1004

schaulich, wie man zu jener Zeit verhaftet wurde, und wie es einem in der Bastille erging wenn man Geld hatte.

20

Renneville erzählt, wie er in die schönste Stammer der Bastille gebracht wurde, in das oberste Turmgemach, die sogenannte Calotte oder Mühe der Tour de Coin. Ich traf daselbst einen jungen Mann, der auf seinem Bette saß und sich nicht rührte, als ich eintrat. Als fie mich mit meinem neuen Genoffen ein geschlossen hatten und wir allein waren, ging ich hin, um ihn zu amarmen. Es war ein schöner junger Mann, zwanzig oder ein undzwanzig Jahre alt, aber sehr niedergeschlagen und traurig. Er trug einen Schlafrod aus gestreifter Seide, gefüttert mit grünem Zafft. Ich fragte ihn nach Namen und Herkunft, aber er antwortete mit einem camet verftan", woraus ich entnahm, daß er ein Deutscher war. In schlechtem Holländisch, das ich cin wenig verstand, fragte ich dann weiter, und er sagte mir, daß er aus Leipzig   fei. Ich fragte ihn, ob er lateinisch verstehe, und er antwortete mir in dieser Sprache. Dann fand ich, daß er so gut wie ich selbst geläufig italienisch sprach. Er hieß Christian Heinrich Lind und war der Sohn eines sehr reichen Arztes in Leipzig  . Er erzählte mir, durch welchee Unglück er in diesen Ab­grund geraten war." Sein Vater, der ihn zärtlich liebte, hatte ihn nach Beendigung seiner Studien an mehrere deutsche   Höfe und endlich nach Paris   geschickt, wo er bei dem Apotheker Charras, dem Sohne des berühmten Arztes Moyse Charras, Rue des Boucheries im Faubourg St. Germain wohnte. Der junge Mann besuchte die medizinische Schule, die Krankenhäuser und den Pflanzengarten, wo er seine Studien fortjente, als man ihm die Beifung brachte, er muffe das Sönigreich verlassen, wo er in folge der zwischen Oesterreich   und Frankreich   durch den Tod des Stonige von Epanten ausgebrochenen Streitigkeiten nicht sicher sei. Aus diesem Grunde begab sich Lind mit vielen seiner Landsleute nach Versailles   zu Madame, der Schwägerin des Rönige( ce Handelt sich um Liselotte von der Pfalz  , deren Erbansprüche nach Sem Tode ihres Bruders von Ludvig XIV.   zur Berwüstung der Pfalz   benutzt wurden, und deren Briefe ein ausgezeichnetes Bild von den Zuständen am Bersailler Hofe geben), um sie zu bitten, ihnen zu sagen, ob sie in Frankreich   bleiben fonnten oder nicht Gie antwortete, sie hätten nichts au fürchten, aber sie wolle sofort mit dem Könige darüber sprechen. Dies tat sie auch und fam fo­gleich zurüd, um ihnen zu sagen, daß sie ruhig bleiben fönnten, und daß sie ihnen Mitteilung machen würde, falls fie später ab­reisen müßten. Trotzdem wurden sie fast alle am nächsten Morgen verhaftet. Acht Tage vorher schon waren Anschüß, der Sohn des Bürgermeisters von Heidelberg  , und einige ander Deutsche  berhaftet worden, aber ihre Landsleute glaubten, ca fei wegen Schulden, und ließen sich dadurch nicht angstigen.

natürlich nicht dabei verwendet werden; man bediente sich der römischen Zahlzeichen I und X. So hatten viele Familien bie ins 17. Jahrhundert hinein beim Geschäftsmann ihr Sterbholz, auf deffen Rüdseite Rame oder Hofmarte eingebrannt war. Cine Ilmer Gerichtsordnung von 1621 erfennt ausdrücklich den Sterb hölzern eine gerichtliche Beweiskraft au.

