Mer dann nach einer Weile erhob sich ein Kopf über Wasser, des ManncS Kopf mit wild aufgerissenen Augen. Er wollte herauf, zurück, aber wie Blei hing die Frau an seinem Halse. Er schüttelte sie, sie regte sich nicht, er sah ihren offenen bleichen Mund, die toten, verglasten Augen. Da schrie er auf, grell, fürchterlich, heulend wie ein Tier. Die Vögel flogen davon, die Blätter erbebten. Er sah das leere Schloß hinter den Bäumen, er verstand alles, er begriff alles, er fand eine neue Sprache auf seinen armen blöden Lippen, einen hellen flie- genden Schein in seinem dumpfen, dunklen Hirn. ..Warum? Warum? Da wär' ja Platz! Da wär' ja ein Dach! Da wär' ein Lagerl Da wär' ja Obdach für Tausend für uns? Stuben und Betten und Tische und Teller. Alles da, was man braucht? Viel mehr als man braucht! Und wir? Und wir? Wir ersaufen im faulen Graben! Wir verfaulen hinter der Hecke! Wir verhungern im Brennesielkraut! Warum tun wir das? Warum sind wir so feig? Warum find wir so toll? Warum? Warum?" Und das neue Licht wirbelte um ihn, er fühlte schon sich sinken, atemlos keuchend versuchte er, den Kopf seiner Frau emporzuheben: Marieken," schrie er gurgelnd,waak Weddel op; waak gau opl Da is ja Platz op de Eer! Platz vor all' un jedwereinl Wi wölt rin gähn! Wer hett seggt, dat ick bang bün? Ick bün nich mehr bang! Nich mehr nich mehr bang---" DaS schmutzige Wasser drang ihm unaufhaltsam in den Mund, erstickte ihn; er sank zurück; einmal noch schlug die anklagende Hand in die Höhe, dann verschwand alles� unter der Algendecke. Weiß und prächtig stand das leere Schloß, aber es war nicht mehr, was es gewesen; es knisterte und krachte in den Mauern; was unversehrt schien, war getroffen; kein Blitz von oben der Schrei aus der Tiefe hatte das Fundament gespalten. (Nachdruck verboten.) Die neuaufgcfundeneii ältesten inenrchUchen Skelettreste. Von Dr. Ludwig Reinhardt. 7. BiS jetzt sind nur vereinzelte und dazu noch meist in ihrem wirklichen Alter schwer zu bestimmende Ueberreste des Menschen gefunden worden, so daß es als ein hochwichtiges Ereignis begrüßt werden muh, daß kürzlich zwei neue Funde gemacht wurden, die weitaus die ältesten menschlichen Skelettreste bedeuten und unsere Ahnen mit Sicherheit um einige Hunderttausend Jahre zurückver- folgen lassen. Was will das heißen, wenn man bedenkt, daß die als uralt angestaunten ägyptischen Mumien nur etwa vier- bis fünftausend Jahre alt sind und die Skelettreste der Gräber der jüngeren Steinzeit in der Regel nicht sehr viel älter sind. Aller- dings lebten die Mammut- und Rennticrjäger der frühen Nach- ciszeit, die uns stellenweise, besonders m Südwcstfrankreich und Nordspanien, ihre merkwürdig naturgetreu gezeichneten und teil- weise mit bunten Erden bemalten Tierdarstellungen an den Höhlen- wänden hinterließen, nachweisbar vor zwanzig bis fünfundzwanzig- tausend Jahren. Doch haben sich von chnen wie von den bedeutend älteren Menschen der eigentlichen Eiszeit nur ausnahmsweise ein- zeln« Bruchstücke von Skelettknochen erhalten, so daß wir erst seit kurzem die Eigentümlichkeiten ihres Körperbaues genauer kennen gelernt haben. Die älteste bis dahin in ihrem anatomischen Bau bekannt gc- wordene Menschenrasse, die um die Wende der vorletzten Eiszeit und in der ersten Hälfte der sogenannten Waldphase der letzten Zwischeneiszeit, d. h. nach den neuesten geologischen Bestimmungen vor wenigstens dreihunderttausend Jahren lebte, war die N e a n» d e r t a l e r, so genannt