daß sich Ladewig doch wieder anfand! So hoffte sie a«f zwei Flüchtlinge. Oft ließ Trude mit einem verzweifelten Seufzer die Arbeit in den Schoß sinken, stampfte mit dem Fuß, und ihre Blicke voll brennenden Glanzes irrten an den düstren Wänden auf und nieder. Draußen war Frühling, warmer himmlischer Frühling. In den Zelten Musik,— im Tiergarten gingen die Pärchen spazieren,--— und sie mußte im dumpfen Keller sitzen I Sie hob die Arme, wie ein gefangener Vogel die Kraft seiner Schwingen prüft. Im Käfig! Selbst Sonn- tags. Auch Berta war der Sonntag gestört; sie hatte stark auf Trude gerechnet, denn ihre meisten Bekannten waren der- zogen, durch den großen Ziehtag, den 1. April, in alle vier Winde versprengt. Wer konnte denen nachlaufen, nach Moabit , nach Pankow , oder Gott weiß wohin�j (Fortsetzung folgt.) �Nachdruck verboten.) � Der Goldkafen Von E. A. Poe. Mein Freund schlug nun mit vieler Sorgfalt, genau an der Stelle, auf welche der Käfer niedergefallen war, einen Pflock in den Boden und zog ein Maß aus Zwirnband aus seiner Tasche. EinS der Enden des Maßes befestigte er an dem Punkte des Stammes, der dem Pflocke am nächsten war und entfaltete es dann so lange, bis eö an den Pflock reichte, und vom Pflocke ab in der durch Baum und Pflock nun einmal angezeichneten Richtung noch etwa fünfzig Fuß weiter— Jupiter mußte das dabei im Wege stehende Brombeergebüsch abmähen. An dem so erreichten Orte wurde ein zweiter Pflock in die Erde geschlagen, und um diesen als Mittel- Punkt ein roher Kreis von ungefähr vier Fuß Durchmesser ge- zogen. Legrand ergriff nun selbst einen Spaten, gab Jupiter und mir ebenfalls einen in die Hand und bat uns, so rasch wie nur möglich zu graben. Ich habe nie in meinem Leben Vergnügen an dergleichen Ar» beiten gehabt, und hätte in diesem Augenblick ganz besonders gern auf sie verzichtet, denn die Nacht kam heran, und ich war von den vorausgegangenen Anstrengungen ziemlich müde geworden. Doch fand ich keine Ausrede und fürchtete, mrinen armen Freund durch eine einfache Weigerung in unnötige Aufregung zu versetzen. Hätte ich mich auf Jupiter verlassen können, so hätte ich leinen Augenblick gezögert, den Irrsinnigen mit Gewalt nach Hause zu bringen, doch kannte ich den alten Neger zu gut. um hoffen zu dürfen, daß er mir unter irgendwelchen Umständen gegen seinen Herrn beistehen werde. Jck> zweifelte keinen Augenblick mehr, daß Legrand, wie so viele Südländer, dem Aberglauben an vergrabenes Gold zum Opfer gefallen, und daß er durch den gefundenen unbekannten Käfer oder vielleicht durch Jupiters hartnäckige Behauptung, derselbe fei von wirklichem Golde, in seiner fixen Idee bestärkt worden war. Ein an sich schon zu Phantastereien neigender Mensch konnte durch solche Vor. stellungen nur zu leicht noch mehr verwirrt werden, besonders. wenn diese Vorstellungen mit seinen früheren Lieblingsideen in Einklang standen, veberdies erinnerte ich mich der Worte des armen Kerls, der Käfer bedeute großen Reichtum. Im großen ganzen war ich sehr verstimmt und ärgerlich, doch beschloß ich zum Schluß, aus der Not eine Tugend zu machen und aus vollen Kräften zu graben, um dem Irren recht bald durch den Augen» schein zu beweisen, wie töricht seine Hoffnungen-gewesen. Wir zündeten die Laternen- an und begannen mit einem