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fum begriff, daß die künstlerischen Ausdrudsformen, die man in der Karikatur und allenfalls im Blakat gelten ließ, auch bei den ernsten Darstellungen der hohen Kunst anwendbar seien. Einer der ersten jungen Maler, die das Evangelium der neuen Kunst in Deutschland zu predigen unternahmen, war der Norweger Edvard Munch . Als er vor etwa 15 Jahren mit einer größeren Kollektion bon Gemälden und Zeichnungen vor die Berliner Oeffentlichkeit trat, da erhob sich ein solcher Sturm der Entrüstung in der Presse und beim Publikum, daß die Ausstellung im Architektenhaus nach wenigen Tagen geschlossen werden mußte. Die Kunstkenner waren sich darüber einig, daß man es in diesem Falle entweder mit einem talentlosen Frechling oder mit einem Wahnsinnigen zu tun haben müsse. Heute zählt Munch zu den anerkannten Größen der modernen Kunst, und Berliner Bankdirektoren lassen sich von ihm porträtieren. Wenn man auch die elementare Genialität dieses Künstlers noch nicht in ihrer ganzen Kraft und Tiefe zu würdigen versteht, so hat man sich doch an die Aeußerlichkeiten seiner Eigenart gewöhnt. Man ist vertraut mit dieser seltsamen Technik, die aller malerischen Kultur Hohn zu sprechen scheint, die in primitiven und brutalen Linien den Extrakt der kompliziertesten Stimmungen wiedergibt. Man empfindet die überquellende Fülle von Leben, die aus den bizarren Bildern zu uns spricht, den tiefen Ernst und die padende Charakterisierungskunst dieser scheinbaren Karikaturen. Mit der magischen Gewalt phantastischer Traumbilder wirken diese Lithographien und Holzschnitte, in denen alle Einzelheiten verschwimmen und nur das Eine, das Wesentliche, was der Künstler ausdrüden wollte, sich unauslöschlich der Phantasie einprägt. Die deutschen Künstler haben sich verhältnismäßig spät der neuen stilis fierenden Richtung angeschlossen. Einige Vorläufer, die gewissermaßen die Brücke von Naturalismus zum Neuidealismus bildeten und mehr oder weniger deutlich auf das Kommende hinwiesen, gab es bei uns freilich schon zu der Zeit, da die ältere Richtung noch unangefochten die Herrschaft führte. Der im vorigen Sommer berstorbene Walter Leistitom und Ludwig b. Hofmann sind hier in erster Linie zu nennen. Die Pastelle, Zeichnungen und Radierungen dieser Künstler, von denen die Sezessionsausstellung eine schöne Auswahl bietet, zeigen den prinzipiellen Gegensaz, in dem ihre Kunstübung zum naturalistischen Impressionismus der Liebermann - Schule steht. Die Studien, die Hofmann und Leistikot angesichts der Natur entwerfen, find faum noch realistisch zu nennen. Jeder Wirklichkeitseindruck nimmt in der Phantasie dieser Künstler sofort stilistische Formen an, wenn sie auch noch mit vielen Fasern im Nährboden des Naturalismus wurzeln. Einen Schritt weiter ging Emil Orlit. Er holte seine entscheidenden Anregungen aus Japan , aber die Eindrüde, die er dort in mehrjährigem Studienaufenthalt gewann, vermochten seine persönliche fünstlerische Handschrift nicht zu verwischen. Nicht auf strenge Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern auf Flächendekoration ist sein Streben gerichtet. Seine Holzschnitte und Radierungen zerfallen in streng begrenzte farbige Felder. Jedes dieser Felder wirkt für sich, und das Ganze flingt zu einer wunderbar feingestimmten Harmonie zusammen. Der vorwiegend dekorative Zweck der Blätter, der auch in den Porträts zutage tritt, hat jede Neigung zu naturalistischen Effekten unterdrüdt. Dabei zeichnen sich die Arbeiten Orlits, abgesehen von ihren koloristischen Reizen, auch durch eine überaus graziöse Linienführung aus.
