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„ Neha" fchreien.
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laffen. In der Bastille hatte es ber reiche Mann gut, für ihn war es wirklich ein fideles Gefängnis, worin es ihm beinahe so trefflich ging wie in feiner eigenen Wohnung, worin ihm faum mehr fehlic als die Freiheit. Daran denti Fund- Brentano, und daran dachte Sardou, als er die Bastille pries.
schnurstrads vor das Haus des Kadi und hordhte begierig am Syalt] Luft Effen und Trinken, Kleider und Deden bringen, in der des Hoftores. Bastille tonnte der Gefangene fich für fein Geld die teuerftent Richtig, da drinnen fchrie ein Efel, fein Efel ein schmetterndes Weine und Speisen, die schönsten Möbel und Kleider kommen o, von tausend Efeln fonnte das fein anderer so schmetternd Suleyman überlegte lange. Endlich glaubte er die richtige Form für fein Gefuch gefunden zu haben und trat höflich in das Haus. Weisester, gerechtefter, gnädigster Kadi," begann er, vor drei Tagen hat sich mein Efelchen verlaufen, ein fettes, junges, fleißiges Efelchen mit einer Schelle am Hals, fo groß wie eine handteller große Schildkröte blauen Korallen am Halfter, so blau wie Himmelblaue Glastügelchen, und einer roten Wollquaste, wie eben die roten Wollquaften alle find-" Run
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und? Was foll's?" fragte der Kadi.
Und nun soll mir ihn jener wiedergeben, der ihn hat, edelster, erhabener Kadi. Nicht wahr, er foll mir ihn wiedergeben?" Ratürlich, das muß er," erwiderte der Richter in würde boller Ruhe.
So gib mir ihn denn, großmiltigster Kadi, gib mir meinen jungen, fetten Eiel wieder 1"
"?" fragte der Radi erstaunt und vornehm abweisend. Ich habe feinen Giel."
" Doch- edler Herr, du haft ihn. Er trägt seit zwei Tagen Sein Korn nach der Mühle."
Menich, wer du auch immer seift, ich sage dir: ich habe keinen Efel... Glaubst du mir etwa nicht?" " Ja Herr! Gewiß
Sofe."
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aber
Ich versichere dir noch einmal: Ich habe leinen Efel." Aber höre doch, edler Kadi, eben schreit er wieder in delnem Du glaubst also einem Esel mehr als mir, Elender? Faßt zu, ihr Schergen, und fäbelt dem Schurlen fünfzig Hiebe auf die Fußsohlen herunter."
Nach dieser turgen, aber schmerzhaften Beremonie war Suleyman entlaffen.
( Nachdruck berboten.)
Wie man in der Baftille lebte.
Won Nar! Gugen Schmidt, Paris.
Von dem Leben in der Bastille macht man sich immer noch eine recht falsche Vorstellung. Die einen glauben an die entsetz lichsten Martern und Qualen, welche den Gefangenen daselbst zu gefügt wurden, die anderen meinen, es sei das fidelste Gefängnis von der Welt gewefen. Der jüngst verstorbene Sardou zum Betspiel, der mit der Geschichte der großen Revolution sehr gründlich vertraut war, meinte, er hätte lieber drei Monate in der Bastille als in einem modernen Gefängnis siken wollen, und Fund- Brentano, der gründlichste Bastilletenner der Neuzeit, pflichtet dieser Unficht Sardous bei. Trohdem darf man sich auf das Urteil dieser Bastilleforscher nicht ohne weiteres verlassen, ebensowenig wie man den übertriebenen Schilderungen der Berherrlicher der