G

176

-

bes Erzbischofs bon Salzburg mit einem Fußtritt aus dem Balais geworfen. In München erwiderte ihm der Kurfürst in fabelhafter Unwissenheit über die europäischen Triumphe des sich Bewerbenden: Jezt ist es noch zu früh. Er soll gehen, nach Italien reisen, fich Berühmt machen!" Mit 24 Jahren schrieb der junge Genius sein erstes Meisterwert, den Idomeneo ", den er im Auftrag für München komponierte. Hier schon verließ er die ausgefahrenen Bahnen der Italiener und näherte fich dem Vorbilde Glucks , d. h. er fegte an Stelle der Melodie, die nur angenehmer füßlicher Kling- Klang, virtuofer Selbstzwed fehlfertiger Primadonnen und eitler Kastraten war, die dramatische Charakteristit, die Wahrheit des Ausdrucks, die Sprache des Gemüts und der Seele. Damals fchrieb er an seinen Vater Leopold Mozart nach Salzburg : Ich bin hier in München sehr beliebt; und wie würde ich erst beliebt werden, wenn ich der deutschen Nationalbühne in der Musit emporhälfe." Das zeugt von der Erkenntnis Mozarts, daß das nationale Gefühl in Deutschland auch für die Kunst am Erwachen sei, daß ein deutsches Nationalfingspiel zu den Jdealen jedes edel und ernst denkenden Künstlers gehöre". Das war 1781. Ungefähr 100 Jahre später verwirklichte Richard Wagner die Idee des deutschen Nationaldramas in seinen für das Bayreuther Amphitheater geschaffenen mythologischen Opern, an denen schließlich nichts deutsch war, wie der gestaltende Ernst, der Kunstfleiß, die ideale Selbstlosigkeit, mit der hier Dinge um ihrer selbst willen geworden waren. Weit war der Weg, der von Mozart und Gluck über Marschner und Weber zu Wagner führte, aber Wagner hätte ihn nicht zu Ende gehen können, wenn er sich nicht von allen Anfang auf Mozart stigte.

"

Kleines feuilleton.

Kunft.

