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Eben wollte Mine aufstehn, als drinnen im guten Zimmer die Bettstatt frachte ein Gähnen und Schnaufen die Tante rappelte sich schon auf. Jetzt schlürfte sie durch den Laden nach der Tür.

Nanu, wo haste Dir denn so lange rumjedreht!" dröhnte ihre grobe Stimme.

( Fortsekung folgt.)

Stadtreife.

Von Hans Aanrud .

( Schluß.) III.

( Nachdruck berboten.)

Es mochte gegen Mucernacht sein. Der Vollmond schien ruhig und flar über dem Tal, das unter einer ungeheuren Schneedede lag, die nach dem Tauwetter der letzten Tage wieder fest zusammen­gefroren war.

46

Durch all das Weiß schlängelten sich fleine, schmale Wege als dunklere Streifen zu den Höfen empor. Nach vielen Windungen schlüpfte jeder in seinen Hof, froch auf der anderen Seite wieder heraus, noch schmäler als vorher, immer weiter in die Höhe bis zum letzten Häuslerplab, ja noch weiter, als dünner Streifen, der oben im Wald bei einem Holzstapel oder auf den Wiesen bei einer Kleinen, dunklen, offenstehenden Tür einer Heulade endete.

Es war so hell, friedlich und still. Das Auge konnte diese Wege durch das ganze Tal verfolgen, nichts Lebendiges rührte sich, bis das Auge auf den steilen Hügel unterhalb Neristuen fiel. Dort ftand ein Gaul und schielte nach rückwärts nach der schweren La­dung und sah nach, ob der Mann, der auf dem hintersten Ende des Schlittens hing, auf dem steilen Hügel nicht absteigen wollte.

Es waren Jens Oppistuen und Blakken auf dem Heimwege. Jens hing auf dem äußersten Ende der Fuhre und hielt sich gut am Tau fest, womit die Heringstonne auf dem Schlitten ver­schnürt war.

Auch er starrte Blakken vorn an, als diefer stehen blieb und rückwärts blidte.

Blatten, Schelm, was bleibst Du stehn,

Willst wohl den schweren Berg nicht gehn Soll ich mich vielleicht selber mühn? Jens bleibt fißen und läßt sich ziehn.

Jens lachte vor sich hin und nickte Blakken schelmy zu, während er den Sang wiederholte.

Blaffen willst Du nicht weitergehn, Soll'n wir die ganze Nacht hier stehn? Einen Griff in die Tasche,

Einen Schlud aus der Flasche,

Na warte nur, dann soüst Du sehn!

Blakken war nicht zufrieden mit dem, was er fah; er legte die Ohren hinten über und zerrte ungebulbig an den Bügeln, und fah fortwährend rückwärts cr fannte Jens, wenn er erst ein­mal so weit war, daß alles für ihn in Versen ging.

Einen Griff in die Tasche,

Einen Schlud aus der Flasche, Dann geht es im Lauf

Den Berg hinauf.

Er fing an, nach den Taschen in seinem Mantel zu tajten, fonnte sie aber in der unbequemen Stellung, die er auf dem Schlitten einnahm, nicht finden.

Er ließ das Tau los und ließ sich hinuntergleiten. Er blieb auf allen Bieren liegen und mußte erst eine Weile arbeiten, bis er sich so weit herumgedreht hatte, daß er versuchen konnte sich aufzurichten. Mit einer ordentlichen Kraftanstrengung fam er endlich wieder auf die Beine, aber beinahe hätte er gleich mieder das Uebergewicht verloren.

Brr, brr, Jens, willst Du stehen! Nur ruhig Blut!

Auf diesen Augenblick hatte Blatten gewartet. Raum war Jens auf den Füßen, so zog er mit einem träftigen Rud an, so daß der Schlitten in allen Fugen trachte, und nun ging es munter bergauf.

Brr! Brt! Willst Du stehen, Du Nader!

Jens machte ein paar Säße hinterher und war so nahe, daß er meinte, er fönnte das Gefährt mit den Händen erreichen. Er griff auch mit beiden Händen zu, aber Blatten ging zu Tasch, und da lag Jens so lang er war auf der Nofe, wäbrend Blakken hurtig weitereilte.

Brr! Brr!

Er tam wieder auf alle Wiere und sah aufwärts. Ja, da war Blaffen mitten auf dem Berge stehengeblieben und stand da und sah sich um, Jens kam endlich auf die Beine und begann bergan zu freuzen.

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Na, immer hübsch vorsichtig, und die Beine nicht verwechseln fo, so das geht nicht schlecht. Ja, Plakken, Du bist ein Eraber Kerl, Du bleibst stehen, Du willst nicht, daß Jens den Berg hinauftriechen foll- ja, Blatten steh, bis ich wieder bei Dir bin. Er griff wieder nach dem Schlitten, aber Blaffen war auf feiner Hut gewesen, und da lag Jens wieder.