Im Laufe der lekten zwei oder drei Jahre sind dann zahlreiche junge deutsche Künstler in die Fußstapfen der zu den neuen Zielen führenden Meister getreten. Nicht immer zu ihrem Vorteil. Denn die großen modernen Stilfünstler sind durchweg starke Individualis täten, deren ganz persönliche Ausdrudsformen ein Schüler nicht nachahmen kann, ohne selber jede Eigenart zu verlieren. Die Blätter von Leni, Meid, Pechstein, Scheurich , Vries, lander, Wereftin u. a. wirfen wie Parodien auf Munch, Beardsley oder Gauguin . Andere- ich nenne vor allem Alfred Ehlers, Franz Nitsche, Walter Klemm , Erich Büttner und Gustav Bechlergehen selbständiger vor, und wenn auch noch vieles an ihren Arbeiten unfertig, fraß und ungelent erscheint, so sind sie doch auf dem rechten Wege und man wird sich ihre Namen für die Zukunft merken müssen.
Alles in allem ist die gegenwärtige Ausstellung der Sezession eine der interessantesten und wertvollsten, die in dieser Art den Berlinern jemals geboten wurde, aber der Zuspruch des Publifums scheint leider wieder nur ein recht geringer zu sein. Die große Masse der sogenannten Gebildeten bringt erfahrungsmäßig den zeichnenden Künften sehr viel weniger Interesse entgegen als der eigentlichen Malerei. Den erhöhten Anforderungen an die Phantasietätigkeit des Beschauers, wie die Griffelkunst sie stellt, bermag die breite Masse unseres Bürgertums nicht zu entsprechen. Dem einfachen, rein fünstlerischen Reiz der Linie stehen die Ausstellungsbesucher meist verständnislos gegenüber. Man findet auch tein Bergnügen daran, sich in das Entstehen eines Kunstwerks zu vertiefen und in den leicht hingeworfenen Notizen des Stizzenbuchs die persönliche fünstlerische Note eines liebgewordenen Meisters zu studieren. Dem Gros des Berliner Publikums fehlt leider noch immer die künstlerische Kultur, die zu solchen intimen Genüssen befähigt. John Schitomati.
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( Nachbrück verboten.
Die neuaufgefundenen älteften menschlichen Skelettreste.
Von Dr. Audwig Reinhardt.
III.
Nach dem Tode dachte man sich den Geist noch mit Vorliebe im Leichnam als seiner altgewohnten Hülle oder wenigstens zu nächst noch in dessen Nähe hausend; nach dessen Auflösung sollte er dann bald in diesem, bald in jenem Naturgegenstande Wohnung nehmen. So war die Natur für den Primitiven mit zahllosen Geistern erfüllt, die sich im rätselhaften Lufthauch, in Donner und Blitz, in Krankheit und Tod, kurz in allem Unerklärlichen überhaupt kundgaben und den Menschen nachts in allerlei Spufgestalten ängstigten.
Bei dieser unheimlichen Allgegenwart der Geister und ihrer in alle Lebensverhältnisse eingreifenden Macht galt es vor allem fie fich günstig zu stimmen, um nicht ihrer Bosheit und Rachsucht zu verfallen. Dies geschah nach dem allgemein verbreiteten, weil menschlich gedachten Glauben am besten durch kleine, ihnen dar gebrachte Spenden an Speise und Trank, sogenannte Opfer. Mit der Zeit kam man dann im Weiterspinnen dieses Gedankens dazu, schon vorbeugend alle in das Geisterreich eintretenden Seelen durch eine Bestattung des Leichnams in Verbindung mit einer Beschenkung durch allerlei Grabbeigaben( Speise und Trant, Waffen und Werkzeuge, die der Geist gebrauchen sollte) zu ehren und sie damit von vornherein für sich zu gewinnen. So denken und han deln nicht nur die heutigen Wilden, sondern dachten und handelten bereits die überaus fulturarmen Jäger der vorletzten Eiszeit, indem sie ihre Toten, wenn auch armselig genug bestatteten. Dev Acheuléenjäger von Le Moustier wurde in Schlafstellung auf der rechten Seite liegend gefunden. An Stelle der zu Staub zerfallenen linken Hand fand sich ein prächtig bearbeiteter, über handgroßer mandelförmiger Faustfeil aus graugrünem Feuerstein von reinem Acheuléentypus, und nicht weit davon ein ebenso vorzüglich zugeschlagener Rundschaber aus schwärzlichem Feuerstein. Offenbar sind beide hervorragend gut hergestellte Werkzeuge dem Toten für fein Weiterleben als Geist mitgegeben worden. Als ebensolcha Grabbeigaben sind wohl auch die um das Skelett herum zerstreuten und mit seinen Teilen vermischten aufgeschlagenen und teilweise angekohlten Knochen des großen wilden Urrindes( bos primia genius), des Ahnherrn unserer erst viel später gezähmten Hausa rinder, zu deuten. Nicht nur bekam der Tote sein Teil von dem hier einst am Tage seiner Bestattung von seinen Stammesgenossen verzehrten Wildbrets, sondern diese scheinen auch die von ihnen abgenagten Knochen als ebenso viele Beweise ihres Wohlwollena über den Toten geworfen zu haben.