Auch jetzt ist das Sterbholz noch nicht ausgestorben; in einigen altertümlichen thüringischen und bayerischen Schenken ist es noch statt Tafel und Kreide üblich. Im Böhmerwald   rechnen Bauer und Holzhauer in der Weise miteinander ab, daß auf zwei genau zueinander passenden Holzipänen, von denen jeder einen behält, jeder Arbeitstag mit einer Serbe bezeichnet wird. In Oberhessen trägt der Pflug so viel Sterben, als der Bauer Stück Kindvich im Stalle hat, und viele Sirten zählen noch die ihnen unter­gegebene Herde nach der Anzahl der Herben in ihrem Hirtenstab. Aftronomisches.

Die Spektra ber Blaneten. An der Lowvelf- Sterntvarte find im Laufe der letzten beiden Jahre wichtige Neuerungen in der photograpblichen ninahme der Spektra der größeren Blaneten ge­macht worden. Die Bedeutung jedes neuen Erfolges auf diesem fowie ihre Atmosphäre dadurch genauer fennen zu lernen. Der mit Gebiete liegt in der Möglichkeit, die Zufammenfegung der Planeten Lowell zusammenarbeitende Aftronom Slipher hat ein Verfahren er funden, photographische Platten auch für die Teile des Spektrums empfindlich zu machen, die sehr weit auf defien roter Seite liegen. Bu diesem Zwede werden die Platten vor ihrer Benubung in eine Lösung getaucht, die nach einer Mitteilung von Lowell an die Nature" aus Biocyanol, Binaverdel, Dichanin, Alkohol und Wasser besteht. Wht den so hergerichteten Platten wurden Auf­nahmen fämtlicher größeren Planeten gemacht, also des Jupiter  , des Saturn, des Uranus   und des Repinn. Zu Bergleichszweden wurde auch der Mond photographiert, der befanntlich nicht das geringste Eigenlicht befigt, also einfach das Sonnenfpeftrum wiederstrahlt. Die fo erhaftenen Ergebniffe fcheinen eine sehr erhebliche Errungenschaft für die Planetenforschung zu bedeuten. Eine große Bahl von neuen Linien und Bändern die пепел Spektralaufnahmen zutage zutage gefördert ist durch worden, namentlich in den Speftra des Uranus   und des Neptun   zum Teil aber auch in denen der näheren Planeten Sonnenlicht herrühren, nehmen an Bahl und Stärke zu, je weiter Jupiter   und Saturn. Die Linien und Bänder, die nicht vom der Planet von der Sonne entfernt ist. Insbesondere ist die Ver ftärfung zweier Linien des Elements Wafferitoff in den Spektren des Uranus   und Neptun auffallend. Durch diese Tatsachen werden nene Anschauungen über den Zustand auch der fernsten Planeten nach der Weltbildungstheorie angebahnt werden. Gerade diese bon Sant ältesten Trabanten der Sonnen scheinen sich eine ge wisse Jugendlichkeit erhalten zu haben.

9

-

-

Aus dem Tierreiche.

