Wiederfinden. Von der feinen Philosophie deS Schlußsatzes im BucheWill ich gar nichl sprechen.Hermann Bahr:„Die Naljl*, Roman(S. Fischer?Verlag, Berlin). H erm a n n B a h r:„S t rmm e n des Bluteö",Novellen(Ebenda).Bahr rifreli. er hat keine Inspirationen, er hat die Zlvangsvor-stellung, jede» Jahr auf dem Markt erscheinen zu mnssen. Seis miteinem Theaterstück, seis mit einem Roman. Das Typische aber ist,daß er auch im Roman nicht ohne das Theater auskommt. Bahrüberreicht dieses letzte Buch mit einer fulminanten Selbstanzeige.WaZ darin steht, ist. genau besehen, auch Theater. Mit Worten läßtsich trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten, sagt BahrSseliger Kollege Goethe. Lerder läßt sich mit bloßen Worten nichtauch ein Roman bereiten. Wenigstens kein guter. Das System,das sich Bahr mit vielen Worten bereitet hat, ist folgendes: er willin einer Reihe von Romanen zeigen, daß die Naiur eigentlich nurein paar menschliche Urtypen geschaffen hat, die sich seit Jahrtausendenewig wiederholen, nur durch Zeit, Milieu. Anpassung, Schicksal verändert. Daß aber auch dem Menschen selbst die Kraft innewohnt,seinen Nrtyp zum höchsten Ausdruck zu bringen. Bahr will aun inseiner Roman-Scrie alle die in der heutigen bürgerlichen Welt mög«lichen Typen je in einem Exemplar letzter Vollendung vorführen.Die Rahl soll wohl solch ein höchstgesteigerler Typus sein.Natürlich ist sie Schauspielerin. Wo nähme Bahr auch seine Stoffeher, Ivenn er das Theater nicht hätte? In dem dicken Buche bemühter sich nun. uns glauben zu machen, daß die Künstlerin Rahlganz Wien verrückt macht, während sie im gewöhnlichen Leben eineDnrchschnittsperso» ist. Auch einen grünen Jungen macht sie ver-rückt, der aber, als er ihr gefühlloses Messalinemum erkennt, wiedervernünftig wird. Bahr bat von jeher das Beste gefehlt: die über-zeugende Kraft. Seme Psychologie ist auch hier mehr Psychopathie.Die Erotik, die ihm immer zur Beschwerung deS spezifischen Gewichtsseiner Werte dient, ist verrenkt, und seine Menschen sind ohne denAufwand an Beionderheitsstil banal oder unnatürlich. Merkwürdig.wie selbst einem Bahr, der immer nur Causeur ist und im Haupt-beruf darauf ausgeht, geistreich zu tändeln, ein paar echte Seilengelingen, wenn er das Thema: Mutter berührt. Sonst aber istalles wiederum nur Literatur, wie immer bei ihm.Ebenso die N o v e l l e n, die nur durch ieuilletonistische Auf-wachung blenden und durch die Wahl gewaltsamer Stoffe, wie z. B.„Stimme des Blutes". Mit Stil wird auch hier eine dünne Sachedick überzogen..Diese tiefblaue Stimme mit goldenen Fädendarin'... ein Beispiel von vielen, welch ein unverbesserlicherFeuilletonist Bahr ist. Aber sein Esprit blufft. Man läßt sich dasTheater vorspielen und amüsiert sich dabei. Auf alle Fälle lang»weilt man sich nicht. DaS ist schließlich auch etwaS.jBernhard Keller mann:„Der Tor". Roman.