Nnterhaltungsblatt des HorwärtsNr. 2l7. Sonnabend den 7 November. 1903<?!achdrml verbot».)281 Hndrcas Vöft.Bauernroman von Ludwin Tboma,Noch war Sylvester seinem Berufe innerlich nicht völligentfremdet.Aber wenn er jetzt an die Zukunft dachte, geschah esnicht mit freudiger Zuversicht: immer stärker mengte sich dasGefühl unabweisbarer Pflicht ein.Da ereignete sich ein Vorfall, der nachhaltig auf ihnWirkte.Einer seiner Lehrer hatte ein Buch herausgegeben,Welches heftig angegriffen wurde.Die ultramontane Presse erging sich in Schmähungengegen ihn, der Professor antwortete in würdiger Weise, unddas gcmze Land nahm an dem Streite Anteil.Viele ergriffen seine Partei und lobten seine Festigkeit.Seine jungen Hörer traten leidenschastlich für ihn ein.Sie hatten kein Urteil über die Sache: ihnen überwog daspersönliche Moment.Der Ruhm ihres Lehrers, sein männlicher Mut.Da erging an den Gefeierten die Aufforderung, seineöffentlich bekundete und so ehrenhaft verteidigte Ueberzeugungaufzugeben und Widerruf zu leisten.Er unterwarf sich.Sein Gehorsam und der laute Beifall, den die früherenGegner ihm spendeten, stießen Sylvester ab.Er fühlte sich gedemütigt, unsicher in seinem Glaubenan eine Autorität, welche diesen Schritt verlangte, in seinerAchtung vor einer Wissenschaft, welche ihn tat.Wie konnte dieser Mann eine Meinung als falsch er-kennen, welche er im eifrigen Streben errungen hatte? Undwenn er nicht überzeugt war von ihrer Falschheit, wie konnteer sich von ihr auf Befehl lossagen?„Sie war nichts wert von allem Anfang," sagte Schratt,„es ist nicht sdhade darum. Um den Mann noch weniger.Töricht ist nur diese Begeisterung der Kirche über den Sieg.Sie hat wenig Ursache, sich darüber ztk freuen, daß sie keineKämpfer mehr heranzieht."•»In dieser Zeit des Wachstums, der Zweifel und desLernens kam das Ereignis, welches ihm die Zukunft um sodüsterer erscheinen ließ, je heller ihm die Gegenwart deuchte.Sylvester Mang faßte eine herzliche Liebe zu dem hübschenMädchen, dem er in der Heimat begegnet war. Das Glückschien freundlich in seip kleines Zimmer und verlockte ihn,die Blicke in weite Fernen zu richten. Auf einen holdseligenGarten, in welchem die schönsten Blumen blühten, die Herr-lichsten Früchte reifen für einen, den fremder Wille zur Ein-samkeit verdammt hatte.Und er wußte, daß er ohne Reue umkehren würde.Jetzt baute er Luftschlösser, eines über das andere.Und keines ähnelte denen, welche der Veronika Mangtagsüber vor Augen standen und nachts im Traume er-schienen.Keines sah aus wie ein Psarrhof, mit dem gepflegtenGarten nach vorne und den großen Stallungen nach rückwärts.Es waren darinnen keine gewölbten Gänge mit Haus-altären, brennenden Ampeln und heiligen Bildern, keineZimmer, von deren Fenstern aus man stündlich in frommerBeschaulichkeit zur Dorfkirche hinübersehen konnte.Sylvesters Lustschlösser waren alle in einem Stile er-baut, lagen in engen Gassen, und aus den Toren strömte derliebliche Duft von frischgebranntcm Kaffee.Und wer sie betrachtete, der wurde traurig und wiederfröhlich im Gemüte. So traurig, daß er tagelang schweigendumherging, so fröhlich, daß er am Morgen singend die Treppejhinunterschritt und des Mittags singend herauskam.Und daß er an gewissen Tagen der Woche mit demGeigenkasten unter dem Arme achtlos an Sekretärswitwenvorübcrstürmte. als hätten diese urplötzlich jede Bedeutung inder Welt verloren.