Eifer zu arbeiten, der einer vern. aftigeren Sache wert gewesen wäre. Als der Schinimer der Laternen auf uns und unsere Werk- zeuge fiel, drängte sich mir der Gedanke auf, welch malerische Gruppe wir bildeten und wie seltsam und verdächtig unsere Arbeit jedem Menschen erscheinen mußte, der uns vielleicht zu- fällig gewahrte. Wir gruben ohne Unterbrechung zwei Stunden lang; ge- sprachen wurde wenig, denn wir halten genug zu tun, um dem Gebell des Hundes, den unsere Arbeit außerordentlich zu intcr- essieren schien, durch häufige Zurufe ein Ende zu machen. Zum Schluß bellte da? aufgeregte Tier jedoch so ungestüm, daß wir fürchten mußten, die Anfmerksamkert etwaiger später Wanderer zu erregen— oder vielmehr Legrand fürchtete es; mir wäre jede Störung nur angenehm gewesen. Endlich machte Jupiter dem Lärm ein Ende, indem er mit verbissener Entschlossenheit aus der Grube herausstieg, dem Tiere mit einem seiner Hosenträger das Maul zuband und mit zufriedenem Grinsen wieder an seine Arbeit ging. Nach Verlauf von zwei Stunden hotten wir eine Tiefe von fünf Fuß erreicht, ohne daß das geringste Anzeichen eines ver« grabcnen Schatzes zutage gekommen wäre. Wir machten alle eine Pause, und schon gab ich der Hoffnung Raum, daß sich die Komödie ihrem Ende nähere. Legrand jedoch wischte sich, obgleich ein tßcnig irre gemacht, die Stirne ab und begann von neuem zu graben. Wir hatten den ganzen, vier Fuß im Durchmesser großen Kreis ausgegraben und gruben nun ein wenig über die Grenze hinaus und noch zwei Fug tiefer. Der Goldsucher, den ich eigentlich herz- lich bemitleidete, kletterte endlich aus der Grube heraus. Bitterste Enttäuschung malte sich in all seinen Zügen, und zögernd und widerwillig zog er seinen Ucberrock, den er zur Arbeit ausgezogen hatte, wieder an. Ich enthielt mich aller Bemerkungen, Jupiter al>er begann auf ein Zeichen seines Herrn die Gerätschaften zu» sammenzupacken. Als dies geschehen und der Hund seiner Fesseln entledigt worden war, machten wir uns in tiefer Stille«uf. nach Hause zu gehen. Wir hatten etwa zwölf Schritte gemacht, als Lcgrand mit einem lauten Fluch auf Jupiter zustürzte und ihn am Kragen packte. Der erstaunte Neger riß Augen und Mund so weit ex nur konnte auf, ließ die Spaten fallen und sank auf die Knie. „Du Schuft/ schrie Legrand und zischte die Silben zwischen den zusammengepreßten Zähnen hervor—„Du infernalischer, schwarzer Hund— sprich, sage ich Dir!— antworte mir im Augen- blick und ohne Umschweife— welches— welches ist Dein linkeS Auge?" „O lieb gut Massa Will, sein nicht dies gewiß mein linkeS Auge?" brüllte der erschrockene Neger, legte seine Hand auf sein rechtes Sehorgan und ließ sie mit solch verzweifelter Hartnäckigkeit auf demselben liegen, als fürchte er, sein Herr werde es ihm im Augenblick ausreißen. „Dacht ichs doch!