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fchweifig, mit vielen Wiederholungen, jede Kleinigkeit fiel ihr ein. Wie ein eiserner Neifen löste es sich ihr vom Herzen. Es war das erstemal, daß sie sich aussprach.
Die Mathilde hatte ihr den einzigen Stuhl angeboten. Sie selber saß auf ihrem Sorb, hatte die bebenden Hände Mines zwischen die ihren genommen und sah mitleidig drein mit ihren verträumten Augen. Zuletzt weinte sie. ( Fortseßung folgt.)
Der Hcbtundvierziger der deutfchen Romanliteratur. Zu Friedrich Spielhagens achtzigstem Geburts. tage am 24. Februar.
reißende Pathos der nicht eben gedankentiefen Rede, das in den mittleren Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts als ein Stüd Ausdruck der Zeitfeele weit verbreitet war und von dem noch einige spärliche lebende Refte in Schrift und Wort in unsere Gegenwart herüberreichen. Und dann saßen jene Ideen diefem Schriftsteller tief im Blut, tiefer als den jungdeutschen Vorläufern, die sie allzu sehr nur im Gehirn trugen; aus dem Temperament wirften fie nun auf die Gestaltungskraft herüber, so daß Spielhagen im fonzentrierten Bau feiner Romane weit mehr gab als Gutkow, der ein Jahrzehnt vor den Problematischen Naturen mit den neuen Bänden seiner Ritter vom Geist bewies, daß er die große Fülle gesellschaftlicher Bilder, die ihn erfüllten, nicht zum einheitlichen Kunstwert zusammenzufassen vermochte.
Daß der Spielhagensche Roman aber inneren Zusammenhang mit der jungdeutschen Epoche hat, verraten mit großer Deutlichkeit seine führenden Gestalten. Jene geistreich, redegewandten Köpfe find's, die man furziveg Salonhelden nennt und die für uns heute unberdaulich geworden find. Nicht nur im Roman, auch im Drama. Sie stellen bei Spielhagen den Typus der Ueberlegenen" dar, den Gustav Freytag zuerst in die Dichtung herüberholte. In Friedrich Spielhagen , der es nun bis auf 80 Jahre gebracht diesem Thpus drückte die aufstrebende bürgerliche Klasse aus, day hat, begann seine schriftstellerische Arbeit vor rund 50 Jahren; fie sich der herrschenden Kaste des Adels gesellschaftlich ebenbürtig fein erster großer Roman, der ihm einen Namen schuf, erschien 1861, fühle. Politisa) fonnte sie's noch nicht, und so träumte sie sich um in einer Zeit, da endlich in die Stickluft schlimmer, langer politischer so williger in die Siege im Salon hinein, die von den Schriftstellern Reaktion ein erfrischender Wind hineinzublasen begann. Dieser tröstend herrlich ausgesponnen wurden. Spielhagens Ernsthaftigkeit Roman befaßte sich mit der Epoche deutschen Kulturlebens, die sah in diesen Romanhelden freilich nicht bloß einen vagen Trost, zur Märzrevolution heraufführte, und schloß mit den Berliner sie hatten in seinen Augen eine wichtige, vorbildliche Aufgabe. Sie Barrikadenkämpfen. Der Gegensatz von Bürgerlich und Adlig er- sollten Werber des bürgerlichen Selbstbewußtseins gegenüber der füllte die Handlung, und nach den Menschen war der Roman ge- herrschenden Gesellschaftsschicht sein, und als die nachwachsende nannt, von denen Goethe gesagt hat:" Problematische Naturen, radikal- realistische Generation über den Typus spottete, entgegnete welche keiner Lage gewachsen find, in der sie sich befinden, und denen keine genug tut. Daraus entsteht der ungeheure Widerstreit, der das Leben ohne Genuß verzehrt." Spielhagen wollte nicht einen Historischen Roman schreiben, sondern wollte zu einer Generation reden. Er wollte die Generation, zu der er selbst gehörte, aufpeitschen. Die Ideale der Märzrevolution wollte er ihr wieder einschärfen, und diese Arbeit hat er dann jahrzehntelang fortgesetzt: Die liberal- demokratischen Märzgedanken sind ihm der Maßstab aller Dinge geblieben.
