Mnterhaltungsblatt des Horwärt s Nr. 220. Donnerßtaq den 12 November. 1908 (Nachdruck verdoken.) 811 Hndreaa Vsrt. Bauernroman von Ludwig T li o m a. „Her— rein!" Otteneder wandte sich um und blickte auf die zwei Bauern, welche eintraten. Der jüngere, hochgewachsene Mann kam ihm bekannt vor: er hatte das scharfgeschnittene Gesicht schon irgendwo gesehen. „Wer sind Sie? Was wollen Sie?" „I bin der Schuller von Erlbach. Andreas Bost schreib' i mi." „Ach, richtig! Der zum Bürgermeister gewählt war?" „Ja. Wo Sie dös Schreiben'nausgeschickt Hamm." „Mhml Sie kommen vermutlich wegen der Sache?" „Desweg'n bin i da." „So. so. Warten Sie einen Augenblick!" Ter Bezirksamtmann stand auf und zog die Klingel. Der Amtsdiener trat ein. „Gel>en Sie zum Herrn Offizianten hinüber. Er soll Ihnen den Akt geben: Gemeindewahl in Erlbach." „Jawohl, Herr Bezirlsaintmann." Otteneder setzte sich wieder und schlug das rechte Bein über das linke. Er nahm ein Lineal vom Tische und spielte nachlässig damit. „Sie wollen sich beschweren?" „Z'erscht kimm i zu Eahna selm, Herr Bezirksamtmann." „Schön. Aber wer is denn Ihr Begleiter?" „Dös is der Florian Weiß von Erlbach: früherSzcit war er der Metzbauer, jetzt lebt er im Austrag." „Hat er mit der Sache was zu tun?" „Eigentli Hab' i mit der Sach' selm nix z'toa," sagte Weiß.„Da Schuller hat mi g'rad mitg'numma. weil i Kirchapfleger g'wen bi und an Psarra Held guat kennt Hab'." „Das ist doch nicht von Belang! Ich denke. Vöst, bei dieser Unterredung haben wir besser keinen Zeugen. In Ihrem Interesse." „Herr Bezirksamtmann, is dös vcrbot'n im G'setz, daß da Weiß dableibt?" „Nein: für so etwas gibt es kein Gesetz. Aber eS ist unnötig und vielleicht auch für Sie unangenehm." „Wenn's net verboten is, nacha lassen S' an Weiß dal Was i sag', derf a jeder hör'n." „Gut, meinetwegen. Haben Sie den Akt, Maperhofer?" Der Amtsdicner überreichte Otteneder ein blaues Hest. Dieser las die Aufschrift. „Betreff Gemeindewahlen in Erlbach. Stimmt. Sie können gehen, und wenn jemand kommt, soll er warten. Ich will nicht gestört werden." Otteneder legte das Heft vor sich hin und schlug es auf. „Also. Vöst. Sie sind am t8. November zum Bürger- Meister gewählt worden. Mit neun Stimmen Mehrheit. Die Wahl ist ordnungsgemäß verlaufen. Das stimmt?" „Ja. Herr Bezirksamtmann." „Dann gehen wir weiter. Sie wissen, daß jede Ge- meindewahl von dem zuständigen Bezirksamte bestätigt Werden muß. Die Ihrige also von mir. Die Wahl ist erst gültig, wenn ich als Vertreter der Aufsichtsbehörde die Ge- 'nehmigung erteile." „Dös is alles so cing'richt," sagte Weiß. „Was ist eingerichtet?" moan bloß, weil i an Schuller scho dös nämliche ausdeutscht Hab' beim Einafahr'n." „So? Das ist ja anerkennenswert, wenn Sie Bescheid wissen, aber unterbrechen Sic mich nicht I Also die Gültigkeit hängt von der Bestätigung ab. Es ist wohl nicht notwendig, daß ich Ihnen ausführlich erkläre, warum die Staatsregierung sich dieses Recht gesetzlich vor» behalten hat?" „Mir wissen's recht guat." sagte Weiß. «Das bezweifle ich. Uebrigens Hab ich es nicht mit Ihnen zu wn. sondern mit dem Vöst. Wünschen Sie eine Nechtsbelehrung? Ich verweigere sie grundsätzlich nie." „Na, Herr Bezirksamtmann, j will ganz was ander» wissen." „Darauf kommen wir gleich. Mein Recht, einer Wahl die Bestätigung zu versagen, ist durch das Gesetz festgelegt. Und ich habe in Ihrem Falle von diesem Rechte Gebrauch ge- macht." „Warum. Herr Bezirksamtmann?" „Das ist in meinem