Jen Kosaken zu Wanjuscha. Die Alte ging in die Kammer, um aufzuräumen, Olenin suhlte sich frisch und munter, als wäre er eben vom Schlafe erwacht. Er hatte alles beobachtet, hatte die Alte vorausgehen lassen und kehrte in das Zimmer zurück. Mariana wollte eben schlafen gehen. Er trat zu ihr und wollte ihr etwas sagen; aber die Stimme versagte ihm. Sie setzte sich auf das Bett, zog die Beine an sich, rückte von ihm fort bis in die äutzerste Ecke und sah ihn mit erschrockenem, wildern Blicke schweigend an. Sie hatte offenbar Furcht vor ihm. Olenin fühlte das. Es tat ihm weh und er schämte sich Gleichzeitig aber empfand er die stolze Freude, wenigstens dieses Gefühl in ihr zu erregen. (Fortsetzung folgt.) Oie Hhncn des Pferdes. (SSlust.) Allerdings würde man sich dabei wohl auf keinen Fall denken dürfen, daß eine Tierart, die vom Rhein bis zur chinesischen Grenze reichte, sich dabei nicht schon wild in verschiedene Lokalvarietäten gerspalten haben sollte. Sehen wir doch heute noch selbst auf der tieinen chinesischen Ecke zwei solcher Przewalskivarcanten einander ablösen. Wie die Onager, Kulans, KiangS , Dschiggetaiö bei den heutigen Wildesel», so werden auch jene alten Przewalskicr zahl- reiche Sonderformen gebildet haben, die im Prinzip alle Prze- Walskier waren, aber doch in Einzelheiten voneinander ablvichen. Und auS solchen verschiedenen Lokalrassen würden nun auch jene örtlich verschiedenen Parallelzähmungcn naturgemäß ihr Material haben entnehmen müssen. Das aber wieder erklärt uns, wie von Anfang an auch in die Zuchtrassen trotz der Anknüpfung an eine im wesentlichen gleiche Wildart lokale Verschiedenheiten hinein- gekommen sein mögen. Seit längerer Zeit schon ist allen feinen Kennern unserer zahmen ißferderasscn aufgefallen, daß darin ganz offendor gewisse anato- misch; Gegensätze stecken. Man braucht das nicht zu übertreiben, indem man sechs, acht scharf geschcdene Skelettypen hcraußsondcrn will. Aber um bestimmte Gegensätzlichkeiten, die auf irgendein tiefes Eirtstehungßgeheimnis deuten, kommt man wirklich nicht herum. Gerade in die höchste Vollendung, die unsere moderne Pferde- gucht erreicht hat, spielt eine hinein. Seit alters ist in den uörd- lichen, mittleren, westlichen Teilen Europas ein anderer Schlag Pferde kultiviert worden als im Orient. Hier llotzschwere Tiere mit massigem Knochenbau und riesigen groben, meist wulstig gc- wölbten Rasen. Dort drüben ein feiner nervöser Schlag mit kürzerer graziöser Rase, deren gerades Profil bei leichter Aus- Höhlung die schönste Linie erzeugt, auf festen und doch zierlichen Gliedmaßen. Zu ihrem Grundhabitus könnte man die beiden Formen definieren als den ewigen Karrengaul und das ewige Luxuspferd, als das Pferd des gepeitschten Phlegmas und das Pferd des mühsam gezügeltcn Feuers, als das unschöne brave Pferd der Arbeit und das Edelroß, das dem Menschen fast ein ästhetischer Wert geworden ist, das Pferd als ArbeitsmnSkel und das Pferd als Rerv. Zwei Sorten Landschaft und an diese Landschaft angeschlos- sener Kulwr scheinen in ihnen aufzutauchen. Das eine gibt sich als das Pferd eines rauhen, kargen Landes, wo mit geringen Mitteln eine langsam sich emporkämpfende Kultur eine ungeheuere zähe Arbeit widerwillig zu leisten hatte. Unwillkürlich stellt sich das Bild dar einer Regcnlandschaft im Norden, wo ein solcher klotziger Gaul sich beschmutzt und keuchend mit einem klotzschwcren Lastwagen durch den nassen Lehm arbeitet, in dem die Räder jeden Augenblick versinken wollen. Bei jenem anderen ahnt man die freie Fläche unter glänzenden Sternen, luftige Zelte und in fliegenden Halb- gcwändern nackte leichte sehnige Reiter, die mit ihrem Tier