Spielhagen hielt sich in der„ Atmosphäre der großen ethischen und politischen Ideen" jener von Hoffnungsträumen schweren Beit und er ging an sein Schriftstellerwerk mit dem Glauben: der Beruf des Künstlers sei gleichsam der Beruf eines Arztes. Er gehörte der Zeit, in der die Formen dichterischen Schaffens wichtige politische Kampfmittel waren. Die Zensur, die keine freie Tagespreffe aufkommen ließ, drängte den Journalismus in die Dichtkunst und schuf die Epoche des jungen Deutschland . Die großen Romanwerke, die von Laube und Gutom geplant und geschrieben wurden, sollten Zeitromane sein, in denen der Meinungskampf des Tages eine Arena fand. Unmittelbar an den jungdeutschen Roman knüpft dann Spielhagen an: er hat die alte Form des politischen Gegenwartsromans erfolgreich bis in die achtziger Jahre herübergetragen, bis in die Zeit, wo die Tagespresse zum letzten Male so wie in den Zeiten des alten Bundestages bevormundet und gefnebelt war. Dann freilich, nach dem Ablauf des Sozialistengefehes, war die politische Notwendigkeit dieser Romanart dahin und in den Vordergrund kam der Roman, der mit fünstlerischen Mitteln die Art gesellschaftlicher Schichten wirklich feitstreu wiedergeben wollte. Eine Generation von Romandichtern wuchs herauf. Sie sette sich fritisch schon um die Mitte der achtziger Jahre mit Spielhagen auseinander, beftritt ihm die echte geftaltungsträftige Dichterschaft, aber der große Ernst feines Arbeitens wurde nicht verkannt; Julius Hart nannte ihn in einer Streitschrift von 1884, die Spielhagens Werk zum Gewinnen neuer Richtlinien für die Entwickelung des deutschen Romans scharf unter die Lupe nahm: einen„ edlen, bedeutenden Schriftsteller". Dies Urteil, das also den Unterschied vom Dichter betont, ist heute das allgemeine.
Spielhagen:" Wenn ihr Romanheld jemand nennt, der für das Reben zu gut und zu edel ist, und desgleichen man im Leben schwerlich findet, so ist Romanheld der höchste Ehrentitel." Der Typus hat längst seine Bedeutung verloren und so ist es heute nicht schwer festzustellen, wie wenig lebenswahrscheinlich seine Vertreter bei Spielhagen sind und wie oft auch dieser Schriftsteller, als er sie gestaltete, von den theoretischen Forderungen abwich, die er für den Roman aus dem Studium der großen epischen Dichter der Vergangenheit und den Wahrheitsforderungen der Gegenwart herausholte. Er hatte sich mitten in eine fämpfende Klasse hineingestellt und ihr wollte er helfen mit der erhabenen Kritik der Dichtkunst ... im Kampfe für die dreimal heilige Majestät des Guten, Wahren, Schönen". So baute sich die Handlung seiner Romane im wesentlichen auf dem politischen Gegensake von Adel und Bürgertum auf, so gab er einer Reihe von Romanen Titel, die geradezu politische agitatorische Schlagworte waren, und so hat er auch troh theoretischer Feindschaft gegen dergleichen seine Lieblingshelden durch die schmeichelhaftesten Beiworte herausgestrichen, indes die Junker oft in Sprache, Benehmen und Erfolg glattweg lächerlich gemacht werden.
