-

211

-

Drei Tage lang ruderten wir in dem Kanoe den einsamen un- schöne Welt des Krämerstädtchets Gerbersau. Ja, diesmal ist Here bekannten Fluß weiter hinauf. Dann zogen wir das Kanoe an mann Hesse aus seiner Ländlichkeit bis an die Tore des Klein Land und schlugen im Schatten eines Zedernwaldes unser Lager auf. städtchens gezogen und guckt der Nachbarn von Dingsda durch di Wir beschlossen, eine Hütte zu errichten und machten uns auch sofort leinen Fensterchen ihrer friedlichen, oft auch sorgenbeschwerten an die Arbeit. Nach Verlauf zweier Tage war sie fertig und wir Häuser. Nach der Lektire von Findle empfindet man Heffes bieder­wollten uns nun für den Rest des Sommers zur Ruhe sezen, um männische Art ferniger, viel weniger pastoral, seinen Stil fraftvoller, die Natur und ihre heilige, wilde Schönheit zu genießen. Es wurde bei aller Frömmigkeit des Gemüts heidnischer. Ein Unterschier ein im höchsten Grade schöner und erquickender Aufenthalt. Wir zwischen Finckle und Hesse wie etwa zwischen Geßners, Schäferidyllen durchstreiften die von Menschen ganz unberührten Gegenden und und Goethes ländlichem Gedicht Hermann und Dorothea ". Von fanden fie voll von gadernden Birkhühnern und Schneehühnern, feltsamen Käuzen wird berichtet, sie sind alle ein wenig von Wehmut flötenden Haselhühnern und fnurrenden Schnepfen. Auf den umwittert, aber auch ein guter, ein freundlicher Humor schafft da Mooren zwischen den mit gedern bewachsenen Holmen" streifte seine wunderlichen Streiche. Traumspinner und Fabulierer, Vaga auf seinen leichten, beweglichen Füßen das Elentier umber, bunden und Strolche, liebe Dutzendseelchen und Eigengänger und jeden Morgen, wenn vor unserer Hütte in dem Topfe über dem marschieren auf, alle verwachsen und verwurzelt mit ihrer lleins Feuer die Vogelsuppe dampfte, hatten wir Besuch von einem kleinen bürgerlichen Heimaterde. Die Gottesnähe der Kinderherzen wird allerliebsten Bären, der begehrlich den angenehmen Effensdampf ein- gezeigt und alles fügt sich zur sonnebeglänzten Poesie des Werktag sog. Auf unseren Streifzügen entdeckten wir fleine Landseen. Einer lebens. In der alten Sonne", die Geschichte alter querköpfiger davon lag nur 1 Kilometer vom Lager entfernt; wir brachten unser Armenhäusler, ein Bild von Liebermann. Ganz köstlich aber die Kanoe dorthin und legten unser Netz aus. Als wir es ein paar vortrefflich lehrreiche Geschichte vom ästhetischen Dichterjüngling Stunden später aufzogen, war es voll von ungewöhnlich großen, aber Karl Eugen Eiselein", ein Stüd Satire und ein Stück dichterisches mageren Karauschen; ich war geneigt zu glauben, daß die Ursache Glaubensbekenntnis zugleich. Und wieder als leuchtender Punkt in­ihrer Magerkeit darin lag, daß der See von Fischen überfüllt war, mitten der Fronie die Mutter, die tüchtige Frau. Hermann Heffe so daß sie Mangel an Nahrung hatten. ist nicht umsonst bei Gottfried Keller in die Schule gegangen; Frau Regula Amrain, diese wundervolle Wiedergeburt der lebensflugen, frobgemuten, starken, urwüchsigen Frau Aja ist nicht nur für ihren " Jüngsten", sondern auch für alle die jungen Nachfolger ihres Dichters ein geliebtes Vorbild geworden. Bei dieser Nachfolgschaft, die sich zu den biedermeiernden Diminutivdichtern und Grasanbetern verwandelte, und zur Hälfte leider nur Formspielerei und Gemüts­schwindel betreibt, muß immer wieder das geistige spezifische Ueber­gewicht der bufolischen Kleinkunst von Hermann Hesse tonstatiert werden.

Herrliches Wetter hatten wir tagaus tagein, immer hohen Himmel, immer wärmende flare Sonne. Göttlich schön floß uns die Zeit da­hin in dieser entzückenden Gegend.

