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Iints geschlagen hätte, er hat sich nur nicht wie andere bürgerliche haften Schilderungen von der Küste der Ostsee   und aus den Radikale gegen die Masse, die er von links andrängen fah, abge- Buchenwäldern und Kornweiten Pommerns geschaffen hat. Denn schlossen. Durch seine Romane zieht sich der Glaubenssatz von dieses schöne Stück Erde hat der in Magdeburg   Geborene in den der Solidarität aller menschlichen Interessen", von Recht und Tagen der Kindheit und der Jugend mit hellen Sinnen einsaugen Pflicht, uns auf dieser Erde auszuleben nach allen Kräften mit fönnen.

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den anderen Menschensöhnen, die mit uns gleiche Rechte und

freilich auch gleiche Pflichten haben". In dem Romane In Reih

Caſſalle

frd.

( Nachdruck verboten.)

und Glied( 1886), in dem Lassalle zu dem Helden hat Modell Vaucanfon und feine Automaten.

stehen müssen, ist der Gedanke in dem Worte gegeben: Das Feldgeschrei heißt jeht nicht mehr einer für alle, sondern alle für alle. Und anders ausgeführt ist er wiederum in Hammer und Amboß  ( 1869), dem Roman, der das soziale Grollen der Zeit deutlich vernehmen läßt. Nicht Hammer oder Amboß  , sondern Hammer und Amboß   soll es heißen, weil jeder beides in jedem Augenblide sei. Und da dröhnt dann der wuchtige Sah, daß wie der Herr den Sklaven, so der Sklave den Herrn forrumpiert, und daß in politischen Dingen der Vormund zu gleich mit dem Bevormundeten verbummt".

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Spielhagen hat die Rolle der modernen industriellen Massen gespürt, aber nicht begriffen. Schon in der Fortsetzung der Proble­matischen Naturen, in dem Roman Durch Nacht zum Licht deutet er an, was er gewahrt: der einzelne, der früher alles war und bestimmte, gilt heutzutage, und wäre er noch so bedeutend, wenig; die ganze Kraft liegt in der Masse, die in dichtgeschlossener Kolonne, langsam aber unaufhaltsam auf der Bahn des Fortschritts weiterdrängt. Aber doch wieder ist es Spielhagen nicht gegeben, ein Bild dieser Masse zu geben. Julius Hart   wagte in feiner Schrift von 1884 nicht zu viel mit der Frage: Was erfahren wir eigentlich vom Elend der Massen, wo führt uns der Autor in die Hütten, wo entrollt er uns Bilder, lebendige Bilder aus dem Dasein des Volkes, in allen und nicht nur in drei oder vier Schichten. An dieser Stelle ist die Achillesferse des Spielhagenfchen Schaffens." 8ola hat diese moderne Welt mit dokumentarisch­wuchtiger Deutlichkeit gemalt; dazu half ihm seine Forderung, der moderne Gesellschaftsroman müsse einen wissenschaftlichen, experi­mentellen Charafter tragen, aber diese Forderung lehnte Spiel­hagen ab. Er hat den Gegenwartsroman gewollt, und hebt sich mit dem, was er gab, lebensstark ab von der Schemenmaskerade des sogenannten historischen Romans, die neben seinem Werk in bunter Berlogenheit gespreizt dahinposte; aber das künstlerische Mittel, das die fortschreitende, neue Gegenwart darstellen konnte, lag nicht in seiner Art.

