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funfzig auf dem Schweriner Jahrmarkt erstanden. Mit Stolz Lauschend stand es hinter den hellgrünen Buchen und den bräunlichen Ahornwipfeln auf einem dunkelgrauen Gewitter ruhte Mines Blick auf ihm. Alle gaben sie der Scheidenden das Geleit bis zur Tür. himmel. Das Buchenlaub hatte noch den Atlasglanz und die blonde du mein Harce," schrie plöglich die Mutter auf, de Kinderwimper des Frühlings. In den Ahornblättern schwoll der Saft wie rötlicher Wein. Und um das stumme leere Schloß Eter for Tante Male!" So rasch ihr offner Beinschaden, an jauchzte die liebeberedte Nachtigall und weckte kein Echo. Stumm den sie litt wie alle Weiber in ihren Jahren, es erlaubte, prangte das feierliche großmächtige Halbrund mit seiner breiten humpelte sie ins Zimmer zurück, wo unterm Bett der Henkelsäulenumfaßten Rampe. Nur ein Sperling hüpfte auf der weißen forb stand mit den seit Wochen gesammelten frischen" Eiern. Paradetreppe. Mit einem beruhigten„ Su!" kam sie wieder zurück und hing der Tochter den ziemlich schweren Korb an den noch freien Arm.
Die Reschken möchte scheene fuden, wenn ich ihr nischt mitschicken täte vors Geschäft. Gib Obacht, Mine, zertepper nischt! Und sprich zur Muhme:„ En scheenen Gruß von der Mutter, fünf Mandeln, ganz frisch gelegt!" Es kommt Dir zu gutte, Mädel, sie verschafft Dir dafor en reichen Dienst. Un sprich ooch, daß sie nicht vergißt, daß sie Malen ihr Pate is, zu Ostern wird die eingesägent. Adje!"
Die Eltern blieben auf der Schwelle stehen, die Geschwister liefen noch ein Stück Wegs mit. Die Kleinen halfen Mar den Korb tragen und zanften sich mit ihm, weil er be. hauptete, sie machten ihm die Last nur schwerer. Male blieb ein wenig zurück und las die Pflaumen auf, die über die Blanken der Gartenzäune gefallen; es tam ihr auch gar nicht drauf an, den überhängenden Ast eines Apfelbaumes derb zu Schütteln ( Fortfehung folgt.)
Warum?
Von Jlse Frapan- Akunian.
Das Schloß stand leer, vollständig leer. Ein Riesenbau mit zweihundert Zimmern, weiß und prachtvoll, mit Prunksälen für tausend Menschen, alles leer, leer, wie ein ausgeblafenes Ei. Wer wohnte jetzt dort? Der Geist der Geschichte", sagten die Byzan tiner und lächelten gläubig. Aber wie andere Geifter war auch der Geist der Geschichte unsichtbar und körperlos, und das Schloß war leer, leer, vollständig leer.
Einmal war es ein Residenzschloß gewesen, doch der König, der es damals bewohnt, war gestorben und bermodert, trotz der Einbalsamierung so ein morscher, alter König. Und lange, eh' er gestorben und einbalsamiert war, hatte ihm sein Vetternachbar sein Reich und dieses Schloß weggenommen, um seinen eigenen Besitz abzurunden".
So stand das Schloß denn leer. Es tröstete sich aber damit, auch jetzt fönigliches Besitztum zu sein. Eins von vielen föniglichen Besitztümern war es freilich. Der Vetternachbar, der es dem alten, morschen König weggenommen, tam fast nie hierher. Er hatte andere Unterkünfte. Er konnte jeden Tag in einem anderen Saal tafeln und jede Nacht in einem anderen Gemach schlafen, das ganze runde Jahr. Dafür war er ein König. Es war Gottes Gnade, die ihm alles das verliehen, sagte er, auch die Kanonen, mit denen er den morschen, alten König aus seinem Reich verjagt hatte. Gern faltete er die Hände zum Dank für Gottes Gnade.