Beschlüsse ausführlich begründet. Ich will es Ihnen vorlesen, wenn Sie darauf bestehen." „I dank schö. Dös hat gestern scho inser Lehrer to." „Schön. Dann kann ich mich darauf beschränken, aus diese Griinde hinzuweisen. Kurz und gut. Vöst. ich habe ouS den Ihnen bekannten Tatsachen die Ueberzeugung gewonnen, daß Sie sich für diese Ehrenstelle nicht eignen." „Also, daß i a Lump bin." „Wir wollen keinen solchen Ausdruck wählen. Das führt zu nichts." „Derf i jetzt reden?" „O ja." „Sie Hamm g'sagt, kurz und guat, Herr Bezirksamt» mann. Dös is aber net guat, und dös derf net kurz sei, wenn ma'r an Menschen sei Ehr' nimmt. Sie Hamm g'sagt, wegen de bekannten Tatsachen halten Si mi net für den richtigen Mann. De Tatsachen san aber net bekannt: net amal mir. Weil's überHaupts koane Tatsachen net san. sondern auf und auf nix als wia miserable Lugen und Verleumdungen." „Einen Augenblick, Vöstl Ich habe nichts dagegen, Sie anzuhören, aber Sic dürfen nicht in diesem Tone reden." „Vielleicht Hamm Sie schönere Wörter, als wia'r i. I bin bloß a Bauer. Aber was taten Sie dazua sag'n, wenn auf amal über Eahna was g'sagt wurd', toas recht Gemein's? So was Gemein's, wo Sie glei merken, es is a so herg'richt, daß's Eahna recht schad'n soll? Und Sie wissen, net oa Silben is wahr, taten Sie net aa reden von aa Lug? Oder was gibt's da für an andern Nam'?" „Ich würde mich nicht auf Schimpfen verlegen, sondern mit Ruhe und Anstand das Unrecht nachweisen." „Entschuldigen S' halt! Und erlauben S' de Frag', Herr Bezirksamtmann, was hat Eahna zu der Ueberzeugung bracht, daß i z'schlecht bin, oder net geeignet, wia Sie sag'n?" „Zunächst der Umstand, daß Sie Aergernis gegeben haben, durch die Mißhandlung Ihres Vaters." „Und woher wissen Sie den Umstand." „Das ist Ihnen doch bekannt! Warum fragen Sie michF Aus der Aufschreibung Ihres verstorbenen Pfarrers." „Vom lebendigen Pfarrer Held hätten S' des kaam g'hört. An de Aufschreibung glaab i net, Herr Bezirksamt- mann." „Wie können Sie das sagen?" „Weil i an Herrn Held kennt Hab'. Ob de Ausschreibung wahr is. dös muaß i do wissen I I muaß do wissen, ob i mein Vater mißhandelt Hab' oder netl" „?lllerdings." „Ja. allerdings. Und weil i lvoaß, daß's net ivahr iS, kann i sag'n, dös hat der Herr Held net g'schrieb'n. Der war koa Lump." „Noch einmal. Vöst, führen Sie Ihre Sache mit Ruhe, oder ich breche diese Unterredung abl" „Ja sol I bin scho wieder grob g'wen. Vielleicht hat'S der Zorn g'macht, daß ma den Mann no als a Toter in de Sach' da rei'ziagt." „Wer zieht ihn herein? Es handelt sich um seine eigene Aufschreibung."' „Und i glaab's net. Na. wcrn S' net ungeduldig. Herr Bezirksamtmann! Sie Hamm an Herrn Held vielleicht a paarmal g'sehg'n, vielleicht aa gar net. Mir hat er von kloan auf Religionsunterricht geb'n, hat mi in der Christenlehr' g'habt. Er hat mi und mei Bäurin kopuliert, is auf meiner Hochzeit als ehrcngeachteter Gast g'wen, und hat meine Kindel aus da Tauf ' g'hob'n. Wo i mit eabm z'samm'troffen bin, is er freundli g'wen zu mir, hat mi tröst, wenn i'L braucht Hab', und hat mir an Rat geb'n. Er hat mi g'lobt, alloa und vor Zeugen, weil er recht guat g'wußt hat, daß i mi recht- schaffen Hab' plag'n müassen. Und dös is allawei gleich g'wen, es hat nia ausg'hört: no vierzehn Tag' vor sein Tod ls er bei mir g'wen, in mein Haus. Und jetzt müaßt i
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25 (12.11.1908) 220
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