Bastillezerftörer glattweg Glauben schenken darf. Um wirklich zu erfahren, wie es in der Bastille herging, wie man hinein und wieder heraustam, und welche Behandlung man daselbst erfuhr, muß man bes den Leuten anfragen, die selbst darin gewesen find. Deren gibt oder gab es nun zwar tausende, aber trotzdem gibt es nur sehr wenige Zeugnisse von ihnen. Das tommt daher, daß es nicht nur den Sträflingen, sondern auch den Entlassenen auf das strengste untersagt war, irgend etwas über die Bastille auszupiaudern oder gar zu veröffentlichen. Sobald ein ehemaliger Gefangener dieser Berordnung zuwiderhandelte, wurde er ohne weiteres wieder in die Bastille gebracht. Allein dieser Umstand zeigt übrigens schon, daß es in den modernen Gefängnissen doch ein klein wenig anders zu geht. Die einzigen ehemaligen Gefangenen, die den Mund aufzutun wagten, waren Leute, die fich nicht mehr auf französischem Boden befanden, und unter diesen steht an erster Stelle Constantin de Renneville , der von 1702 bis 1713 in der Bastille war und nach und nach so ziemlich alle ihre Räume kennen lernte, von den höchften Turmgelaffen bis zu den unterirdischen Kerfern. Nenneville wird auch von Fund- Brentano häufig angeführt, um die ane genehme Seite der Bastille zu beweisen, aber wenn man dann das Buch Rennevilles liest, das soeben in neuer Auflage") erschienen ift, merkt man bald, daß Fund- Brentano sehr parteiisch zitiert hat. Man fann aus Renneville ebensogut entnehmen, daß die Bastille ein fideles Gefängnis war, wie daß fie den Gefängnissen in Marotto entsprach, zu denen die Touristen geführt werden, um den halbberhungerten Gefangenen, die ihre Arme flehend zwischen den Gitterstäben durchfteden, ein Almofen zu reichen. Man blidt da in einen finsteren und feuchten Raum, der übel riecht, und wo sich halbnackte und hungernde Menschen in Dred und Unrat wälzen. Solche Orte gab es auch in der Bastille , so gut wie es daselbst gut möblierte Räume gab, deren Bewohner trefflich aßen und tranfen. In Marokko können die Angehörigen der Gefangenen diefen nach
*) Constantin de Renneville . La Vie à la Bastille. Paris , Louis Michaud.
Wie aber erging es den Armen und Mittellosen? Genant wiederum wie den Gefangenen auf der Kasbah in Tanger , oder vielmehr schlimmer, denn das Klima in Marokko ist milder als an der Seine, und da unten frieren die Leute kaum trotz ihrer Nadtheit. In der Bastille aber hungerten und froren die unbemittelten Gefangenen; ja, fie verhungerten und erfroren mitunter. Und noch häufiger verloren sie den Verstand, was man alles bei Renneville nadilesen kann. Das fieht also etwas anders aus als das von Fund- Brentano geschilderte fidele Gefängnis, obgleich auch dieses in der Tat existierte, wie schon gesagt.
Renneville hat also die verschiedenen Stufen fennen gelernt, er hat in der ersten Zeit, wo man ihn in der Bastille für einen wichtigen Politiker hielt, der vielleicht schon bald wieder freigelassen würde, und wo er auch noch Geld hatte, außerordentlich gut gelebt. Er schreibt uns mehrere seiner Menus aus der ersten Beif auf, und da mag sich mancher die Lippen lecken und denken: In einem solchen Gefängnis möchte ich wohl auch einmal eingesperrt sein!