Wir zimmerten von umgestürzten Stämmen ein Floß, verluden unsere Nüsse darauf, samt dem Kanoe und den Fellen der geschossenen Tiere: drei Zobeln, einem Elentier, 150 Eichhörnchen, einem Bären, zwei Dttern und drei Hasen. So stakten wir uns fort mit dem Strome.

"

So tam der Herbst und damit ein Umschlag in der Witterung, der mit zwei Tagen Sturm und Regen einsette. Die Fruchtzapfen rasselten herunter von den Cedernbäumen und bedeckten die Erde mit einer ganzen Schicht. Wir machten uns daran, von all diesem Reichtum einzufammeln, der von den Bäumen herabgefallen war, trugen die Zapfen hinein in Säden, die wir aus Leinwand zusammen genäht hatten, machten uns mit Hilfe unserer Art eine primitive Maschine mit Zahnrad und zerquetschten damit die Zapfen. Rud. Hans Bartsch : Die Haindlkinder".( Berlap Die Nüsse reinigten wir von den Hülsen in einer Siebmulde, 2. Staakmann, Leipzig .) Dieser junge Desterreicher schließt sich die wir zwischen zwei Baumstämmen aufhängten und sie hin und stilistisch eigentlich an die Gruppe der schwäbischen Heimatdichter an herichüttelten. Mein Kamerad war ein vortrefflicher Tischler. Die Aber in seine Handschrift ist schon eine gewisse Erregung gekommen. Nüsse sammelten wir haufenweise. So vergingen einige Tage. Er geht nicht mit der weichen Versonnenheit im Sonnenschein dahin, Und nun war es Zeit geworden, an die Rückreise zu denken und er trägt ein Stück Patriotismus auf den Schultern mit. Mit allen aufzubrechen. Fafern drängt es auch ihn an die Brust der Natur, er träumt von blühenden Feldern, von grünen Wiesen, von Waldversunkenheit und weiße holde Lieder auf die stille Ländlichkeit zu singen, aber noch ein anderes Lied drängt sich hervor: Desterreich, du großes, starkes... Wie schon des Autors Erstlingswert Zwölf aus der Steiermark " durchzieht auch dieses Buch vom alten Haindl und seinen drei Buben der alldeutsche Gedanke. Aber der Unterton des Romans stört uns nicht das Behagen an der wohlgeratenen Schilde­rung des typischen Alt- Desterreichers, des Vaters Haindl, dem der " Preuß" sein sang- und klangvolles, sein heiteres, tanzendes, grünes Wien auf die Seite gedrängt hat, und der mit seinen Kindern nun in trußiger Nationalität und fester Tradition eine Altwiener Familie bilden will zur Beschauung und Erbauung eines unwürdigen neuen befiegten Geschlechts. Ein Gemälde alter Bürgerlichkeit mit fatten Farben rollt sich auf. Die drei Sprossen des retrospektiven Alten personifizieren freilich gegen seinen Willen das junge Desterreich. Der eine, der Lebehaindl, ein zugreifender Genüßling, der zweite, der Geisthaindl, ein philosophischer Sinnierer mit der schauenden Ruhe, der dritte, der Kampfhaindl, ein dicker wackerer Mann, der das" Urdeutsche" sucht. Und über alle drei kommt das Schicksal durch das Weib. Schade, daß am Ende der Geschichte die Roman haftigkeit mit dem Verfasser durchgeht. Auch er ist in dem politisch gefärbten Buche ein Mutterdichter" und ein Dichter des Vater­hauses", das ihm der flare Quell aller Freuden bedeutet. Mit der Scholle, dem Stück Grund und Boden, das man dem Armen gibt zur eigenen Hütte, will fich für Bartsch auch die Arbeiterfrage lösen. Dieser Schrei nach einem Stück Eigenland, nach einem Stück Grün, nach Garten und Heimathaus für die Arbeitenden tönt am stärksten in der bunten Geschichte, die die starke Dichterpersönlichkeit ihres Verfassers so charakteristisch hervortreten läßt.