förmlich sicelisch verlvachsen sind, anstatt scheltend mit der Peitsche hinterher zu laufen; man aHirt das Schmuckpferd, das bewundert und gefeiert wird, dessen Name sich wie der eines Helden forterbt, das von den Dichtern deS Volkes besungen wird. Karrengaul und Araber! Ganz gewiß stecken in diesem Gegen. sah wirklich geschichtliche Schicksale weit gesonderter Kulturzentren. Dag okzidentalische Pferd, wie man die schwere dicknasige Sorte genannt hat, ist lange das entscheidende Bedürfnisprodukt eigeneurppäischer Kultur gewesen. Es war das Pferd der Nor- mannen, das typische Heimatspferd der ganzen Nordseeküsten, aber auch das Tiroler und Steicrmärkcr Gebirgspferd. das altfranzü- fische wie das altenglische Pferd. Vom Arbeitspferd des Bauern zum Kriegspferd gemacht, ist dieses Klotzpferd das typische Ritter« pferd geworden, auch als Reitpferd hier vor allem ein schweres Tragpferd, das den Mann mit der Rüstung schleppen konnte und gar selber noch«inen Harnisch trug, wie eine Art künstliches Kultur- rhinozcros. Das ist das.Kriegspferd, das die Sage zum un- geheueren Roß Bayard vergrößert, auf dessen einem Rücken alle vier Haimonskinder zugleich auf Abenteuer reiten: das Göttcrroß Motaiiö, dem man gern wieder je einen Hus mehr angedichtet hätte, die äußerste Last zu tragen, indem die Phantasie unwillkürlich wieder zu den wirklichen alten Naturwegen der Nashörner zurück- lenkte. Bis zu gewissem Grade lebt dieses alte Blut noch in all unseren kalten Schlägen, all unseren fortgesetzt auch von der nw- dcrnen ArbcitSkultur weiter verlangten schweren Ziehern und Schleppern fort. Am reinsten ist es vielleicht heute noch im Tiroler und Steiermärker Pferde, in der Pinzgauer Rasse zu finden, dann in den schweren B> tgiern, den Percherons, den nordschleswiger »Dänen", endlich alo altes Riesenblut auch in den Giganten der englischen Korrenpferde. Keine dieser lebenden Nassen ist ja heute mehr ohne Mischblut, nranche schon so, daß gerade das Gesicht nicht mehr stimmen will. Trotzdem ist der alte Einsatz zweifellos als das noch immer Ueberwiegcnde. Umgekehrt steckt in dem echt»orientalischen Pferde". bei dem wir heute in seiner eigentlichen Heimat an den„Araber" denken, dort das ursprüngliche Alt- und Stammkulturpferd der ganzen edlen orientalischen Kultur von Babylon an. Der Begriff des Arabers ist dabei geschichtlich viel zu eng, wie denn schließlich sogar heut« die Edelpferde dieses Typus keineswegs gerade aus Arabien stammen müssen. Auf den altassyrischen Bildwerken taucht schon ganz unverkennbar das schöne Pferd mit dem„trockenen Gesicht" aus, eine so vornehme Rasse, daß man sagen kann, eS sei der „Araber" eigentlich damals und so früh schon in der ganzen Anlag!: dort fertig gelvesen. Als ein vornehmes, als ein Herrentier tritt das Pferd hier in die Geschichte im Gegensatz zu den Arbeitstieren auch dieses Orients. dem Esel, dem Rinde, dem Kamel. Es führt zu den großen Er- cignissen des LebenS: zum Fest, zur Jagd, in die Schlacht. Auch bei ihm ist offenbar in der Kulturzuchi eine große Evoche vorauf- gegangen, wo das Reiten noch viel weniger seine Rolle spielte, sondern das Pferd ebenfalls den Wagen zog; aber es zog nicht die langsam ächzende Karre, sondern riß den schwebend leichten Luxus- und Streitwagen mit. So erscheint es noch in der Kulturepoche, die in den homerischen Gesängen geschildert wird. In Ländern, wo das Pferd nie selber gezähmt worden war, sondern von außen erst als Edelpferd eingeführt wurde, wie es be- stimmt im alten Aegypten der Fall gewesen ist, hat man noch ver- stärkt den Eindruck, daß es lang« ein reines Luxustier war, eine Kostbarkeit der Könige und der Großen im