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Gabrud verbeten.

Seine Legitimation.

Von Leon Xancof.

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Der Herr Kommiffar ist gerade beschäftigt. Aber wenn Sie den Herrn Sefretar fprechen wollen?"

Für die Angelegenheit, die mich herführt, genilgt das voll fommen."

Er folgt dem Jufpektor in das Zimmer des Sekretärs. Mit einem freundlichen Lächeln auf dem Antlig tritt er an den Tisch, über den der Sekretär gebengt schreibt.

"

Der Sefretär empfängt ihn nur mit einem Sehen Sie sich!" sehr troden, so daß der Herr auf einem Stuhl neben der Tür zu sammenklappt und fein Lächeln plötzlich erftirbt.

Der Sefretär, welcher mit der tiefernften Miene eines Mannes, der eine Arbeit von weittragender Bedeutung auszuführen hat, damit befchäftigt ist, Buchstaben zu faligraphieren, wendet sich an einen schredlich aussehenden Bagabunden, den zwei Schuylente eng um stehen:

Wie beißen Eie?"

Der Gefragte antwortet mit fo Inarrender Stimme, daß man verfudit ist, ihm einige Tropfen Del einzuflößen:

Jules Alphonse Blumart, genannt der magere Floh, Here Präsident."

Der Sefretär fähreibend: Und haben in Haft genommen Jules Alphonse Blumart, genannt der magere Floh". Zu den Polizisten: Gut. Führen Sie ihn ab."

"

Die beiden verschwinden mit dem interessanten Mitbürger, der dem Herrn an der Tür freundlich zunidt, was übrigens sehr lalt aufgenommen wird.

Der Sefretär zu dem Herrn mit einem Blid, als vergleiche er feine Züge mit denen des Mörders aus dem letzten Steckbrief: Was wollen Sie?"