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Er hat 1876 in dem Noman Sturmflut die Beit des Krachs im neuen Deutschen Reiche geschildert und ein groß­angelegtes, festgebautes Werk und dennoch unvollständiges Beit­gemälde gegeben. Und ein Jahrzehnt später hat dann noch einmal ein großer Roman Was will das werden?"*) in die Zeitgeschichte einzugreifen versucht. Die Mittel waren durch aus die alten, und von einem Eindringen in den Kern der Zeit­bewegung fann nicht gesprochen werden, aber das Wort war offen und ehrlich: der Liberalismus, der das Sozialistengeset geschehen ließ, und Bisward, der es machte, beide trifft Spielhagens Born, er geißelt die hochgediehene Heuchelei der Gesellschaft und gibt dem Worte verstärkten Hall, das er von einem der ersten Geister in einer Vorlesung vor der besten Gesellschaft" gehört: wir mögen es nun zugeben oder nicht, in jedem von uns stedt ein Stück von einem Sozialdemokraten. Das war zwar auch nur eine bürgerliche Phrase, aber damals im Jahre der ver­schärften Tonart des Cozialistengesetzes wars immerhin ein tapferes Wort. Aber in diesem Romane und kurz vor jenem Ausspruche steht auch geschrieben: ich wiederhole meinen alten Sak, daß, wenn sie( die moderne Menschheit) gesunden soll, die Genesung nur vom Haupte ausgehen fann, nicht von den Gliedern: von der Minorität der Erbpächter der Bildung und Intelligena, nicht von der Majorität des großen Haufens. In ihm ist aufgespeichert die unermeßliche, motorische Straft, mittels welcher der elektrische Strom erzeugt wird, den aber nur wir, die Wissenden, in die tausend und aber tausend Kanäle au leiten verstehen, die alle wieder einem Zentrum zustreben: der Befreiung des Menschengeschlechts". So scholl es aus dem Märzjahr in eine anders gewordene Zeit, für deren politisches Denken die Unterscheidung von Gebildeten und Unge­bildeten keine Parteimerkmale mehr liefern fonnte.

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Gefühlt hat natürlich Spielhagen die veränderte Zeit; der Roman Ein neuer Pharao( 1889), der gegen das Streber­tum und die Sklavendemut und den Materialismus Bismärdischer Zucht vom Leder zieht, ruft flagend ein Wehe über die Lemuren der Vergangenheit", die verständnislos in der neuen Zeit umher­wanten und selber nicht mehr verstanden werden. Und doch hat das Fühlen dieser Tragik den zeiteifrigen Mann nicht stumm oder gar verbittert gemacht. Große Werte sind nicht mehr aus seiner Feder gegangen, nur kleine, die sich wohl mit Zeiterscheinungen auseinandersetzten, wie der Roman Sonntagskind mit den Arbeiterverhältnissen und Faustulus mit dem Uebermenschen­problem, die aber doch für sich oder im ganzen Lebenswert nicht viel wiegen. Was Spielhagen bedeutet, liegt ganz ausgedrückt in den Romanen von den Problematischen Naturen bis zum Buche Sturmflut. Diese Werke geben auch das Beste, was er an meister­

*) Dieser Roman ist gleich den anderen Hauptwerken in der fünfbändigen wohlfeilen Auswahl enthalten, die der Verlag von 2. Staadmann, Leipzig   von Spielhagens Werken veranstaltet hat.

Won Dr. Alfred Kind.

Das Wörtchen Auto" und alles, was damit zusammenhängt, hat heut die Menschheit fasziniert. Jener Märchentraum aus der Kindheit der Erdbewohner, daß ein Gebilde von Menschenhand von selber" funktioniert, als hätte es Bernunft und überhaupt lebendigen Odem in seinem Leibe aus Holz, Eisen, Leder oder sonst einer be­liebigen Materie, dieser Traum ist uns heute eine alltägliche und doch in seinen Variationen immer wieder angeftaunte Erfüllung. Für die geschichtliche Betrachtung hat dies Wunder ganz plötzlich ein­gesetzt, als es dem denkenden Geist gelang, die Spannung von Dämpfen und die elektrische Kraft zu überwältigen; innerhalb weniger Generationen bedeutete dies eine Revolution aller gesell­schaftlichen Zustände, wie sie für unser Wissen vom belebten Uni­versum beispiellos dasteht.