So Hapert es denn mit dem historisch- dokumentarischen Werte der Spielhagenfchen Romane: nur die Ideen haben historische Wahrheit, ohne doch das ganze Denken und Fühlen ihrer Epoche zu geben, die Menschen aber entsprechen der historischen Wahrheit nicht. Und das konnte bei seiner Art zu arbeiten nicht anders sein. Er ging nicht, wie ein Künstler tun würde, von fefter Wirklichkeit aus, um von hier, das Individuelle je nach der aus der Aufgabe erwachsenden Notwendigkeit festhaltend, zum Typischen zu gelangen, sondern entwarf umgekehrt zunächst ein theoretisches Charakterbild von jedem Typus, den er darstellen wollte, und trug dann individuelle Züge auf, aus der Erinnerung an Menschen, die den einzelnen Typen entsprachen. Davon hat Spielhagen in seinem selbstbiographischen Buche: Finder und Erfinder erzählt. Man weiß also gut Bescheid. Und da ist es nun wieder höchst bemerkenswert, wie Spielhagens erfinderischer Verstand immer wieder darauf verfällt, zu Borkämpfern der bürgerlichen Ideen blaublütige Personen zu wählen. Selbst im Straßenfampf haben sie diese Rolle. Dieser Zug ist aber auch anderen bürgerlichen Schriftstellern jener Epoche eigen, 3. B. Freytag und auch Guzkow. Er hängt zusammen mit den ideologischen Hoffnungen des deutschen Bürgertums. Schlug fich ein Adliger zum Liberalismus, so galt dies als ein Zeichen vom Berbrödeln der Macht des Adels und war zugleich eine zugfräftige, agitatorisch wirksame Empfehlung der liberalen Ideen.
Die Zeit der sechziger und siebziger Jahre verftand unter einem Dichter sehr etwas anderes als unsere Gegenwart, die dem Begriff schärfere Grenzen zieht. Spielhagens Zeit forderte von der Dichtung Gesinnung. Das Herweghsche Wort galt: Selbst Götter stiegen vom Olymp hernieder und kämpften auf der Zinne der Partei." So sagt auch Spielhagen in seinen Beiträgen zur Theorie und Man hat in solchen Merkmalen und in Spielhagen überhaupt Technik des Nomans", die Zeugnis ablegen von seinem ernsthaften fo recht den Ausdruck der Zeit, die der realpolitischen Klärung der Ringen um Wesen und Form seiner Kunst:" Der Dichter muß Klassenstandpunkte voraufging. Das wird noch um ein gutes Stück immer, weil er gar nicht anders fann, auf einem bestimmten Stand- deutlicher, wenn man folgende Worte aus den Problemapunkt stehen. Und wohl ihm und wohl seinen Lesern, je fester er tischen Naturen hinzunimmt, Worte des Helden Oswald auf diesem Standpunkt steht und freilich auch, je höher diefer Stein: Ich fand mich stets, ohne es zu wollen und manchmal ohne Standpunkt ist". Das ist ja auch heute unsere Ansicht: je höher es zu wissen, wo immer in der Geschichte der große Gegensatz der Dichter als Kulturmensch steht, um so mehr wird seine Dichtung zwischen Aristrokraten und Plebejern hervortrat, auf Seite der bedeuten, um so weiter wird sie in die Zeit hinauswirken. Von letteren. Ich war ein geschworener Anhänger der Gracchen und dem bloßen Formästhetentum, bei dem der bedeutende Mensch nicht anderer römischer Demagogen; ich schlug mich mit den Indepenfichtbar wird, ist hier nicht die Rede, und das schlug natürlich auch denten gegen die Kavaliere und ich gestehe, daß ich in den BauernSpielhagen nicht als Höchstes an. Allen wollte er mit seiner Arbeit triegen viel mehr Sympathie gehabt habe für die armen, unterdienen, nicht bloß denen, deren Herzen im ästhetischen Tatt drückten, gehudelten, gefnechteten und infolge dieser brutalen Beschlagen". handlung meinetwegen auch brutalen Bauern, als für die hochmögenden, reichsfreiherrlichen und troß oder vielmehr wegen all der Freiheit und Herrlichkeit nicht minder brutalen Grafen und Barone ."
Für Spielhagen war aber der höchste Kulturstandpunkt der Beit in den achtundvierziger Ideen gegeben, die ihm politisch und ethisch zugleich waren und die seinen Menschen so ganz erfüllten, daß sie alles, was er an dichterischen Eigenschaften besaß, ihrem Diesem Zug des Herzens nach links ist Spielhagen zeitlebens Kampfzwede dienstbar machten. Sie gaben ihn das große hin- treu geblieben, aber nicht in dem Sinne, daß er sich ganz nach