nach den im Jahre 18S6 von Dr. Fühl. r o t aus Elberfeld   in Neandertal   bei Düsseldorf   für die Wissen- schoft geretteten Knochcnresten, besonders einem überaus massiven Schädeldach mit niedriger, fliehender Stirne und starken Ueber- augenwülsten, Eigentümlichkeiten, die dem heutigen Menschen voll- kommen fehlen und, statt für normale aber altertümliche, für krankhafte und nicht sehr alte Bildungen angesehen wurden. Die richtigen Anschauungen über die Merkmale dieses Men- scheu gewann man erst, als in Frankreich  , dann in Mähren   und zuletzt in Kroatien   noch weitere Ueberreste von ihm gefunden wurden, in Begleitung von typischen Feuerwerkzeugen, die wir nach dem Vorgange des Pariser Altertumsforschers Gabriel de M o r t i l l e t nach einem der ersten bekannt gewordenen Fundorte, Le Moustier in Südwestfrankreich, als Maust erien bezeichnen. Besonders der vom Agramer Geologen Prof. Gorjanovic- Kramberger   vor einigen Jahren bei der Ausräumung einer ehemaligen Höhle bei Krapina   in Kroatien   gemachte Fund war von großer Bedeutung, indem an einer einstigen Herdstelle mit Ueberresten von Asche und Kohle außer zerschlagenen und teilweise angebrannten Tierknochen gegen fünfhundert ebenfalls zerschlagene und teilweise angebrannte Knochenbruchstücke von insgesamt zehn Individuen verschiedenen Alters und Geschlechts des Menschen ge- funden wurden. Diese müssen einst hier in dieser Höhle von übe!« wollenden Nachbarn überrumpelt, niedergemacht und verspeist worden sein, wobei nicht nur die Schädel zur Entnahme des Gc« Hirns, sondern auch die Markknochen zur Erlangung des lebens« warm wie das Blut und die Eingeweide als Leckerbissen verzehrten Markfettes eröffnet wurden. Das waren die ältesten sicher beglaubigten menschlichen Ueber« reste, und in so wenig vorteilhafter Weise präsentierte sich der Mensch bei seinem ersten Auftauchen aus dem Dunkel der Vor« geschichte, bis im Laufe dieses Sommers ein noch weit älterer Funb in Südwestfrankrcich gemacht wurde, der uns unseren Ahnen auch von einer weit liebenswürdigeren Seite, denn als mitleidlosen Verzehrer von seinesgleichen zeigt. Diese hochwichtige Entdeckung verdanken wir einem schiveizeri sehen Archäologen, Herrn Otto H a u s e r, in Basel  , der seit vier Jahren die schon längst be« kannten, aber unvollständig erforschten, der älteren Steinzeit an» gehörende Fundorte und dazu noch verschiedene neue, von ihm selbst aufgespürte, systematisch ausgräbt in Anlehnung an eine von ihm selbst durch einen geübten Geometer vorgenommene Landesver- Messung des betreffenden Gebietes, welche die absoluten Höhen über Meer der einzelnen Fundschichten und der in ihnen gefundenen Feuerstcinwerkzcuge oder sonstigen Fundobjekte zu bestimmen er« laubt. Im oberen Tale der Vezere in der Dordogne   liegt an einer Talverzweigung unter einer jähen Felswand aus weißem Kreide- kalk der Ort Le Moustier, auf dessen unterer Felstcrrasse die Pioniere der prähistorischen Forschung, L a r t e t und C h r i st y, schon zu Ende der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eine an typischen Werkzeugen aus Feuerstein   reiche Fundschicht aus« beuteten, die, wie bereits erwähnt, der Kulturstufe des Neander« talers   den Namen Mousterien gab. Zehn Meter unterhalb jener Terrasss begann Herr Hauser im November 1907 in einer bis dahin durch moderne Bauten der wissenschaftlichen Erforschung unzugäng- lichen kleinen Höhle zu graben, aus der in der Folge eine Menge