Seit vielen Jahren schon stand das Schloß leer. In seinen zweihundert Zimmern erscholl fein Laut, als das Springen der Mäuse auf dem Parkett, als das Rattengeraschel hinter den vergoldeten Täfelungen. Hie und da nur ertönte auch der ehrfurchtsbolle Schrift des Kastellans .
Und zweimal im Jahre, im Frühling und im Herbst, belebten sich die öden ausgestorbenen Gänge und Räume mit Scharen von Dienern und Mädchen. Dann klopfte man den Staub aus den Teppichen, die nie ein Fuß betrat, aus den Polstern, auf denen niemand ruhte, aus den Betten, in denen niemand schlief; dann wichste man, auf den Knien liegend, wochenlang das Parkett, über das die Mäuse und Ratten gesprungen waren, rieb die Fenster blank, durch die kein Auge sah, putzte die Spiegel, in denen sich niemand bespiegelte, säuberte die Kronleuchter, in denen nie ein Licht brannte, frakte den Roft von den alten Harnischen, die leer waren wie die Prunksäle, leer wie das ganze leere Schloß, das niemandem diente, niemandem nötig war, aber doch erhalten werden mußte.
Und dann kam wieder die Stille, die Totenstille in den zweiHundert Zimmern, mit dem lautlosen Sonnenschein auf den ber blichenen Gobelins, mit dem gleitenden Mondlicht auf den leeren seidenen Divans mit den verblaßten Blumen. Und in den üppigen reichgepolsterten Plauderecken, die sobiel verstelltes girrendes Lachen, fobiel Galanterie und Koketterie gehört und gesehen, daß sie noch heut davon träumten, piepten die Mäuse, und in den Kaminen dröhnte die Stimme des Sturmes, die mächtige, ernsthafte, grollende Stimme, die mit dem leeren Schlosse drohende, derb- respett lose Worte sprach in schaurigen Winternächten.
Heut war ein Frühsommerabend. Diese Abende waren es, in denen das Schloß seine ganze hochmütige Fassung wiederfand. Dann sah es aus, als träume es von einem neuen glanzvollen Erwachen, dann war es wie ein Märchenschloß, wie ein Dornröschenfchloß.
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Blutigrote Rhododendren, dicht aneinandergereiht, umgaben den weißen Unterbau des leeren Schloffes, eine still und ungesehen für sich verblühende Pracht. Wie aus einer Woge von Blut stieg das Schloß auf. 8ur linken Seite dehnten sich prächtige halboffene Arkaden, leer auch sie, schimmernd auch fie mit dem pompejanischen Rot ihrer Wände, wie eingetrocknete Blutflecke auf dem fanften lebendigen Grün des Hintergrundes. Unbeweglich, mit ewigem, erfrorenem Lächeln, schwebte die zierliche Tänzerin auf der roten Wand, in der hoch erhobenen Hand die durchscheinende Bernsteinfugel. Auf den föstlichen Mosaiken des Bodens kein Fußtritt, in den Arkaden kein Laut, feine Bewegung hier als das Spiel des Windes mit einer losen Ranke wilden Weins. Zur rechten Seite gab es teine Arkaden, keine pompejanischen Tänzerinnen; nichts als ein- in den Schloßgarten fed vorsprin gendes, in den neuen Landesfarben bemaltes Schilderhaus. Davor marschierte, auf ab, hin- her, wie ein aufgezogenes Uhr wert, eine buntrödige Figur- der Wachtposten. Die Leere des Schlosses, die Verödung der Arkaden sie mußte doch bewacht werden. Die Sonne war feit Tagen schon hinter den Wolfen gewesen, seit Tagen schon hatte es bald im Often, bald im Süden gegrollt. Von Zeit zu Zeit waren schwere Regengüsse gefallen, jähe Hagel schauer heruntergebrauft. Die Nachtigall hatte dazu gejauchzt, und die Frösche hatten keinen Augenblid geschwiegen. Feucht und schwer war die Luft; voll vom Dufte der Traubenkirschen und des jungen Grafes und dazu von einem füß- fauligen Geruch, den der bom Regen aufgewühlte breite, stille Schloßgraben aushauchte. Hinter dem öden Schloßgarten mit den verblühenden Tulpenbäumen, hinter der mannshohen Sandsteinmauer, die das frühere Eisengitter umschloß, das dem neuen Befizer nicht mehr genügt hatte, trotz seiner starrenden, pikenähnlichen, vergoldeten Stachel piken, 30g sich dieser breite stumme Graben hin, geschwellt wie ein Fluß, zum Ueberfließen voll, mit einzelnen Weidenbäumen am Rand, die hineinhängen, die Zweigenden gelblich und aufgekrümmt von der üppigen Nässe. Ganz still lag das gärende braune Wasser, unter fettgrünen Schlauchalgen und Wafferlinsen.