(2.Fischers Verlag. Berlin.)Alle, die Jugeborg gelesen haben, dieses Buch voll Traum undSüße, haben auf ein zweites Buch von Kellern, ann gewartet.Konnte er sich in diesem Singen und Klingen noch übertreffen,konnte er inniger, liebeerfüllter, all umfangender werden? Rein.lind es ist gut, daß er sich nicht wiederholt hat. Er ist irdischer gc-tvorden. Erzählt von einem reinen Tor, der um Liebe hausierengeht und zuleyr doch vor verschloffenen Türen steht. Ja. die Men-scheu, die Gesunden, die Starken, die Glücklichen, sie sind hart. DieLiebe, jene Seligkeit, wie sie in Jngeborg blühte, ist nur bei denStillen, den Unglücklichen, den Kranken. Und Kellermann— seinTheina ist doch immer und ewig die Liebe, die wie ein Stern überdem Menschen steht— schleicht heimlich von seiner Geschichte wegund eilt in das Häuschen im Wiesengrunde, wo das kranke ver»krüppelte Mädwen sieben. Ruit ist er wieder in seinem Element,er kann das heimliche Sehnen, die Leidenschaft schildern, in der dieKranke tvie in ei mm Rausche liegt. ES klingt lvieder wie in Jngeborg. flimmernd spinnt sich wieder diese süße Zärtlichkeit über dieGeschichte. Sieht sich das Buch auch an. als ob Kellermam, sichVerändert hätte, innerlich ist er derselbe geblieben.Hermann Bang:„Das weiße HauS", Roman.(2. Fischers Verlag. Berlin.)Hermann Bang:„Aus der Mappe", Novellen.(HanSVondi, Berlin.)Viel iveniger glücklich als Kellermann ist Hermann Bang derGefahr entronnen, sich selbst abzuschreiben. ES ist ein Unterschied,ob alle Werke eines Autors desien Persönlichkeit ungebrochen wider-spiegeln oder ob er fich im Formalen immer wiederholt. Da« Buchsollte ein Denkmal sein für einen großen Charakter. Ein Arzt undMensch zugleich stand Modell. Und wieder entgleitet dem Autor seinModell und mit liebevoller Feinarbeit geht er, um im Bilde zubleiben, an die äußere Ausschmückung deS Denkmals. Diese so hell-äugig beobachteten und zärtlich ziselierten Details wirken aber dies-uial äußerlich, nach der wundervollen Lebendigkeit in„Lndwigsböhe",stumpf und mehr als eine Art mechanische Technik. Man spürt dieBewegung deS Autors nicht heraus, wie sie z. B. auch die kleinenNovellen durchichüttelt, und deshalb sind uns diese anspruchS-losen Geschichten im Grunde lieber, denn sie lassen mehr vomMenschen Bang sehen. Daran ist ihm ja a»ch das meiste gelegen.wie er selbst betont, daß man in seinem Schaffen mehr den Menschenals den Künstler lieben solle. Des armen Lebens armseliger Gewinnist, die Frcnndschaf: eines Mitmenschen zu gewinnen, sagt er. AusBangZ Büchern mit ihrer schönen Herzenswärine hat sich wohl jederLeser schon ein gewisse» Bild von diesem«utor gebildet, einesweichen Träumer, der immer wie im Sonnenschein dahingeht unddie Geichenke auffängt, die ihm gute Geister der lebendigen Natur,der weißen Schlöffer mit ihren stillen Stuben, der Sommergärtenund der traulichen Ofenwinkel zutverfen. Ganz verwundert ist mandann, wenn man den Dichter in seiner korrekten Großstädtischkeit vorsich fleht.kleines feuilleton.Gebt Arbeit l»)Straßauf, straßab I Ich weiß nicht, wieviel Woche»Mein müder Leib flcd durch die Gaffen trägt,Und immer wieder, wieder anzupochenDort, wo geschäftig sich die Arbeit regt.Ich weiß nickt, wieviel Monde hingegangen,Seit ich die Freiheit wie ein Vogel pries.Ein rauher Hauch, ein kalter Wind zerbliesDie Melodien all', die in mir fangen.Straßab, straßauf! Es muß doch einmal glücke».Und wenn es hundert