Seine

Franz Starbina, der bekannte Maler, der in diesen Tagen seinen 60. Geburtstag feierte, ist ein geborener Berliner . Er studierte in den sechziger Jahren an der hiesigen Kunstakademie, die damals ebensowenig wie heute geeignet war, in ihren Bög­lingen tezerische Gelüfte zu eriveden, und malte dann nach den Regeln der Schule ein Jahrzehnt lang konventionelle Genrebilder, teils aus dem modernen Leben, teils aus der Empire- und Nokoko­zeit. Es waren Arbeiten von der Art, die dem großen Publikum gefällt und die auch den Ansprüchen der gebildeten Schöngeister jener Zeit genügten. Die Kunstkritik verglich damals den jungen Maler gerne mit Menzel, dessen persönlichen Stil er in gewissen Aeußerlichkeiten geschickt nachzuahmen wußte, ohne sonst irgend etwas mit ihm gemein zu haben. Seit 1880 unternahm Glarbina ausgedehnte Studienreisen nach Frankreich , England und den Niederlanden , und lernte namentlich in Paris die neue Kunst kennen, von der man in Deutschland damals noch nichts wußte und auch nichts wissen wollte. Er eignete sich die moderne Auffassungsweise und die technische Eleganz und Bravour der französischen Malerei an und verpflanzte das, was er im Ausland gelernt hatte, an den heimatlichen Strand der Spree . neuen Arbeiten erregten Aufsehen. Sie waren neben denen von Max Liebermann die ersten, die den Berlinern Kunde gaben von den fundamentalen Umwälzungen, die sich im Kunstschaffen und In Wien hatte Joseph das deutsche Nationalfingspieltheater in den Kunstanschauungen des führenden Kulturlandes vollzogen wirklich errichtet. Der Nährboden des damaligen Wien war für die hatten. Starbina galt neben Liebermann als der Vorkämpfer der Entfaltung der Künfte ein außerordentlich günstiger. Das ganze neuen Richtung in der Berliner Malerei. Die Jugend jubelte Dasein in Wien schwamm damals in einer warmen Sinnlichkeit, ihm zu, und die offiziellen Würdenträger der alten Kunst bewarfen fagt der Kulturhistoriker Ludwig Nohl , das Leben hatte kaum einen ihn mit Schmuz. Nicht nur das Wie, sondern auch das Was seiner Stachel, und unbefangen rührte und zeigte sich jede seiner nächsten Arbeiten erregte heftigen Anstoß. Wagte er es doch( nach dem Regungen. Ein hoher Grad allgemeiner Bildung, Nachtlänge an Muster von Courbet und anderen französischen Meistern) ernste bie italienische Renaissance, funftliebende Adelshäuser, für Mufit, Szenen aus dem modernen Proletarierleben darzustellen. Es Poesie und Malerei begeisterte Bürger- und Gelehrtenfamilien. So fonnte nicht ausbleiben, daß man den Armeleute maler" war Wien im Gegensatz zum damaligen Paris oder London oder sozialdemokratischer Tendenzen bezichtigte. Die parlamentarischen gar Berlin der einzige hauptstädtische Kulturboden, in dem Musiker Banaufen, die in den diversen deutschen Landtagen über Kunst zu wie Glud, Mozart , Haydn und Beethoven gedeihen konnten. Bald nach Schwaben pflegten, riefen zum Kampf auf gegen die volks. Mozarts Ueberfiedelung nach Wien schrieb er im Auftrag des Kaisers die berderbenden Einflüsse dieser Malerei, und die Pfaffen stimmten tomische Oper: Belmonte und Constanze oder die in den Ruf ein. Aber Starbina hat solchen Schimpf wahrhaftig Entführung aus dem Serail". Bei der ersten Aufführung nicht verdient, und er bewies bald und durchaus überzeugend, wie am 12. Juli 1782 war das gedrängt volle Haus durch diese Musik, sehr man ihn damals verkannt hatte. Er war im Grunde seines die in Wohllaut und Schönheit getränkt, doch stets volles Leben und Herzens ebensowenig ein sozialer wie ein fünstlerischer Re­und drastische Zeichnung bot, die der charakteristischen Wahrheit nicht bolutionär. Vielmehr führte ihn sein Instinkt regelmäßig dazu, den Adel der Form opferte, aber auch nicht bloß mit blinkenden die jeweilig günstigste Konjunktur geschickt auszunußen. Er ver­Reden verführte, überrascht und entzückt. Mozarts Stellung in Wien stand es vortrefflich, sich den Verhältnissen anzupassen, und selbst war mit einem Schlage befestigt. Sein nächster großer Wurf war das wütende Geschrei der rückständigen Geister, die die ganze Figaro". Keine politische Oper, wie manche wollen, denn moderne Richtung bekämpften, mußte ihm zum Guten dienen. Dec dafür war Mozart zu sehr Vertreter der reinen absoluten Form in Rame Starbinas wurde genannt, sobald von neuer Kunst die Rede der Mufit, wohl aber ein glänzendes und überlegenes Bild einer war, und der gewandte Macher und geschmeidige Nachempfinder bestimmten Zeitepoche, ein Bild, das nur im allgemeinen die mensch- galt bald allgemein als kühner und rücksichtsloser Wegbahner. Der liche Schwäche dem mitleidigen Spott preisgibt. Das Original, großen Masse der modischen