Es war eine feine Lage Schnee gefallen in der Nacht vor der Abreise, die am 20. August bei Sonnenaufgang in stillem Wetter und bei drei Grad Kälte erfolgte. In den noch laubreichen Weiden, die am Ufer wuchsen, saßen Haselhühner und pfiffen: Bi, pi, pii! Sie hatten feine Furcht vor dem sacht treibenden Floß, das unter dem scheckigen Herbstlaub über das ruhige Waffer dahinglitt.

Am Abend des anderen Tages erreichten wir den von der Natur gebildeten Holzdamm. Hier bekamen wir viel Arbeit, die Rüffe und die Jagdbeute nach unserem zurückgelassenen Boot zu schleppen, das wir, wo wir es vertäut hatten, in gutem Zustande wiederfanden; es war nur etwas Wasser eingedrungen.

Als wir alles an Bord gebracht, das Wasser aus dem Boot ge­schöpft und das Kanoe angebunden hatten, setzten wir die Fahrt fort nach bewohnten Gegenden. Das Boot war sehr schwer belastet, und wir zwei vertrauten Kameraden, die einander innerlich lieb gewonnen hatten, waren bei bester Stimmung, wozu auch der merkwürdige Reichtum beitrug, zu dem wir gekommen waren, ohne daß wir von Anfang an auch nur im geringsten daran gedacht hatten, wirtschaftliche Ausbeute auf unserer Tour zu suchen.

Als wir nach zehntägiger Fahrt die Mündung des Kiewer reichten, war sie mit Eis bedeckt; es hatte in der letzten Nacht start gefroren, und es glückte uns nur mit größter Schwierigkeit zu passieren und uns den Weg in den breiten und stromreichen Ob zu bahnen.

Als wir zwei Tage den Ob hinaufgerudert waren, näherten wir uns einem ostjatischen Dorfe und erblickten zu unserer Freude auch ein Dampfschiff, das wir anriefen.

Kurz darauf waren wir an Bord des Schiffes, das Passagiere von Tomst nach Tjumen führte; es war der lezte Dampfer, der in diesem Jahre noch vor der Vereisung fuhr. Unser Boot wurde ins Schlepptau genommen.

Nach Verlauf von vier Tagen waren wir in Tjumen . Dort verkauften wir die Nüsse für 330 M.

Diese Expedition war die interessanteste, die ich während meiner zehnjährigen Reisen in Nordafien unternommen habe.

Sigurd D. Patursson.

Neue Erzählungsliteratur.

"

( Schluß.)

Hermann Hesse : Nachbarn", Erzählungen.( Verlag S. Fischer, Berlin .)

Auch hier gibt es feine aufregenden Geschehnisse, es wird gemüts voll geplaudert, ein derber Spaß fährt drein, und die Milde des Verstehens breitet sich über die schrullenhafte, fomische, traurige und

Hermann Heijermanns: Berliner Stizzenbuch". ( Verlag Boll u. Pickardt, Berlin .) Wir treten hinaus aus der Sphäre der sanften Beschaulichkeit der altväterischen Naturgenießer und der Auskoster kleinen Schollenglücks. Durch die Skizzen Heijer­manns fährt ein sozialer Wind. Auch er, ein aufmerksamer Be­schauer des Lebens, aber er hat keine harmonisch beruhigenden Brillengläser vor den Augen, er hat das Glas des Unzufriedenen. liches Hausgewinkel, es ist die Großstadt Berlin . In seiner Kunst Das Feld feiner Ausbeute ist kein frommes Wiesenland, kein lieb­brennt nicht das stille Feuer der traulichen Herdflamme, hier zucken rote Richter und beleuchten grell die soziale Not. Die Erzählungen, manchmal allerdings auch von ironischem Humor, zeigen des Autors scharfe Beobachtung von Menschen und Dingen, zeigen eine einpräg fame Gestaltungskunst und den brütesamen Drang aller feiner Werke, den Zusammenhängen nachzuspüren, die Glück und Leid, Schuld und Verbrechen, Armut und Elend, Charakter und Physio­gnomie der Menschheit bestimmen. Unter der Rubrik Eindrücke" gibt Heijermanns dann Augenblicksbildchen vom Dämon Berliir, feinem geschminkten Laster, seinen Enterbten, vom Bouillonfeller, vom Blendwerk des Theaters, vom Arbeitshaus und vom Asyl der Obdachlojen. Ein Ausländer zeigt den Deutschen ihr Berlin ohne