und Tongebung, folie affes, was man als teliertradition be aeichnen fönnte, ist hier überwunden, aber der volle Sieg des Lichts woch nicht errungen. Das Jahr 1884 brachte die fünstlerische Ent­widelung des nach dieser Richtung hin zum Abschluß. Das Hauptwerk dieses Jahres: Laffet die Kindlem zu mir tommen" ( die Ausstellung enthält eine leinere Wiederholung des im Autorisierte Hebersetzung von Alice Sobersty Reuman Leipziger Museum befindlichen großen Gemäldes) zeigt, daß der Künstler fich die impressionistische Zechmit vollkommen zu eigen Ein gut gefleideter Herr, den sein gran meliettes Sane ni gemacht hat und feine Bedenken mehe trägt, das naturaliftijdje daran hindert, jung ericheinen zu wollen, fritt in das Boligeje Brinzip der Freilichtmalerei bis zu den äußersten Konfequenzen tommiffariat. Seine offene, heitere Miene, feine guten, erftainft neu durchzuführen. Beizes, fließendes Tageslicht durchflutet den gierigen Augen verraten fofort, daß er leine blutigen Enthüllungen jdmudlojen Raum, in dem Chriftus, auf schlichtem Holzstuhl zu machen hat. Er wendet sich mit halblauter Stimme an einen fihend, die Schar der Kinder empfängt, die teils in zutraulicher Jnspektor, der ihm erwidert: Raivität, teils in scheuer Befangenheit sich ihm nähern. Die Schattentone, die man früher goldbraun und in der Munkaczy schule famärzlich zu geben pflegte, flimmern in unzähligen Refler farben, alle konturen verschwimmen unter dem Einfluß des frei durch die Fenster strömenden Lichtes. Die wohlfeilen Hilfsmittel der alten Richtung, die durch scharfes Gegenüberstellen von Sel und Dunkel die Gestalten zu modellieren fuchte, find verschmäht, und trotzdem erscheint jede Einzelheit plastisch herausgearbeitet, und die meisterhaft behandelte 2uft- und Linienperspettive erzeugt eine flare, ruhige Raumvorstellung, Mit diesem Gemälde, das feinen Schöpfer fofort in die erfte Reihe der zeitgenössischen Meister stellte, betrat hde auch zugleich das ftoffliche Gebiet, auf dem er in der Folgezeit fast ebenjo bahnbrechend gewirkt hat wie auf dem Gebiet der modernen malerischen Technik. Ich meine die religioje Malerei, die durch ihn eine fundamentale Umgestaltung erfuhr. Die modernen biblischen Historienbilder hatten sich bis dahin ent­weder an die entsprechenden Erzeugnisse der italienischen Re­naissance mehr oder weniger gedantenlos angelehnt, oder sie waren nichts weiter als orientalische Kostümftüde" gewesen, die unter einem großen Aufwand gelehrter Kenntnisse ein in geschichtlicher und ethnographischer Hinsicht möglichst getreues Abbild des be­treffenden Zeitalters der biblischen historie zu geben suchten. uhde leidete feine Darstellungen aus dem Stoffgebiet des Alten und Neuen Testaments nicht nur innerlich, sondern auch außerlicy in ein modernes Gewand. Die Kinder, die sein Chriftus begrüßt. find moderne deutsche Proletarierfinder, die Jünger auf dem Abendmahl" find schlichte Leute unserer Zeit; Die Flucht nach Aegypten" und der Schwere Gang" zeigen die Jungfrau Maria als hohläugige, abgebärmte Arbeiterfrau und den Joseph als dürftigen, einfältigen Handverksmann; die Legende von Tobias wird in Uhdes Darstellungen zu einer reizend naiven Kinder­geschichte. Alle diese biblischen Gestalten sind feine mastierten Modelle, sondern Menschen der Jehtzeit in modernen Gewändern und mit modernen Empfindungen. Man tann sich leicht vorstellen, welch ein Wutgeheul die Pfaffen beider chriftlichen Stonfeffionen über diese Projanierung" der heiligen Geschichten anftimmten. Die lärmende theologische Meute schien teine Ahnung davon zu haben, daß in alten Zeiten, als der chriftliche Glaube in den Maffen noch wirklich lebendig war, die Künstler bei der Darstellung biblischer Szenen regelmäßig ebenso verfuhren wie Uhde und daß 3. B. Rembrandt die Modelle und Kostüme für seine alt- und neutestamentlichen Figuren, für Saul, David, Chriftus, Simson usw., direkt aus dem Aursterdamer Getto bezogen hat. Der bornierte Stumpffium der orthodogen Eiferer begriff nicht, weld eine Bertiefung des ehrlichen religiofen Empfindens darin lag, daß der Künstler den Stifter der christlichen Religion nicht als füßlichen, schön frisierten und theatralisch pofterenden Renaissance jungling darstellte, sondern als schlichten Heiland der Armen, als gütigen Tröfter der Mühfeligen und Beladenen unserer Zeit. Leider hat Uhde nicht immer auf der künstlerischen Höhe jener Schöpfungen gestanden, die ihm den saß der pfäffischen Dunkel männer zuzogen. In den 1880er Jahren schwenfte er, glücklicher­weise nur für furze Zeit, in die tlajfizistische Epigonenrichtung der Renaissancenachahmer ein und suchte in einigen an den dekorativen Stil des Italieners Tintoretto   erinnernden biblischen Gemälden ein Bathos zum Ausdruck zu bringen, das gerade ihm außer- ficher find, daß es meine Unterschrift ift." ordentlich fern lag. Die Grabtragung Chrifti"," Die Würfler um Chrifti Rock" und" Christi Himmelfahrt  " find Zeugnisse dieser so borübergehenden Berirrung. Uhde fond bald wieder den rechten Beg. Die Studien zur Atelierpause" sowie die Gemälde In der Laube" und" Im Garten", in denen die kompliziertesten Licht probleme mit virtuoser Meisterschaft scheinbar spielend über­wältigt sind, geben Kunde von dem ernsten und unermüdlichen Fleiß, mit dem der Maler im letzten Jahrzehnt an feiner tedy nischen Vervollkommnung und der Bereicherung und Bertiefung seiner fünstlerischen Individualität gearbeitet hat. Die Ausstellung bei Schulte enthält aus diefer lehten wie auch aus den früheren Schaffensperioden hdes nur wenige vollendete Meisterwerte. Aber sie illustriert fast lückenlos mit sehr charakteristischen Dokumenten den ganzen bisherigen Entwidelungsgang des Stünstlers und ist daher überaus lehrreich für jeden, der in fnappen Zügen ein umfassendes und eindrudsträftiges Bild von der Beriön­lichteit dieses fühnen und fruchtbaren Neueres und unvergleichlich Barten Könners gewinnen will. J. S.

