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Stube. Der Schuller schaute über seine Zeitung weg auf den gewerbe ein völlig neues Gepräge gab. Aber fie schütteten in einer Eintretenden.
,, Was nacha?"
Hinsicht das Kind zugleich mit dem Bade aus, indem fie die auf maschinellem Betriebe beruhende moderne Kunstindustrie überhaupt und prinzipiell bekämpften. Die Maschine sollte aus dem Kunit gewerbe verbannt und alles wieder durch handwerkliche Arbeit her gestellt werden. So nahm die Reform einen teilweisen reaktionären
" Ich hab' den Zettel gesehen, wegen dem Sie so viel Charakter an. Morris webte, färbte und bedruckte seine Stoffe in Verdruß gehabt haben." " So?"
den primitiven Arbeitsmethoden des Mittelalters und Rustin ging in seinem spleenigen Haß gegen alle technischen Errungenschaften der Neuzeit so weit, daß er seine Bücher, um die Eisenbahn zu ver
" Der Herr Pfarrer hat ihn selber hergezeigt." " Dös is nix Sonderbar's. Der hat'n scho viel Leut' meiden, auf Leiterwagen befördern ließ. Aber das Hauptziel wurde goagt. Bloß mir net."
,, Der Zettel is falsch, Schuller."
" Dös woaß neamd besser, wia' r i, daß dös verlog'n is." ,, Verstehen Sie mich recht! Die Schrift ist gefälscht." G'fälscht?"
"
" Jedes Wort und die Unterschrift dazu."
Der Schuller faßte Sylvester mit einem derben Griffe am Arm
,, Sie, Herr Mang, i tenn' Eahna do guat und glaab net, daß Sie an Spott über mi hamm . Was is dös, was Sie da fag'n?"
Ich sag' Ihnen, daß der Herr Pfarrer Held kein Wort über Sie geschrieben hat. Daß man seine Schrift nachgemacht hat."
" Nacha waar ja dös offenbar, daß alles mit Fleiß derTog'n is?"
„ Ja, daß es erfunden ist. Und daß man den alten Held dazu hergenommen hat."
,, Aba, ko ma dös beweisen?"
Das ist gar nicht schwer. Das sieht jeder, der die Schrift kennt."
Und dös is g'wiß und wahr, Sylvester? Sie Hamm Eahna net täuscht?"
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Eine Täuschung ist gar nicht möglich. Was ich Ihnen gesagt habe, vertrete ich vorm Gericht." " Ja, Herrgott!" Schuller stand von der Bank auf und packte Sylvester an beiden Schultern und schüttelte ihn herzhaft.
" Ja, Herrgott! Manndei! Was sag'st ma denn Du? Gel, Du lügst it? Manndei, was sagit d' ma denn Du?" Er setzte sich wieder.
" Sie müassen ma' s nomal g'nau sag'n. So schnell versteh' i dös net."
Sylvester erzählte nun ausführlich, wie er im Pfarrhof war, wie ihn Baustätter zur Rede stellte, und wie alles fam. Der Schuller unterbrach ihn oft.
" 3'erscht recht freundli, gel? Und giftig bei da Freundlichkeit, und nacha auf oamal in da Wuat? Ja, i fenn' an Herrn Baustätter!"
( Fortsetzung folgt.)
erreicht: man nahm wenigstens im Kunsthandwerk die verloren ge gangenen alten soliden Techniken wieder auf. In der Schmiedes funst, in der Tischlerei und Schnigerei, im Bucheinband und in der Lederplastik, in den Metalltechniken des Treibens und Biselierens, in der Kunstverglasung, in Gold- und Silberarbeiten usw. wurden die alten handwerklichen Traditionen wiederhergestellt. Kunstgewerbe schulen dienten der Pflege und Ausgestaltung der Techniken und Stunstgewerbemuſeen trugen das Intereffe und das Verständnis für die Sache in weitere Kreise.
Dem englischen Beispiel folgte etwa zwei Jahrzehnte später der Kontinent und auch Deutschland schloß fich auf seine besondere Weise der reformatorischen Bewegung an. Mit dem den Deutschen eigen tümlichen Bedürfnis, alles zunächst theoretisch in Angriff zu nehmen, ging man an eine fyftematische und ichematische Begründung von Kunstgewerbemuseen und Kunstgewerbeschulen, die bald in reicher Fülle, aber schulmeisterlicher Einförmigkeit allenthalben entstanden. Ein ganzes Heer von Künstlerbeamten" wurde groß gezogen, von waschechten Bureaukraten, die, anstatt die Bewegung zu fördern, au einer direkten Gefahr für die gedeihliche Entwickelung wurden. Man wußte nichts Besseres zu tun, als die blöde Nachahmung, nicht bloß der alten guten Techniken, sondern auch der alten Stilformen, als höchstes Ziel binzustellen. In England schüßte der stets auf den praktischen Zweck gerichtete Sinn vor argen Ausschweifungen des Kunsthandwerks, in Deutschland aber konnte sich eine vollständige Vertrottelung und Verwahrlosung ungehindert vollziehen. Die Böglinge der neuentstandenen deutschen Kunstgewerbeschulen er hielten eine ganz ungenügende technische Vorbildung und wurden dafür mit allerhand überflüffiger Gelehrsamkeit be lastet. Die Fühlung mit dem realen Leben ging vollständig berloren, von den wirklichen Bedürfnissen des Publikums, für das man schaffen sollte, hatte man keine blasse Ahnung. Anstatt Handwerfer auszubilden, züchtete man Zwittergebilde aus halben Künstlern und halben Gelehrten. In der Blütezeit dieses Treibens, während der 1870er und 1880er Jahre, galt die Nachahmung der deutschen Renaissance als das Ziel aller tunstgewerblichen Betätigung; der fogenannte„ altdeutsche" Bußenscheibenstil und das Muschelornament beherrichten die Möbelmagazine. Die Verhältnisse hatten sich also nicht gebessert, sondern eher noch verschlimmert, und von den„ maßund trotz aller pefuniären Aufwendungen, in Deutschland so gut wie gebenden" Stellen aus wurde, trotz aller anscheinenden Rührigkeit nichts getan, um die verrotteten Zustände zu reformieren.