— Wüßt ichS doch— hurra!" schrie Legrand. ließ den Neger los und führte zum Erstaunen des Dieners eine Reihe von Courbetten und Pirouetten aus, während Jupiter sich von seinen Knien erhob und stumm von seinem Herrn auf mich und von mir auf seinen Herrn blickte. „Kommen Sie, wir müssen zurückgehen," sagte diesei endlich. „das Spiel ist noch nicht aus," und schritt wieder auf den Tulpen- bäum zu. „Jupiter," rief er, als wir an seinem Fuße angekommen, „komm her. War der Schädel mit dem Gesicht nach außen oder in das Laubwerk hinein angenagelt?" „Gesicht nach außen, Massa, das Krähen konnten ohne Müh« an die Augen." „Gut! Hast Du nun den Käfer durch dieses oder dieses Auge herabfallen lassen?" Hier berührte Legrand jedes von Jupiters Augen. „Durch dies Auge, das linke Auge, genau wie Massa haben gesagt," beeilte sich Jupiter zu antworten und legte die Hand auf sein rechtes Auge. Jetzt entfernte mein Freund, in dessen Irrsinn ich nun eine Methode zu entdecken glaubte, den Pflock, der die Stelle bezeichnete, an welcher der Käfer heruntergefallen war, und schlug ihn etioa drei Zoll weiter westlich wieder ein. Dann führt« er das Maßband vom nächsten Punkt des Stammes wieder an den Pflock, und von dort in gerader Richtung fünfzig Fuß weiter bis an einen Punkt, der von dem ersten, an dem wir gegraben hatten, mehrere Ellen entfernt war. Um diesen Punkt beschrieb er nun einen etwas größeren Kreis als den vorherigen und ermunterte uns, von neuem tapfer zu graben. Ich war entsetzlich müde und dennoch fühlte ich zu meinem eigenen Erstaunen keinen Widerwillen mehr gegen die mir aufgedrungene Arbeit. Unerklärlicherweise hatte ich plötzlich Interesse für die Sache bekommen, ja, ich fühlte mich von einer mir selbst unerklärlichen Aufregung ergriffen. Vielleicht lag in dem extravaganten Wesen Legrands etwas, das Eindruck auf mich machte. Ich grub mit Eifer darauf los und ertappte mich hin und wiedeo dabei, wie ich mit einem Gefühl, das der Erwartung sehr ähnlich sah, nach dem eingebildeten Schatz spähte, der meinem unglückseligen Freunde den Verstand geraubt hatte. Als wir ungefähr ändert- halb Stunden gegraben hatten und mich solch unbestimmte Ge- danken gerade besonders stark beschäftigten, wurden wir durch das heftige Heulen unseres Hundes in unserem Schweigen unierbrochen. Seine frühere Lebhaftigkeit war offenbar nur Uebermut und Toll- heit gewesen, diesmal jedoch klang sein Gebell aufgeregt und wütend. Als Jupiter abermals den Versuch machte, ihm das Maul zu verbinden, leistete er verzweifelten Widerstand, sprang in das Loch und kratzte mit größter Heftigkeit die Erde zur Seite. In wenigen Sekunden hatte er eine Menge menschlicher Gebeine bloßgelegt, die sich zu zwei vollständigen Skeletten zusammensetzen ließen und zwifchen denen verschiedene Metallknöpfe, sowie Flocken. die wie vermoderte Wolle aussahen.verstreut lagen. Ein oder zwei Spatenstiche förderten die Klinge eines großen spanischen Messers zum Vorschein, ein paar weitere drei oder vier Gold- und Silber- münzen. Beim Anblick derselben bemächtigte sich Jupiter» eine kaum- zu bezähmende Freude, während sich in den_ Zügen seines Herrn äußerste Enttäuschung malte. Dennoch drängte er un», mit der Arbeit fortzufahren, und hatte kaum ausgeredet, als ich stolperte und nach vorwärts fiel, weil ich mit meiner Stiefelspitze in einen großen Eisenring geraten war, der noch halb begraben im Boden lag. Nun arbeiteten wir mit verdoppeltem Eifer weiter— nie, mals in meinem Leben durchlebte ich aufregendere zehn Minuten. Nach Verlauf dieser Zeit war es uns gelungen, eine längliche hölzerne Kiste freizumachen, die. nach ihr§r»ollk»mytenxn Er«
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26 (2.3.1909) 42
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