Trotzdem wir von dem von Dr. Schötensoc als Homo Heidelbergensis bezeichneten Vorfahren des Menschen nur dieses eine Zwischenstück befizen, können wir aus Analogie daraus schließen, daß er der Abgrenzung des Menschenaftes von dem der Menschenaffen schon recht nahe stand, daß wir, wenn er leibhaftig bor uns träte, in die größte Verlegenheit gerieten, ob wir ein so überaus affenähnliches Wesen bereits mit dem Namen Mensch beehren sollten oder nicht. Durch die Kombination überaus primitiver, sonst nur den Affenmenschen zukommender Merkmale übertrifft diefer Unterkiefer weitaus alle bisher bekannt gea wordenen. Abgesehen von den Zähnen, die rein menschlich gebildet sind und als solche auch keine vorstehenden Eczähne aufweisen, ist die Bildung noch ganz außerordentlich äffisch. Als das Schluß ergebnis seiner anatomischen Untersuchungen, die der betreffende Autor in einer Monographie veröffentlichte, sagt er: Dieser Kiefer läßt den Urzustand erkennen, welcher dem gemeinsamen Vorfahren der Menschheit und der Menschenaffen zufam. Dieser Fund bedeutet den weitesten Vorstoß abwärts in die Morphogenese des Menschengeschlechts, den wir bis heute zu verzeichnen haben.Angenommen, es würde ein noch älterer Unterkiefer aus der Vorfahrenreihe des Menschen gefunden, so stünde nicht zu erwarten, dag er viel anders aussehen würde als unser Fossil, das uns bereits zu jener Grenze führt, wo es spezieller Beweise bedarf( wie hier des Gebisses), um die Zugehörigkeit zum Menschen darzutun. Noch weiter abwärts fämen wir zum gemeinsamen Ahnen sämt licher Primaten."
Nehmen wir auch nur an, daß dieser Unterkiefer in den Be ginn der Eiszeit gehört, so ist er mindestens anderthalb Millionen Jahre alt. Der Sihl- Limmattalboden der ersten Eiszeit liegt auf der Höhe des Uetliberges genau 567 Meter über dem von der lehten Eiszeit geschaffenen, in dem jetzt der von einer Stirnmoräne bei Bürich abgedämmte Zürichsee find befindet. Nehmen wir nun mit dem kompetentesten heute lebenden Eiszeitgeologen, Profeffor Albrecht Bend, an, daß auch bei den vermehrten Niederschlägen der Eiszeit wenigstens 3000 Jahre zur Abtragung von 1 Meter der Landoberfläche der Mittelschweiz nötig waren, so tann ein jeder selbst nachrechnen, wie viel Zeit vom Schlusse der ersten bis zum Schlusse der letzten Eiszeit, die vor annähernd 20 000 Jahren zu Ende ging, verflossen ist. Jedenfalls ist dieser Unterkiefer von Mauer der weitaus älteste förperliche Ueberreft des Menschenvorfahren und wenigstens eine halbe Million Jahre