"
Inzwischen hatte sich in den bildenden Künsten eine neue Strömung Bahn gebrochen, die auch das Kunstgewerbe mit sich fort rig. Der frische Wind fam den bureaukratischen Berüden natürlich sehr ungelegen und die Maßgebenden" bemühten fich, der Ausbreitung der modernen Bewegung jedes nur denkbare Hindernis in den Weg zu legen. Angesichts dieses bornierten Widerstandes mußten fich die Führer und Vorfämpfer der neuen Richtung wohl oder übel dazu entichließen, die nötigen Reformarbeiten felber in die Hand zu nehmen. Die deutschen Kunstgewerbler beschritten den Weg der Selbsthilfe.
Kunfterziebung und künftlerische Bernünftigerweiſe ließ man die Theorie zunächst betſeite und zog gleich
Kultur.
I.
Jm europäischen Kunstgewerbe war die Tradition der alten handwerklichen Techniken während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verloren gegangen. Das eigentliche Kunst hand werf wurde durch die moderne Kunst industrie verdrängt, die mit Maschinen arbeitete und die alten vornehmen Stilformen auf ihre Weise nachzuahmen suchte. Aber die charakteristische Schönheit der alten Ornamentit , die vom Handwerk und für das Handwerk geschaffen war, ließ sich im maschinellen Fabritbetriebe nicht nachahmen. Denn gerade die handwerkliche Herstellung hatte jenen dekorativen Formen ihren besonderen Reiz gegeben. Und tausenderlei Feinheiten der alten, reinen Stilmuster konnten im Fabritbetriebe überhaupt nicht reproduziert werden. Man suchte sich daher auf die Weise zu helfen, daß man die guten, auf die Arbeit des Handwerkers berechneten Vorbilder für die Maschine zurechtichusterte. So entstanden jene entseglichen Mißgebilde, die sich für gotische, Renaissance- oder Rotofoformeu ausgaben, in Wahrheit aber nichts anderes als geschmadlose Karikaturen waren, die jedem Stilempfinden Hohn sprachen. Mit dem Verfall der Technit ging eine vollkommene ästhetische Versumpfung Hand in hand.
mit praktischen Unternehmungen ins Feld. Bahlreiche tunstgewerb liche Werkstätten wurden gegründet, die erste in München , andere in Dresden , Wien usw. Die ökonomischen Schwierigkeiten, mit denen diese privaten Etablissements zu kämpfen hatten, erschienen anfangs ungeheuerlich, aber fie wurden allmählich und im allgemeinen schneller als man hoffen durfte überwunden. Ueber diese Seite des modernen kunstgewerblichen Broblems gibt eine vor furzem er schienene fleine Schrift von Hermann Muthesius *) eine fnappe, aber sehr flare und lehrreiche Uebersicht. Der Verfasser weiſt darauf hin, daß den deutschen Künstlern das Verdienst zukommt, als erste auch die Kunstindustrie im Sinne der beredelnden Tendenz der neuen funstgewerblichen Bewegung beeinflußt au haben. In England wurde nur das Handwerk reformiert, in Deutschland suchte man auch auf die mit Maschinen arbeitenden Fabritbetriebe einzus wirken, die allein imstande find, billige und daher den breiteren Boltsschichten zugängliche Produkte herzustellen. Man bemühte sich, neben den Entwürfen für die Handarbeit auch solche zu schaffen, die für die moderne fabrikmäßige Herstellung geeignet waren. Das Problem ist, da alle Vorarbeiten fehlen, ein außerordentlich schwieriges und fonnte bisher nur zum fleinsten Teile gelöst werden. Muthesius be richtet von einer Werkstätte, die seit zwei Jahren den Versuch macht, die beffere Möbelfabrikation, bei der vorher eine Herstellung in großen Auflagen faum möglich war, in die Waffenproduktion über zuführen. Durch Zusammenarbeit des technischen Leiters mit dem Auf der Londoner Weltausstellung des Jahres 1851 trat zum fünstlerischen Mitarbeiter sind einfache Gebrauchsmöbel entwickelt erstenmal der enorme Niveauunterschied zwischen den handwerklichen worden, bei denen die maschinenmäßige Herstellung so weit getrieben, Erzeugnissen der alten Zeit und der Gegenwart zutage. John Ruskin und etwas später William Morris begannen daraufhin*) Wirtschaftsformen im Runstgewerbe. Berlin eine rührige und erfolgreiche Reformattion, die dem englischen Kunst- Berlag von Leonhard Simion Nf. 1908. Preis 1 M.