reißer, eben der, von dem die Frauen im Dorfe gesprochen hatten, stand gegen Abend auf dem Wachturme des Postens von Nischne- Protost. Der Bosten von Nischne- Brotogt lag unmittelbar am Ufer des Teret. Er hatte fich Stirn hinaus in die Ferne jenseit des Terek und hinunter zu den an das Geländer des Turmes gelehnt und schaute mit gerunzelter Kameraden und plauderte von Zeit zu Zeit mit ihnen. Die Sonne näherte sich schon dem Schneegipfel, der über den kraufen Wolken weiß glänzend hervorschimmerte. Die Wolken, die am Fuße des Berges lagerten, nahmen immer dunklere Schatten an, die Abenofrisch herüber. Bei dem Poften aber war es noch heiß. Die Stims luft war flar und durchsichtig. Aus dem dichten Urwald wehte es men der Kosaken hallten, von der Luft getragen, klangvoll wider, der braune, reißende Terek hob sich mit seiner ganzen beweglichen Fülle scharf von den unbeweglichen Ufern ab. Er war im Fallen, und hie und da schimmerte an den Ufern und auf Sandbänken dunfler Sand hindurch. Am jenseitigen Ufer, gerade gegenüber fich endlos bis an die Perge hin. Ein wenig feitwärts sah man der Grenzwache, war alles öde; nur niedriges Steppenschilf zog an dem niedrigen Ufer die Lehmhütten, die flachen Dächer und die trichterförmigen Schornsteine eines Tichetschenzen- Auls. Die scharfen Augen des Kosaken, der auf dem Turme stand, verfolgten Gestalten der in weiter Ferne sichtbaren Tschetschenzenfrauen in durch den Abendrauch des friedlichen Dorfes die schwankenden ihren blauen und roten Kleidern.
( Fortfehung folgt.)