„Was hat nur grab' der Herr Mang?" fragte FrauRottenfußer.„Gestern waren seine Augen verweint und heut' hat erwieder g'sungen. Sie sind doch sein Freund, Herr Schratt.Sagt er denn zu Ihnen auch nix?"„Nein, Frau Sekretär, und ich fürchte, er wird mich auchfernerhin nicht ins Vertrauen ziehen. Er verbirgt seinLeiden."„Wissen Sie. was ihm fehlt?"„Ich habe eine Vermutung, Frau Rottenfußer. Aber dieist lateinisch und stammt von einem gewissen Horatius.Oulce rickentem Uslagen amabo,Dulce loquentem.»»»Und dann kam der Tag. an welchem Frau SophieSporner, als eine Freundin der Wirklichkeit, den Bau derLuftschlösser einstellte und den holdseligen Garten verschloß,so daß die Gedanken nicht länger darin spazieren gehenkonnten.Und es kam der Abend, an welchem Sylvester müde undabgespannt im Zimmer seines Freundes saß.Schratt klopfte ihm aus die Achsel.„Sie wollen mir heute etwas erzählen, nicht wahr?"„Ja."„Ich kann Ihnen entgegengehen. Sie heißt Trmidchenund ist die Tochter des wackeren Michael Sporncr."„Ich weiß, daß Sie ihn kennen."„Nicht bloß ihn: auch ein Mädel mit lustigen Augen,das sich in der leyten Zeit sehr für Musik interessierte."„Woher wußten Sie, daß..."„Es war nicht schwer zu erraten. Sie wurden in derletzten Zeit so sangesfreudig und hatten ihre Gedanken immeranderswo, wenn Sie mir die seltene Ehre schenkten."„Es kommt Ihnen recht lächerlich vor, Herr Schratt?"„Ein wahres Gefühl ist nicht lächerlich."„Aber, daß ich vergessen habe, was ich bin?"„Vorerst sind Sic Student, und Ihre Zukunft liegt nochfrei vor Ihnen."„Ich kann nicht Geistlicher werden."„Stimmungen sollen da nicht mitreden. Sylvester."„Es ist nicht deswegen, wie Sie vielleicht meinen. Ichweiß schon lange, daß ich mich nicht zwingen kann."„Wollen Sie einen Rat von mir hören?"„Ja, ich bitt' Sie darum. Ich habe sonst niemand, denich fragen kann."„Sie sollen nicht sofort, Hals über Kopf, Ihr Studiumaufgeben. Bleiben Sie noch dieses Semester dabei I So ein»fach ist die Sache nicht. Sie werden Verschiedenes durch-zufechten haben."„Danach srage ich nichts."„Nicht so schnell! Jedenfalls müssen Sie wissen. waSSie anfangen wollen. Ich halte Sie für so vernünftig, daßSie sich keinen Illusionen hingeben, die auf eine junge Dameabzielen."„Nein. Herr Schratt. Ich weiß, daß alles aus ist."Der Alte lächelte.„DaS klingt entsagungsvoll. Aber aus oder nicht auS,Sylvester, auf keinen Fall darf das jetzt eine Nolle spielen.Sie werden nicht in die weite Welt hinausstürmen, um Ihrkranke? Herz zu heilen und so weiter. Sie müssen die Zu»kunft nüchtern erwägen. Und darum ist fürs erste mein Rat,Sie bleiben noch bis Ostern der eunckickatus tbeoloAiae."„Mein Entschluß ist aber fest."„Ich glaube Ihnen das. Trotzdem, folgen Sie mirlSie haben dann fast vier Monate zur Ueberlegung, und derZeitverlust kommt bei Ihrer Jugend nicht in Betracht. Außer»dem sprechen noch andere Gründe dafür. Rücksicht auf dieFamilie Sporner. Wenn Sic jetzt Knall und Fall weggehen,bringt jedermann ihren Entschluß in einen gewissen Zu»sammenhang mit Ihrem Verkehr in dem Hause."„DaS sehe ich ein."„GutI Da wären wir also in der Hauptsache einig.Alles andere können wir noch überlegen. Ob Sie ein andere»Studium ergreifen, oder was Sie sonst tun wollen."„Darüber weiß ich gar nichts."„Heute müssen Sie sich ja nicht entschließen; aber eine?,wenn Sie keine bestimm:? Ne'oung haben, nur kein Brot-