Er sah auf;

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Hollah, Heisa, Hopla. Schelm, Schuft, Dieb, Schurke! Ich fenne Dich, Du Schall , Du bleibst von selber stehen, wenn Du oben bist; soll ich mir den Mund nach Dir wund schreien. Wha, da steht er. Oh, Du brauchst Dich nicht umzudrehen; hier bin ich. Blaffen hatte, als er den Hügel erklommen hatte, wirklich Salt gemacht, und ruhte sich in der langen Zeit, die Jens brauchte, um hinterher zu torkeln, gemächlich aus. Als er oben war, tortelte er zu Blatten hin und streichelte ihm den Hals. Blaffen spitte die Ohren und sah ganz vergnügt aus.

Ja, Blaffen, Du hast recht. Hörst Du, ich sage, Du hast recht. Du willst, daß man sich seinen Schnaps auch verdienen foll. Und nun habe ich ihn verdient, aber Du hast teiners verdient und darum triegst Du auch keinen. Jetzt fannst Du stehen und zusehen wie ich trinke.

Er lehnte fich an Blatten und suchte in seinen Taschen. End­lich fand er die Flasche. Sie war ohne Kork und leer; sei es, daß er sie geleert hatte, oder daß er es bergessen hatte, den Kork darauf zu sehen, so daß sie sich selber entleert hatte.

Er merkte es nicht gleich.

Ha, ha, ha, siehst Du sie.

Er setzte sie an den Mund.

Heh, lachst Du mich aus, Blaffen? Du glaubst wohl, ich hätte nichts mehr?

Jit auch die Flasche leer,

Hab' ich im Fäßchen mehr, Mach' mich gleich drüber her.

Er erflomm wieder seinen Siz auf der Ladung und machte sich daran, die Stride zu lösen. Nach vieler Mühe glückte es ihm endlich, den Sack mit dem Fäßchen hervorzuholen. Aber schwieriger war es schon, die Deffnung zu finden. Er drehte und wendete und schüttelte ihn. Willst Du heraus

Aus Deinem Haus;

Ich weiß, Du bist voll, und die Flasche ist leer. Komm, mein Freundchen, foman zu mir her.

Und es fam auch, das Fäßchen; er hatte den Sad schließlich am berkehrten Ende erwischt und das Fäßchen herausgeschüttelt. Aber es tam anders, als Jens erwartet hatte. Es fiel über die Wegfante heraus auf die harte Schmeedecke und faufte als dunkler Streifen den Neristuader hinunter, machte weit unten einen ge waltigen Satz und fuhr wie ein wildes Tier in das Gehölz unten in der Ebene.

Jens saß einen Augenblick sprachlos da, dann nidte er ihm nach: Lebwohl, mein Freund, Auf Wiedersehn!

Kurze Zeit darauf erhob nich ein großer Lärm im Stall auf Neristuen. Es war Jens, der sich trotz aller Hindernisse im Dunkeln vorwärts tastete, um Fredrik, den Knecht zu finden, und ihn zu veranlassen, nach dem Fäßchen zu suchen.

Wenn er es glücklich nach Hause zu Jens brächte, fo follte es ein Gelage geben, wie er es noch nie erlebt hätte, ja vielleicht sollte er sogar um seine Tochter freien dürfen.

Frorit brauchte nicht viel Zeit, um in seine Hosen zu kommen; er wußte, es gab bei Jens tein Aufhören, ehe nicht das Fäßchen den Boden zum Himmel wandte; und da wollte er gern dabei sein; so schnell wie möglich eilte er den schneebededten Abhang hinunter. Jens wollte mit seiner Fuhre inzwischen langsam weiter. trotten, er vergaß die Ladung wieder zu verschnüren.

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Es ging weiter bergan, und es fam, wie es fommen mußte. Als Fredrik mit dem Fäßchen in einem Sad nachtam, fand er auf dem Wege erst einen Sah Hufeisen, dann einen Ranzen, und schließlich nahe bei den Häusern von Ber Sletten einen großen Buderhut.

Er sammelte alles auf, ftedte es in den Sad und eilte weiter. Als er in Sletten um die Hausede bog, fab er das letzte Ende des Schlittens drüben beim Ruhstall, und er wollte gerade rufen, Jens folle sich in acht nehmen und anhalten, als er ein lautes Krachen hörte. Rasch lief er herzu. Da lagen das Heringsfaß und Jens beide auf Ber Slettens Misthaufen. Per hatte Dünger gefahren, und der Weg war schief.

Jens schlug mit der Faust gegen das Faß. Na, ich tam, Gott sei Dant, obendrauf. Wie tam das? rief Fredrik.

Sa tam blißschnell, heisa Junge! Fredrik half ihm auf.

Ja, was sollen wir nun machen?

Wir können das Faß doch nicht hier liegen laffen.

Sollen wir es nicht ba liegen lassen! Liegt es vielleicht nicht gut dal Gelte ich etwa so wenig im Dorfe, daß man mir nicht für ein Heringsfaß Unterkunft gewähren tönnte?

Ja, aber wäre es nicht das beste, wir wedten Ber und ließen uns von ihm helfen.

Den Schleicher! Nein, wir haben unseren Freund mit uns; hei, jetzt fahren wir wie bie Fürsten! Steig auf!

Er wollte feinen Eintand hören, und Fredrik machte sich daran, das Wenige, was noch übrig war, wieder fest zu schnüren. Aber Per Sletten hatte auf der Lauer gelegen, wie er immer tat, wenn Jens auf einer Reise in die Stadt war; er wollte gern