Der Herr, troß feines reinen Getviffens eingeschichtert: Verzeihen Sie, es handelt sich um eine einfache Sache.( Er zieht Papiere aus feiner Tasche.) Eine Unterschrift, eine einfache Unterschrift ist zu beglaubigen."

Der Sekretär argwöhnisch: Eine Unterschrift ist zu beglaubigen. ( Er nimmt die Papiere und durchfliegt fie in der Hoffnung, irgend etwas zu finden, was den Herrn unsterblich blamieren tönnte. Da er nichts findet, sagt er recht unsanft):

Sie heißen?"

Der Herr liebenswürdig lächelnd: Amadeus Gotthold Fürchte gott geberecht Boncin."

Der Sefretär taucht seinen Blick in die fiefften Tiefen der Seele des Herrn mit einer Miene, die fragt, ob er sich über ihn luftig madjen wolle und zugleich so drohend ist, daß der arme Mann es für nötig hält, eine Erklärung abzugeben und mit Nachsicht heifchendem Lächeln fagt:

" Ja, meine Eltern haben mir diese Vornamen gegeben... ich war noch ganz flein aber wenn Sie die Liebenswürdigkeit haben wollten, fo gut zu sein und mir meine Unterschrift beglaubigen zu wollen

Der Sekretär beängt die Unterschrift mit augenscheinlichem Mißtrauen. Dies ist Ihre Unterschrift?"

Der Herr bereitwillig: Jawohl, mein Herr. Wünschen Sie, daß ich sie vor Ihnen noch einmal abgebe?" Der Sefretär: Wozu denn?"

Der Herr: Num, damit Sie sie vergleichen können und auch

Der Sekretär( ironisch): Das soll der Beweis sein! Es ist auch schwierig, eine Unterschrift zu fälichen!"

Der Herr( verwirrt): Erlauben Sie. Der Sefretär( feierlich): Da ist das Gefes wohl doch bor­sichtiger! Sie müffen Ihre Identität nachweisen."

"

scheint: Ruhig Blut, ich habe alles vorhergefehen" Der Herr mit einer Bewegung, die dem Sekretär zu fagen zieht aus feiner Taiche Briefe, die er mit zufriedenem Lächeln anf dem Schreibtisch ausbreitet: Hier bitte sind an mich adreffierte

Briefe!"

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Der Sekretär ohne aufzubliden: Und was noch?" Der Herr aus der Fassung gebracht:" Ich glaubte Der Sefretär: Das ist sehr schwer, nicht wahr, an sich selbst Bortierfrau zu senden?" Briefe an eine angenommene Adresse im Einverständnis mit der

Der Herr, im Bewußifein feiner Unschuld: Aber ich kann Ihnen leicht nachweisen, daß ich dort wohne."

Der Sekretär aggressiv: halten Sie die Polizei für ein Aus­funftsbureau, was?"

Der Herr erschrect: Ich wollte sagen: Sie brauchten nur einer Boligiften mitzufchicken."

Der Sekretär außer sich: Ja, natürlich! Ich werde meine Leute