Snobs behagten die gefälligen Arbeiten Beaumarchais Hochzeit des Figaro" oder Der tolle Tag" schlug des in allen Sätteln gerechten Virtuosen erklärlicherweise biel freilich andere Töne an, eine gründliche Abrechnung mit der dünkel- mehr als die kernige, herbe und damals noch etwas spröde Kunst haften und gewalttätigen Wilfür des privilegierten Feudalismus eines Liebermann . Und auch das Stoffgebiet, das der Natur ber bürgerlichen Kanaille gegenüber, das literarische Vorspiel der Starbinas vornehmlich zusagte, entsprach dem Geschmack und den großen Revolution von 1789. Ein musikalisches Echo dieses revo- Interessen des zahlungsfähigen Publikums. Lutionären Tones hören wir in der berühmten Arie Figaros:" Will malerei hatte er bald aufgegeben; er wurde der Maler des Abendliche Straßenbilder aus den der Herr Graf ein Tänzlein wagen? Ich spiel ihm auf", eine Art eleganten Berlin . fatirisches Menuett, in dem die Flöten und Geigen zu einem Belts noblen Stadtvierteln, hellerleuchtete Schaufenster mit blinkenden gericht aufspielen und dabei doch nie die Galanterie des Rofofo ver- Spiegelscheiben, Equipagen, die leicht und lautlos über den nassen geffen. Asphalt rollen, Lugusweiber in eleganten Promenadentoiletten usw. Der gewaltige Erfolg des Figaro" veranlaßte Mozart zum auf diesem Gebiet manches fünstlerisch Wertvolle geleistet hat. wurden seine Domäne. Und es ist nicht zu leugnen, daß Skarbina Entwurf feines Don Juan Wie viele Komponisten und Dichter haben ihre Kräfte am" Faust", dem Urtyp des unzerstörbaren Ramentlich die Art, wie er komplizierte Beleuchtungseffekte zu be­Erkenntnistriebes im Menschen, versucht, wie viele am Don Gio- Sinn und startem, technischem Können. Aber was er bietet, ist obachten und wiederzugeben versteht, zeugt von echtem, malerischem banni, dem Helden des rücksichtslosen Lebensgenusses und un­verwüstlichen Lebenstriebes, der den Tod selbst zum Gastmahl ein- doch nur Kunst aus zweiter Hand. Ihm mangeln die vollblütige Ladet? In Goetes Worten, in Mozarts Tönen allein werden diese Ursprünglichkeit und die wurzelechte Eigenart, die erst den wahr. beiden Stoffe, an denen Nationen gearbeitet haben, fortleben. haft großen Künstler machen. Er wandelt mit Geist und Grazie Mozarts Don Giovanni trifft den poetischen Kern der Don Juan " haben. Und er ist nicht immer ehrlich im höchsten künstlerischen auf Wegen, die andere in ernstem Mühen erschlossen und geebnet Sage: die tragische Verantwortung muglos verbrauchten Seins vor den dunklen Mächten des Lebens mit künstlerischer Sicherheit, mit Sinne. Er berzierlicht, verfüßlicht und parfümiert seine Sujets erschütternder seelischer Macht und Tiefe, besonders in den Stomthur- gern und oft und gibt z. B. den Personen und Gegenständen auf Szenen. den Berliner Straßen- und Sittenbildern nicht selten einen Schic Die Höhe des Don Juan " erreicht Mozart noch einmal in der zunächst für freimaurerische Ideale berechneten und eine Anmut, die nicht Berlinisch, sondern Pariserisch ist. 8auberflöte", die er nach dem köstlichen italienifierenden Zum 60. Geburtstage Starbinas hat Caspers Kunsts Mastenspiel, der heiteren Oper Cosi fan tutte "( So machen's Salon( Behrenstraße 17) eine Ausstellung von einigen fünfzig Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen veranstaltet. Es ist keine alle) 1791 farieb als eine bestellte Bauber- und Zugoper. Der Possen systematisch zusammengestellte Kollektion, die einen Ueberblick über reißer und Theaterdirektor Sikane der war der Verfasser des die künstlerische Entwickelung des Mannes gibt, aber man erhält albernen Tertes. Er wollte den gutmütig- täppischen Narren Papageno in die Mitte der Handlung stellen, der universale Geist Mozarts er doch einen Begriff von seiner Vielseitigkeit und seiner effektvollen, blidt in Saraftros fittlich- religiöjen Weisheitssprüchen und fosmopo- buntfchillernden, spielerischen Virtuofität. litischen Ideen einer allgemeinen Menschenverbrüderung den idealen mancherlei er konnte und kann und wie sein Streben doch nie in Kern des Märchens. Ihm war die" Bauberflöte" ein farbiges die Tiefen dringt und sein Schaffen innerhalb der zeitgenössischen Biberspiel des nüchternen Alltagslebens." Wie sehr er Recht behalten Stunft nirgends einen Gipfelpunkt bedeutet.

der

"

"

"

Hat, zeigt die Wirkung seiner Zauberflöten"-Musik, die die gröb­

"

Lichen Hanswurstereien und findischen Spielereien mit Symbolen des

Ballhorns Schikaneder berklärt und vergessen macht.

Die Armeleute.

Man erkennt, wie

J. S.

Berantw. Redakt.: Carl Wermuth, Berlin - Rigdorf.- Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u, Verlagsanstalt Baul Singer& Co..Berlin SW