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ACCONTO

selbstverständlich waren alle Kinder- Gudbrand hatte viele zue Lebens nicht den brettesten Raum einnahmen, als Märchenbuch an gegen, denn immer gab es biele seltsame Herrlichkeiten, die sie nie sprechen. Altenberg sfizziert seine Gedanken, die in rasendem Tempo früher gesehen hatten. Kari fragte, was jeder am liebsten haben jagen, und wird parador dabei. Man schüttelt mehr als einmal den wollte und verteilte Broschen und Silberkästchen und Schnupf- Stopf, aber dann wird man plöglich inne, an einem Wort, einem tabatdosen und Tücher und alles andere, und gab es etwas, was Bild, daß diefer abseitige Mensch sich dennoch mit der Lagerlöf be nicht für die kleinen Mädchen paßte, so legte fie es beiseite, und gegnet. Denn aud) er geht der Nomantik des Alltags fiebernd und fagte zu ihrer Schwiegertochter, das sollte sie jest in ihre Schieb staunend nach. Und auch er möchte auf seine Art, daß man das labe tun. Und über alles, was sie besaß, verfügte sie und sagte, wer Leben intensiver lebte, schauender, fühlender, dichterischer. Er ist so es haben sollte; sie wäre ja jest so alt, sagte sie, daß sie nicht mehr verliebt in das Leben und die Welt, wie die Lagerlöf  , aber wo thr soviel brauchte. Auge weit wird, zieht sich die Pupille Altenbergs zusammen und die Weltbetrachtung wird zur Affeftation. Einen Extraft dieser Affeftationen gibt das vorliegende Buch.

Als sie damit fertig war, es dauerte so ziemlich eine Woche, war sie sehr elend geworden, und da legte sie sich zu Bett.

Gudbrand wußte nicht recht, was er glauben sollte, er ließ wieder eine Andeutung vom Arzt fallen, aber da war sie beleidigt. und er fand auch nicht, daß sie sobiel tränker wurde; aber es war ja sonderbar, daß fie so oft den größten Jungen bei fich haben wollte, der ihr aus der Bibel und dem Gesangbuch vorlesen mußte, und daß sie so sehr wenig vom Hof sprach und eines Tages fragte, ob er einen Schreiner für den Sarg bestellt hätte. Es gab auch das eine oder andere, über das sie noch nicht verfügt hatte, und da wurde Gudbrand zu einer geheimen Unterredung gerufen. Als sie vier Tage gelegen hatte, war sie damit fertig, und da sagte Gudbrand: " Ich glaube, es geht Dir besser, Mutter." Sie machte ein beleidigtes Gesicht:

Ach ja, aber es muß doch so tommen!"

Am vierzehnten Tage lag Kari noch immer, und Gudbrand tonnte es nicht sein lassen, zu sagen:

" Du hast Dich sicher verrechnet, Mutter." Kari lag so beleidigt und gekränkt da, daß sie nicht einmal

antwortete.

Am nächsten Morgen hörten sie, wie Stari aufstand und sich an zog und den Schrant öffnete. Sie nahm das Buch heraus, fezte die Brille auf und las und las immer wieder. Dann schlug sie das Buch zusammen und knüpfte es in ein Tuch, nahm den Stock und flopfte.

Gudbrand tam herein:

Nein, bist Du aufgestanden heute, Mutter?"

Karl Ewald  : Mein großes Mäbel".( Berlag A. Langen, München  .)