Laude. Vielleicht liegt gerade in dieser ursprünglichen Kostbarkeit des Pferdes als orienta- lischer Edelrasse der Grund auch der seltsamen Abneigung gegen das Essen von Pferdefleisch, die schon durch die ganze Antike von Osten her heraufkommt. Man liest wohl, das Pferdefleischverbot sei erst ein Erzeugnis des Christentums gewesen, das gegen Heid- nische Qpfermahle vorging. Lokal mag das der Fall gewesen sein, aber es handelte sich dann um nordische Volksstämme, zu denen im Christentum überhaupt zum erstenmal die Welt des Mittel» meereS und der Orient gekommen ist. Die Abneigung gegen Pferdefleisch in dieser Welt ist aber selbst viel, viel älter als das ganze Christentum. Soviel Wechsel der Kulturkreise und Völker über den Orient seit jenen Tagen der assyrischen Pferdedarsteller hingegangen ist: diesen wunderbaren Schatz seines Edclpferdes hat er sich nie mehr entreißen, nie vom Sandsturm der Geschichte verschütten lassen. In den ganzen drei Jahrtausenden bis heute ist offenbar fort und fort dort an dem höchsten Edeltypus der orientalischen Pferde noch weitergezüchtet, weitergefeilt worden, bis eben in das Ideal des heutigen Arabers hinein. Als die abendländische Kultur spät den engeren Orient von ihrer fernen Eigenentwickelung aus wieder „entdeckte", da trat ihr dieses Ergebnis mehrtausendzähriger Liebe nicht als verspätetes Trümmerstück abgegriffen und entwertet wie eine alte Münze, sondern inmitten von so viel anldercm Verfall in geradezu strahlender Schönheit entgegen. Es ist nun in hohem Grade interessant, daß sich noch jetzt ver- folgen läßt, wie aller Wahrscheinlichkeit nach gerade in diese beiden extremsten Sonderzüchtungeii, die massige alteuropäischc und die edle orientalische, in beiden Fällen bereits ursprünglich verschiedene Sonderrassen des benutzten Urwildpferdes selbst hinein- gearbeitet haben. In der okzidentalischen rambnasigen Plumpgaulrasse steckt ganz unzweifelhaft noch immer das Blut jener plumpen, langschädeligen und wulftnasigen ureuropäischcn Wildpscrdc, deren Bild uns die prähistorischen Höhlenzeichnungen bewahrt haben. Mit absoluter Deutlichkeit schließen sich hier auch die diluvialen Kuochenrcste noch an die typischsten Rassenskelette von heute an. Umgekehrt besteht aber an der extrem andersartigen Ecke des alten orientalischen EdelPferdeL eine mindestens hohe Wahrscheinlich- keit, daß zu ihm schon von Beginn an ein zierlicherer wilder Prze- walskier mit feinerem Profil und»trockenerem Gesicht" benutzt worden ist. Ich glaube dabei aber, daß auch die Zähmung auS diesen beiden Urvarianten, der plumpen langschädcligen und der n»»t dem feineren Gesicht, nicht bloß auf ein cngeS Revier und eine einzige geschichtliche Tat beschränkt werden darf. Mindestens für die urorientalische Form kann ich mir die Dinge nicht anders deuten, als daß sie außer in Babylon , wo sie speziell in die„arabische" Edelform übergegangen ist. auch noch an den versckiedcnstcn anderen Orten sonst Ausgangspunkt von selbständigen Zähmungen gewesen ist. Nicht echte Araber, aber wohl Kulturpferde von einem unverkennbaren Grundanklang des Echädeffiaues und ganzen Habitus an die orientalische Raffe find gang offenbar schon seit alters auf einem iliigeheuercn Areal der alten Welt verbreitet gelvesen. Sie gehen als alte Grundform durch die Raffe der östlichen europäischen Mittelmeerländer und des ganzen Riesengebietes vom Kaukasus bis Ungarn und nach Rußland hinauf. Sie beherrschen China und Indien und lassen sich bis in die ponhhaften Formen«ruf Java und im Japanischen verfolgen.
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25 (3.12.1908) 234
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