FO

Kurz vor Beginn dieser Epoche es sind heute auf den Tag 200 Jahre her- wurde einer der genialsten Erfinder und Konstruks teure geboren, der, ein wenig später, ein James Watt   oder Edison hätte werden müssen. Es ist Jacques de Vaucanson  . Er wuchs im Jesuitenkollegium von Grenoble   auf und zeigte schon als ganz fleiner Knabe seine fabelhafte Begabung für mechanische Kunst­werke. Kaum hatte er die Zusammensetzung der Wanduhr be­griffen, so baute er sich selber eine, deren Schlagwerk mit größter Präzision arbeitete. 1735 fam er nach Paris   und schon 1738 stellte er der dortigen Akademie der Wissenschaften den ersten seiner be­rühmten Automaten vor, von denen weiter unten die Rede sein wird. Die Bewunderung von ganz Europa   war nicht unberechtigt, und die französische   Regierung begriff, daß dieser Mann im Dienste der praktischen Technik noch anderes werde leisten können, als die Gra findung bloßer Spielzeuge des Lurus. 1741 ernannte ihn deshalb der Kardinal Fleury zum Inspektor der staatlichen Seidenfabrifen. 1748 wurde er in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Vaucanson hat auf dem Gebiete der Textilindustrie Bedeutendes geschaffen. Ein Bericht hierüber würde indessen zu sehr abseits ins Spezialtechnische führen. Bemerkt sei nur, daß auch damals die Arbeiter eines Tages gegen ihn Front machten, in der bekannten mißverständlichen Auffassung, als könne die soziale Umwälzung durch Vernichtung einiger Maschinen gehemmt werden. Der Irrtum war begreiflich, und uns fällt es natürlich jetzt leicht, diese Borboten der großen" Revolution zu deuten. Vaucanson rächte sich draftisch und ironisch, wie einer, der reich im Geifte ist und dem es nicht darauf ankommt, an die Demonstration einer Absurdität eine Fülle von Arbeit und Ideen zu verschwenden. Er baute eine neue Web­maschine, an der ein richtig funktionierender Esel saß( ein künft­licher Automat natürlich) und das prachtvollste Blumenmuster zutage förderte. Die Lehre war bitter und vielleicht höhnisch; uns ist sie ein tragischer Witz der Weltgeschichte.

Nun die Automaten in Gestalt von Menschen- und Tierform. Sie sind nicht ohne Vorgänger. Ein Bericht aus dem Altertum bei Aulus Gellius   besagt: Mehrere griechische Schriftsteller, unter ihnen der gelehrte Favorinus, versichern, Archytas   hätte eine hölzerne Zaube konstruiert, die vermöge eines mechanischen Antriebes fliegen konnte. Sie hielt sich schwebend, indem sie der Schwerkraft geschickt entgegenarbeitete durch die Bewegung der verborgenen Kraft in ihrem Innern. Fiel diese Taube zu Boden, so konnte sie sich von allein nicht wieder erheben. Diese antife Nachricht mag für manchen der heutigen Flugtechniker von Interesse sein. Aus dem 16. und 17. Jahrhundert wissen wir ferner von einer selbstrudernden Galeere, die Schlottheim in Augsburg   für Rudolf II.   baute; von einen Orgelwert des Achilles Langenbucher in Augsburg  , das eine Besper von 2000 Zaften selbsttätig spielte; von einigen sich selbst be­wegenden Wagen( Automobilen) der Nürnberger   Mechaniker Farfler und Hantsch.

Der Automatismus hat aber noch ganz andere Köpfe bewegt. Blaise Pascal   mühte sich mit der Erfindung einer automatischen Rechenmaschine ab, deren gelungene Konstruktion jetzt endlich zu den allerneusten Errungenschaften der Kontortechnik gehört. Leibniz  verwandte auf die Konstruktion seiner Rechenmaschine rund 100 000 Frank. Sie fonnte alle vier Arten der Rechnung selbsttätig leisten und wurde von Leibniz   den Londoner   und Pariser   gelehrten Gesell­schaften um 1763 vordemonftriert. Sie funktionierte aber unsicher. In Wielands Deutschem   Merkur   findet man diese und ähnliche Maschinen der Zeit beschrieben.

Menschenähnliche Figuren, von altersher Androiden" ge­nannt, sollen von verschiedenen Philosophen des Mittelalters gebaut worden sein. Ich erwähne nur, daß Descartes beweisen wollte, ein animalisches, d. h. bewegtes Wesen brauche teine Seele zu haben. So konstruierte er einen Automaten in Gestalt eines jungen Mäd­chens, das er scherzend sein Töchterchen Francine" benannte. Bet Gelegenheit einer Seefahrt öffnete die neugierige Schiffsbesabung den Koffer mit der Puppe, vermutete Zauberei und warf das Kunst­werk ins Wasser.

Der erste Androide, mit dem Baucanson auf den Plan trat,