Im Grunde sind wir ja alle darin einig, daß den Eltern Er ziehungs- und Belehrungsbücher oft weit nötiger wären als den Kindern. Man sollte, gerade vor Weihnachten, einmal daran gehen, neben einer Liste guter Kinderbücher auch eine Liste guter Eltern­bücher aufzustellen. Es find mir bis jezt eine Anzahl Werte be tannt, in denen mit Gesinnungstüchtigkeit, Biederfeit, gutem Willen und oft auch erfreulicher Vernunft die Schäden falicher Kinder erziehung mit anschließender Kindertragif aufgedeckt werden. Solche Abfichtenbücher mögen immerhin dazu beitragen, Eltern und Er­ziehern ein wenig die Augen zu öffnen. Unendlich wertvoller abee werden sollen, dünten mich jene schönen Beispielbücher, die zeigen, als solche Abschreckungsbücher, die zeigen, wie Kinder nicht behandelt wie man seinen Kindern gegenüber bandeln soll. Ist die Sache nun gar fo gefällig eingekleidet wie in dem Ewaldichen Elternbuche: Mein großes Mädel" eigentlich ist es speziell ein Buch für Väter io verdient es wohl, in das Bereich der empfehlenswerten Weihnachtsgefchente gezogen zu werden. Ich muß gleich von vorn hinein feststellen, daß ich nicht etwa die äußere Einkleidung meine. Denn dieser Neznicekiche Modeblatt- Backfiich auf dem Titelblatt ist einfach des Inhalts unwürdig. Oder war es ein genialer Trick des Verlegers, das Buch wie eine pilante Bahnhofslektüre, ala Schaufensterfutter auszuftaffieren, um unter falscher Flagge und Ethit einzufchmuggeln? Etwa mie eifrige Seelsorger ihre Traftätchen auf die Lebkuchenherzen fleben? Was ist Jugend? Ein Traum. Und des Traumes In

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J

" Ja, das siehst Du doch! Sag doch Ane, daß sie meine Sonn- Vernunftsmoral tagsfachen aus der Kleiderkammer holt."

Was willst Du denn damit?"

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Sie anziehen. Und spann doch den Schwarzen vor den halt? Liebe. Diese verstehenden Worte find des Buches Motto und Schlitten."

H

Willst Du ausfahren, Mutter?"

" Ja, jest bleibt mir nichts anderes übrig, jekt muß ich zum neuen Doktor fahren. Er ist ja jung und gerade aus der Lehre

gekommen. Bielleicht weiß der etwas.

Neue Erzählungsliteratur.

I.

Selma Lagerlöf  : Wunderbare Reise des leinen Nils Holgerson mit den Wildgänsen". ( Verlag A. Langen, München  .)

ein verstehender Vater fieht fein großes Mädel dem Traum der Jugend, der Liebe entgegenreifen. Und wehrt ihm nicht und lieft in und trin ihm nicht in den Weg mit Sagungen, mit öffentlicher feinem Herzen und freut sich des fiebernden Glückes feines Kindes. Meinung, mit bürgerlicher Ordnung. Frei, nur mit feiner Liebe und feiner Sehnsucht darf es zu dem Liebsten fliegen, und während daheim die Mutter in Tränen weint, lächelt der weise Vater still und wartet, wartet auf sein großes, unfeliges, feliges Mädel. Wie schön, wie menschlich ist das alles gefühlt, wie einfach, felbſt verständlich hingeschrieben. Hin und wieder mag die Flamme moralischer Toleranz den Besonnenen schmerzhaft in die Augen stechen, aber dann wieder liegt alles in flarem Lichte. Es ist ein Buch der Helligkeit und der Freude. Kurt Aram  : Jugendsünden.( Verlag: Egon Fleischel u. Co., Berlin  .)