Eben blitte aus schwarzen Wolfenlidern ein scharfer scheeler Sonnenblick gegen die obere Fensterreihe des Schloffes. Gemalte Fenster waren es, das Gemach war der Rittersaal. Ritter- und Roßpanzer standen an den Wänden. Vom plumpen alten groteskabschreckenden deutschen Stechhelm bis zu den geschmeidigen Ringund Schuppenpanzern florentinischer Arbeit war die Sammlung vollständig. Der neue König hatte sie dem alten weggenommen, und seine Freude daran war die echteste und aufrichtigste Freude seines Lebens. Die Ueberzeugung von der über ihn ergossenen Gnade Gottes vermischte sich hier mit einem Gefühl wehmütiger Dankbarkeit und Pietät. Wieviel verdankten er und seine Bettern auf den Thronen Europas diesen teueren Reliquien! Von selbst falteten sich seine Hände vor diesen so fertig, so tatenbereit dastehenden Gehäusen. Wie wenig schien zu fehlen, damit sich diese Arm- und Beinschienen höben, diese Schilde fich richteten, diese Speere geschleudert, diese eisenbermummten Roffe in Galopp gesetzt würden! In solchem Aufzuge mußte selbst ein Strohmann wie ein Held aussehen. O glanzvolle Zeiten!
" Hurra!" rief der König, wenn er durch den Waffensaal ging. Er rief es unwillkürlich und wirbelte den Schnurrbart empor. Dann sah er sich schnell um, ob es jemand gehört hatte. Er wurde rot, sein Kopf ducte sich, er lächelte scheu und versöhnlich und murmelte: Nein! nein! Mein Reich ist der Frieden".
Und säbelrafselnd, sporenklingend schritt er weiter bis zur Korridortür. Dort aber kehrte er scharf um. Denn dort, in einem Glaskasten, stand eine ethnographische archäologische Merkwürdigkeit, die ihm unangenehm war. Eine ägyptische Königsmumie war es, mit weiß grinsenden Zähnen in dem schwarzbertrodneten Ges sicht, mit leeren Augen und beinerner Nase. Der fäbelrasselnde Friedenskönig warf einen widerwilligen Blick auf den fleischlosen Brustkorb, dessen Rippen deutlich voneinander getrennt waren durch leere Räume, auf das Bündel weißblauer Mumienleinwand, das alles übrige verhüllte. Ein trauriger König! Das sollte ein König sein? Unglaublich! Jeder Zoll ein Mensch!
Und der König kehrte zurück von der leeren Königsmumie, die ihm gar nichts sagte, zu den prächtigen Streitkolben, den scharfen Morgensternen, und sein Geist hielt Zwiesprach mit dem Geifte jener erhebenden alten Zeiten. Rührende frühefte Steinschloßflinten, so rührend in ihrer Unbeholfenheit! Begeisternde erste Sanonen! Der König zog eigenhändig sein Taschentuch und wischte sich erst die feuchtgewordenen Augen und dann eins der lieben alten plumpen Rohre, auf dem ein Staubhauch lag. Es tat ihm wohl, etwas für die zu tun, die stets die treuesten Diener der Könige gewesen.
Und feinen Blid weiter nach der unangenehmen archäologischen Merkwürdigkeit. Sie war einst von dem grillenhaften Vorgänger