Male auch mißlang.Geht nicht der Tod den steten WürgergangUnd reißt ins Heer der Arbeit breite Lücken?Verändert sich nichl oft von heut auf morgenDas Werben um die siers bereite KraftUnd zieht bald den. bald jenen aus den Sorgen,Der tags daraus schon frohen Sinnes schafft?Straßauf, straßab l Nur nicht so leicht verzagen lBin ja ein junges und gesundes Blut!Glüht auch die Stirn und revoltien der Magen—Feigheit hinab 1 Und höher, höher Mut lDen Riemen enger und die Brust heraus!Zum Teufel auch: laß ich mich unterkriegen?Mir wird so leicht; mir ist. als könnt' ich fliegen—•Und eilig wandre ich von Haus zu Hauö.Straßab, straßauf! Der Regen plätschert leiseUnd wirft mir schwere Tropfen ins Gesicht.Ich trabe weiter wie ein Gaul im Gleise,DaS Wetter, ach. daS Wetter rührt inich nicht.Des Mittags Strahl hat mich ja auch getroffenMit vollen Garben seines heißen Lichts—Gleichviel, gleichviel! Wo ist ein Plätzchen offen?Ich suche Arbeit. Arbeit! Weiter nichts.Straßauf, straßab! Schon schleicht der erste SchattenDes frühen Abends drohend um mich her.Wie doch die Füße gar so leicht ermatten!Wie wird mein Schritt so langsam nun und schwer.Soll denn auch dieser, dieser Tag sich neigen.Eh' mir ein Platz am Tisch de» Lebens frei?Ich frage, frage— doch die Steine schweigen.Und Menschen— ach. die Menschen!— gehn vorbei.Straßab, straßauf! Bespritzt von den Siaroffen.Umsonst, umsonst! Man macht die Merkstatt zu,Und daS Kontor wird diebesfest verschlossen.Und alle Welt hat wieder Feierruh.Der eine flüchtet sich in die Destille,Ein andrer geht spazieren vor das Tor,Der dritte— ach!— studiert mit heißer Brille,Und mancher legt gemächlich sich aufS Ohr.Und ich?.. Ich lehne»nüd an der LaterneUnd frage mich: Wo führt die« Leben hin?Wächst denn kein Halm für dich auf diesem Sterne?Und waL ist deines Dasein» dunkler Sinn?Was soll das mühevolle Tun und Jagen,Das nur um Brot und wieder Bröl nur wirbt,Indes iin Staube von zertretnen TagenDir facht da? beste in der Brust verdirbt?.,,Aus dem Tierreiche.Die Lebensweise deS DiplodocuS. Einer derriesigsten Vertreter der Saurier, der DiplodocuS. von dein Carnegieeinen prächtigen Skelettabguß dem Berliner Museum geschenkthat, bildet den Gegenstand einer fesselnden Studie im„AmericanNaturalist". Iin Gegensatz zu der Auffassung, die dem Riesentiereinen den Säugetieren ähnlichen Bau zuschreibt, vertritt der Autordie Ansicht, daß eS sich mehr den Krokodilen angegliedert habe undlediglich mühsam kriechend vom Wasser auf das Land gelangenkonnte. Hingegen habe eS eine Amphibicnnawr durch ein trefflichesSchwimmvennögen betätigt. Eine Fortbewegung nach Art derSäugetiere erscheine schon mit Hinblick auf da« riesenhafte Gewichtder Tiere als ausgeschlossen. Es nährte sich zweifellos von allerleiWasserpflanzen. DaS schwache Gebiß weist auf schwimmende Algenals Hauptnahrungsmittel hin.") Ernst Preczang in seiner Gedichtsammlung:„ImStrom der Zeit",-von der soeben im Verlage von I. H. W.Dietz Nachf. die zweite Auflage erschien.. Perantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.— Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Berl»g»anitalt Paul Sinaer acCo..Berlm