Am 5. September morgens Hopfte es an die Zür Linde, und es traten drei oder vier Unbekannte herein, die ihm er zählten, Anschüh habe sie zu ihm geschickt, um seine Schuld zu regeln. Er solle fich anziehen und mit ihnen zu Anschütz gehen, der ihm das geliehene Geld zurüdgeben werde. Obgleich er fich wunderte, daß fie ein Inventar feiner Habfeligfeiten aufnahmen, mußte er ihnen doch folgen und wurde in einem geschlossenen Die Borfahren des Hundes. Daß der Hund schon Wagen an die Vastille gebracht, wo man ihn in die Galotte der Tour in vorgefchichtlicher Zeit der treue Genosse des Menschen ist, weig du Coin führte. Erst seche Tage später, als man ihm einen Geman feit ziemlich langer Zeit durch Höhlenfunde und Ausgrabungen, noffen zuführte, erfuhr er, wo er sich überhaupt befand, und daß namentlich aus der Zeit der Biahlbauten. Dr. Studer hat in den man ihn wahrscheinlich verhaftet hatte, weil er als Ausländer mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern   den Schädel verdächtig sei. Der Genosse Linds war ein bretonischer Edelmann, eines Haushundes, der an einem vorgefchichtlichen Wohnplatz der sich mit dem Deutschen   lateinisch unterhielt und ihm schließ der sogenannten Hallstatt  - Periode in der Nähe von Startstein lich einen fostbaren Ring abnahm, den er nach seiner Freilassung bei Steichenhall gefunden war. genau untersucht und bei berlaufen sollte, um für Sind zu arbeiten. Der Mann wurde diefer Gelegenheit die bisherige Stenntnis der Hundearten auch wirklich freigelassen, aber Lind hörte nichts mehr von ihm. aus vorgeschichtlicher Zeit zusammengefaßt. In der ältern Stein zeit hat der Mensch Hunde gehalten. die foon in allen Haupt­( Schluß folgt.) eigenschaften dem heutigen Hausbunde ähnlich waren. Jnumerhin laffen fich nach den gefundenen Efelettresten befondere Ber wandtschaftsmerkmale ableien. Diefer Hund der älteren Steinzeit batte etwa die Größe eines deutschen Schäferhundes, glich aber sonst wahrscheinlich am meisten dem australischen Dingo und dem javanischen Hunde. Bermutlich lebte er noch in halbwildem Zustande neben dem paläolitischen Menschen und paarte sich wohl auch noch bäufig mit dem Wolf, woraus eine neue Rasse entstanden zu fein scheint, die dem fibirischen Hunde( Laiki) geglichen haben mag. Refte diefer Raffe sind in den Pfahlbauten des Nenenburger Sees in der Schweiz   und des Ladoga- Sees in Nußland gefunden worden. Außerdem muß noch eine Streuzung mit dem Wolfe von flacher Schädelform stattgefunden haben, der als die Urform der heutigen Jagdbunde gilt. In einer anderen Linie des Stammbaums zweigten von dem der älteren Raffe der Steinzeit unfere Schäferhunde ab und in einer noch anderen Linie die Hunderassen, die im Bronze zeitalter die Kameraden des Menschen waren. Wahrscheinlich find noch weitere Kreuzungen mit dem Wolf erfolgt, von denen z. B. der fleine Hanshund der Pfahlbauten abzuleiten ist. Der beschriebene Hundeschädel von Karlstein   gehört zu einer Rafie, von der die Rüden der heutigen Saujagden stammen, und diefe Raffe erschien erst mit der Eiszeit und scheint auf die Alpen   beschränkt gewesen au sein, wo sie noch jetzt durch die Bernhardiner vertreten wird.

Kleines feuilleton.

Sprachwissenschaftliches.

Etwas auf dem Kerbholz haben. Die Be deutung diefer Redensart, bei jemand in einer Schuld stehen". vielfach auch übertragen etwas auf dem Gewissen haben", dürfte wohl allgemein bekannt sein. Weniger die weitverbreitete und selbst bei uns noch nicht ganz ausgestorbene Gitte, von der der Ausdruckt sich herleitet. Er stammt nämlich aus jenen Zeiten, wo Rechnen, Lesen und Schreiben weiten Streifen der Bevölke­zung noch böhmische Dörfer waren. Das Kerbholz vertrat die Stelle eines Stontobuches. Es wurde hergestellt, indem ein ge­glätteter Stab oder ein Brettchen mit auffallenden Jahresringen ader Snorren der Länge nach in zwei Zeile geschnitten wurde. die beiden Stüde   mußten genau aneinander passen; hielt man fie nun zusammen und machte quer über sie hinweg Ginsonitte, Rerben, so hatte man eine Ucfunde von größter Beweisfraft, wenn 3. V. Käufer und Verkäufer die Stüdzahl der Ware oder die Summe Geldes durch die entsprechende Anzahl von Gerben be­zeichnet hatten, da jeder sein Teil vom Kerbholz behielt und beide Zeile ftets übereinstimmen mußten. Arabische Ziffern konnten

Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.- Drud u. Berlag: Vorwärts Buchdruderei u.Berlagsanstalt Baul Singer& Co., Berfin SW.