ausschließlich der A ch e u l e e n kultur angehörender Feuerstein» geräte zutage gefördert wurden. Diese dem Mousterien voraus» gehende Kulturstufe aus dem letzten Viertel der ganz außcrordent- lich lange währenden vorletzten Zwischeneiszeit ist besonders durch eigentümliche mandelförmig zugeschlagene flache Faustkeile aus Feuerstein   charakterisiert, und hat ihren Namen von demselben Gabriel de Mortillet   von einem ihrer berühmten Fundorte bei St. Acheul, einer Vorstadt von Amiens   in Nordfrankreich. Sie ist eine Weiterbildung des noch älteren und primitiveren C h e l l e e n. so genannt nach dem Fundplatze der diese Stufe kennzeichnenden, grob zugeschlagenen, großen, dicken Faustkeile bei Chelles   an der Marne  . Bis zum 7. März vorigen Jahres waren fast ausschließlich Feuersteingeräte, besonders zahlreiche Faustkeile des Acheuleen« aus der an der Basis der Felswand erschlossenen Höhle von Le Moustier herausgeschafft worden, als am Nachmittag dieses TageS dem Borarbeiter beim Graben in 1,6 Meter Tiefe, ganz nahe dem schützenden Felsdache, einige Knochenfragmente auf die Schaufel fielen, die er sofort richtig als menschliche Extremitätenreste er» kannte. Der seiner Weisung gemäß sofort davon benachrichtigte Herr Hauser kam alsbald herbei, obschon er der überraschenden Botschaft zunächst keinen Glauben schenkte. Und als er sah, daß die vom Vorarbeiter geäußerte Vermutung vollkommen richtig war, und Bruchstücke eines menschlichen Unterschenkelknochens waren, ließ er die Grabung sofort unterbrechen und die Fundstelle hoch mit Erde bedecken, um die noch im Boden ruhenden Skelettreste vor den für sie verderblichen WitterungSeinflüssen zu schützen. Freitag, den 10. April wurde in Gegenwart einer Anzahl fran» zösischer Beamter und Aerzte der Gegend das Skelett soweit frei» gelegt, daß der Schädel sichtbar wurde, und ein notariell ausge» strtigteS Protokoll mit den Unterschriften der anwesenden Zeugen aufgenommen, um von vornherein alle Zweifel an der Echtheit der in vollkommen unberührten Schichten liegenden kostbaren Reste zu beseitigen. Mit der definitiven Hebung seines einzigartigen FundobjektcS wartete Herr Häuser bis nach Beendigung des Frank« furter Anthropologcnkongrcsscs eine aus neun namhaften Prä» Historikern und Anthropologen bestehende Gesellschaft, worunter die Professoren Hans Virchow  , Karl von der Steinen und Gustav Kossinna   aus Berlin   und Herrmann Klaatsch aus Breslau  , auf seine Einladung hin am 9. August im Vezerc» tale eintrafen. Als man mit der höchst sorgfältigen Ausgrabung der Skelett- reste begann, zeigte es sich sofort, welch ungeheure Schwierigkeiten der überaus morsche Erhaltungszustand dieser uralten Knochen- reste, die bei der Freilegung zum größten Teile in Staub zerfielen, der Hebung bereiteten. Besonders von einer Loslösung des ganzen Schädels konnte durchaus keine Rede sein, und so versuchte Prof. Klaatsch, als der in solchen Dingen geübteste, mit Herrn Häuser zusammen von den kostbaren Resten zu retten, was nur anging. So wurde in mühevoller anatomischer Präparation Stückchen für Stückchen unter beständiger Feststellung der Zusammengehörig- kcit und unter Fixierung des Bildes der gegenseitigen Lage durch photographische Aufnahmen herausgelöst, bis die überaus schwierige Arbeit am 11. August vollendet war. Die zunächst durch Durch» tränkung mit Leim gehärteten Einzelstückchen wurden nach ihrer Austrocknung sorgfältig in Watte verpackt und nach Breslau   ver«