Aber die Kehrseite fehlt auch nicht. Nachdem man gefehen bat, wie die reichen und hochstehenden Gefangenen behandelt werden, sieht man in den unterirdischen Kerkern vollständig nacte Menschen, die in dunklen und kleinen Zellen mit schnveren Ketten an die Mauern angeschmiedet sind, die sich die ganzen Nächte mit den angreifenden Rattenheeren herumschlagen müssen, die vor Stälte und Hunger wahnsinnig werden oder sterben. Die Bastille war alles in allem ein Erdball im Kleinen, und es gab da Leute, die schmausten und wohllebten, andere, die darbten und an ihren Elend zugrunde gingen. Im allgemeinen lebten die Gefangenen zu zweien, dreien und vieren in einem Raume, und außerden gelang es ihnen, durch die Schornsteine oder durch die in Decke und Fußböden gebrochenen Löcher mit ihren unter und über ihnen befindlichen Leidensgenossen in Verbindung zu kommen. Auch die Teller, auf welchen man ihnen ihr Effen Erachte, dienten als Korrespondenzmittel. Offenbar wurden fie nie gewaschen, denn sonst hätten sich die Gefangenen nicht ihre Schidfale, fein fäuberlich auf die Unterseite der Teller geschrieben, gegenseitig erzählen fönnen. Dieses Mittel war übrigens von den in der Bastille fehr zahlreicher Deutschen erfunden worden, und Renneville fagt, so lange es nur von den Deutschen benutzt worden sei, wäre die Sache trefflich gegangen, als aber auch die Franzosen die Teller beschrieben, hätten die Wärter den Spaß bemerkt, und von da an seien die Teller nach jeder Benupung abgewischt worden. Außer den Deutschen traf Rennebille eine Menge Engländer, Holländer und Italiener in der Bastille . Das erklärt sich dadurch, daß die Bastille eir Staatsgefängnis war, worin man nicht Krethi und Plethi, sondern im allgemeinen solche Leute unterbrachte, die sich gegen den König oder, was damals das nämliche war, gegen den Staat vergangen hatten. Und da damals schon der Franzose in jedem Ausländer, über deffen Erwerbsmittel er midts wußte, einen Spion witterte, fo feste man in die Bastille vor allem jene ausländischen Proteftanten, die vielleicht mit ihren in Frankreich verfolgten Glaubensgenoffen sympatisierten und daher besonders geneigt schienen, den katholischen König an seine protestantischen einde zu verraten. Ueberhaupt war die Bastille zur Zeit Renne billes, der selbst Protestant war, voll von franzöfifchen Protestanten und von anderen mit der katholischen Geistlichkeit in Konflikt geratenen Leuten, und im ganzen saßen da solche Gefangene, die das begangen hatten, was man heute politisches oder Breßzvergehen
nennen würde.
der Bastille getroffen hat, und erzählt, warum sie gefangen gefcht Renneville nennt zahlreiche Deutsche mit Namen, die er in worden waren. Da war ein Apothekergehilfe namens Christian Heinrich Lind aus Leipzig , Christoph Anschüz, Sohn des Bürgermeisters von Heidelberg , der in der Bastille wahnsinnig wurde, der Baron Karl von Niehschwitz aus Sachsen , eingezogen als Spion und Zuhälter, Johann Wenzel Luftich, ehemaliger Benediktiner mönch aus dem Kloster Eberbach bei Mainz , der Protestant ge= worden war und zwei adeligen Französinnen, die den gleichen Glauben angenommen hatten, zur Flucht aus Frankreich geholfen hatte, Johann Christian Schrader von Beck, genannt Wippermann, hannoverscher Dragonerleutnant, der Spionage verdachtig, ebenso wie fein Bruder Georg, der einige Tage vor ihm in die Bastille geschickt worden war, Christian Grinzer oder Kreuzer aus Torgau , ein reicher Juwelier, der angeklagt wurde, mit dem Auslande in Briefwechsel zu stehen, und den man auf sein Versprechen enities, innerhalb drei Monaten das Land zu verlassen oder katholisch zu werden; da er nach seiner Freilassung weder auswanderte noch katholisch wurde, fehte man ihn wieder gefangen und hielt ihn im ganzen fünf Jahre fest.
Jahre, wenn sie nicht gar wie Anschüß ihr Leben im Gefängnis Einige diefer Leute saßen nur ein paar Monate, andere viele beschlossen. Da das Schicksal dieser Deutschen besonderes Interesse für uns hat, fei hier fura nacherzählt, was Renneville bon dent Apothekergehilfen Lind berichtet. Man ersieht daraus sehr an