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In Selma Lagerlöfs   Märchenbuch, das mit dem dritten Bande nun abgeschloffen vorliegt, tut fich eine Welt der Liebe und der Wunder auf, ein Welt inniger Mystit, die doch so mit Menschlichkeit Ein Elternbuch nenne ich auch diefen Roman. Ewald ist Ihrisch und Wahrheit und Ratürlichkeit verschwistert ist, daß man meint, und spricht mit dem Herzen. Aram reflettiert und spricht mit dem Selma Lagerlöf   habe wirklich über der Erde den Weihnachtsbaum Intellett. Es ist merkwürdig, wie fübl alle Bücher Arams zuerst angezündet. Nun strahlt er herrlicher, der alte Planet, der Mensch erscheinen, da gibt's teine Poetenbegeisterung, aber auch leinen wird flein und alle Dinge werden groß und glänzend. Von tausend blind dreinfahrenden Born, da gibt's nur Sachlichkeit. Er ist in Seelen und Seelchen raunt es, Orgelflang und Glockenton einer allem Buschauer und selbst da, wo eigene Erlebnisse mitspielen, fennt Urreligion läuten hinein, und dazwischen flingen Menschenstimmen er feine Erbigung. Aber liest man sich dann weiter hinein in diese und Tierstimmen phantastisch und einfach zugleich, und alles drängt geraden, einfachen Säge, die alles Kofettieren mit Literatur von fich an das Hera des Lesers. Bahrlich, man tann Selma Grund aus verabscheuen, so fühlt man sich mehr und mehr gepackt Lagerlöf   eine Gnadenspenderin nennen für Große und Kleine, von dieser Ehrlichkeit, die weder Dinge noch Gefühle fälscht. Und man fühlt sich gedrängt, in Superlativen zu reden, wenn weiter spürt man dann; das sind keine Schreibtischerzeugnifie, die man von dieser schwedischen Dichterin spricht, die eben 50 Jahre alt fich der Autor abquälte, da stand das Leben dahinter und diktierte. geworden ist und die fich mit jedem neuen Werf neu verjüngt. Wie Immer wieder taucht ein Stück Bekenntnis auf, Rechtfertigung und aus einem tiefen Bronnen rauscht es berauf, eine tiefe Musik von Kasteiung zugleich. Deshalb ist Aram in feinen Romanen so gana Sagen und Mären, darin das Lebendige wohnt. Das ist das und gar nicht Literat", darum ist er so einfach, weil er feine Blicher Wundervolle an dieser Frau, die so unendlich weich und doch so gar in erster Linie für sich selbst schreibt, vielleicht für einen anderen nicht feminin, so unendlich gütig und doch so start ist, daß ihre Menichen noch, oder zwei, die es angeht. Das größte Berdienst Märchenwelt sich mit dem Leben innig umschlingt. Sie hat die Arams aber dabei ist, daß er gewissermaßen Privatsachen zu Anschaulichkeit und die Gestaltungskraft, die auch das Unbedeutende Menschheitssachen dichterisch weitet. Dieses Buch:" Jugend bedeutsam macht. Ihre fleinen Leser sollen ihre schwedische Heimat fünden", die Geschichte von eines Knaben Frühlingserwachen tennen und lieben lernen, aber fie ist dabei nicht Gouvernante, sondern mit dem reizvollen Problem der Liebe und Berlobung Schatzgräberin, wenn sie die Kinder mit dem kleinen Nils über des Gymnasiasten mit einem um Jahre älteren Mädchen Meere, Länder, Städte und Flüsse, Wälder und Wiesen fliegen läßt. ftelle ich Hesses Schülerroman Unterm Mad" und Straußens Wenn sie vom Elch erzählt, der die Tragit eines Menschen durch- Jünglingstragödie Freund Hain" gleichwertig an die Seite, ja, es lebt, vom abgeraderten Pferd, das seinen müden Kopf auf die befißt für mich eindringlichere Wahrheiten, eben weil es fo frei von Schulter feines früheren Herrn legt, wenn fie den Eisgang schildert, Ueberhigung ist. Die handelnden Perfonen find feine Beweis das Bergwerf oder die Geschichte der Stadt Stockholm  , so ist das figuren, fie find nicht für das Thema zurechtgeschnitten, sondern find ein Herzblättchens Zeitvertreib", wie wir ihn jedem Kinde wünschen Menschen. Welch' lebendurchpulste Gestalten, der verfnöcherte Lehrer, möchten. der alte General und seine tapfere Frau, die die Jugendsinden der reifenden Kinder so gut verstehen! Und am Ende gibt's feine aufgeklebte Tragik wie in den Büchern der Leidenschaftlichen   und der Literaten. Menschliches- Allzumenschliches wird von einem Kundigen frei von Brätenfionen verfündet. Ueber dem Kapitel aber, wo Here mann und Thea, die beiden jugendlichen Ausreißer, mit ihrer tenichen Liebe Glück und Schmerz in der Fremde durchkosten, liegt ein Hauch von Boefte so gesund und so wehmütig- schallhaft, tvie wir ihn in Gottfried Sellers Romeo und Tulia auf dem Dorfe

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Peter Altenberg  : Die Auswahl aus meinen Büchern".( S. Fischers Verlag, Berlin  .) Nach Selma Lagerlöfs   strömender Phantasie wirkt der sonder liche Wiener   Phantait wie ein Artist. Dort die große propagan distische volksdichterische Kraft, hier ein Spezialistenspiel. Dort eine Epit, die Welt und Dinge vereinfacht, hier ein aphoristischer Stil, der Welt und Dinge fompliziert. Man darf getrost auch diese Aus wahl der Altenbergschen Produktion, selbst wenn die Märchen des

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